Karin Fuchs kann sich noch gut an den Bäcker Knieß erinnern, wie er Unterhemd in seinem Laden stand: "Das war ein Lebenskünstler, ein Original." Er schürte irgendwann vormittags den Backofen an, und nachmittags öffnete er dann seinen Laden, wenn die beiden einzigen Gebäcke fertig waren, die er herstellte: Salzstangen und Sauerteig-Stölli, die im Viertel heiß begehrt waren. Und wenn alles verkauft war, machte er wieder zu.
Bis vor etwa 15 Jahren gab es die Bäckerei, bis zu seinem Tod vor anderthalb Jahren lebte der Bäcker noch im Knieß-Haus, an dem schon seit Jahrzehnten nichts mehr gemacht worden war und das zusehends verwahrloste. Nun hat die Stadt es gekauft.
Und Karin Fuchs hat nach langer Zeit das Gebäude wieder betreten. Nicht als Stölli-Käuferin, sondern als Architektin der Sanierungsstelle. Mit dem Kauf ist das Knieß-Haus zu einem der Objekte der Altstadtsanierung geworden. Auf der Basis des Städtebauförderungsgesetzes wird auch in Schweinfurt die Altstadt Stück für Stück instand gesetzt. Die Stadt kauft Objekte und übernimmt die ersten Schritte in Zusammenarbeit mit dem Landesamt für Denkmalpflege.
Am Anfang steht meist die Entrümpelung. Oft müssen Anbauten abgebrochen werden, die den historischen Baukörper stören. Beim Knieß-Haus war das ein dreischossiger Rückbau mit Backofen und Wirtschaftsräumen, der fast den ganzen Hinterhof einnahm. Im Haus selbst mussten die Hinterlassenschaften eines langen Lebens beseitigt werden - 20 000 Euro haben diese ersten Maßnahmen gekostet, für die es bereits Fördergelder gibt.
Ein Rundgang durchs Haus mit Dr. Wolf Schmidt, dem Leiter der Außenstelle des Landesamts für Denkmalpflege in Schloss Seehof bei Bamberg, ergab eine erste Einordnung des Hauses ins 17. Jahrhundert. Schmidt war es auch, der vorschlug, das Gebäude in die Liste der Schweinfurter Denkmäler aufzunehmen. Näheres werden die nächsten Schritte ergeben: das verformungsgerechte Aufmaß, die statische und die restauratorische Untersuchung. Letztere wird mittels der Baumringuntersuchung, der Dendrochronologie, genau bestimmen, in welchem Jahr die Bäume gefällt wurden, die für den Hausbau verwendet wurden.
Auch wenn über die Jahrhunderte immer wieder umgebaut und verändert wurde, der Innenraum blieb nahezu unverändert im Zustand etwa des 19. Jahrhunderts erhalten. Die niedrigen Türstürze sind bestimmt noch älter, ganz zu schweigen vom hin und wieder hinter zerrissenen Tapeten hervorscheinenden Lehmputz der Wände, der wohl aus der Erbauerzeit stammt. Aber Täfelungen, Böden und Lamperien - breite hölzerne Bodenleisten - weisen direkt ins vorletzte Jahrhundert. Das gilt auch für die Haustechnik: Bad gibt es keines, im ganzen Haus finden sich gerade mal zwei Waschbecken, das Klo lag im Hinterhof.
Dabei wäre Platz genug gewesen. Auf einer großzügigen Grundfläche von gut 100 Quadratmetern erhebt sich ein Gebäude mit Erdgeschoss, zwei Obergeschossen, Mansarden-Geschoss und Dachboden. Auffällig ist, dass die repräsentativsten Räume nicht wie üblich im ersten, sondern im zweiten Stock liegen. Das deutet für Karin Fuchs darauf hin, dass der erste Stock als Kontor genutzt wurde und erst der zweite als Beletage.
Doch über die Geschichte des Knieß-Hauses vor dem Jahr 1900 ist noch wenig bekannt. Sicher waren seine Erbauer durchaus wohlhabend. Weitere Hinweise werden sich aus den nun anstehenden Untersuchungen ergeben. Mit diesen einher geht eine Nutzungsstudie, die das Landesamt für Denkmalpflege erstellt. Sie wird Vorschläge für die sinnvolle Nutzung des Hauses enthalten. Einen Laden im Erdgeschoss kann sich Karin Fuchs vorstellen, darüber mindestens eine Wohnung. Ideal wäre das Haus etwa für einen Steuerberater oder Architekten, der dann direkt über seinem Büro wohnen könnte.
Nun macht sich die Sanierungsstelle auf die Suche nach einem Käufer. Karin Fuchs ist zuversichtlich: "Meist melden sich die Interessenten sehr bald, wenn wir anfangen, an einem Haus zu arbeiten." Vieles, was private Investoren vom Kauf historischer und sanierungsbedürftiger Häuser abschreckt, fällt also weg: Voruntersuchungen und denkmalpflegerische Überlegungen sind abgeschlossen, und die Frage möglicher Zuschüsse ist auch geklärt.
Wie die Sanierung eines historischen Gebäudes verlaufen kann, beschreiben wir in der nächsten Folge.