Am 22. April jährt sich zum 70. Mal der Tag der Deportation mainfränkischer Juden in Vernichtungslager. Von diesem Schicksal betroffen war die damals einzige jüdische Familie Stadtlauringens, Simon und Regina Hirschberger. Winfried Krappweis, dessen Großeltern in den 1950er Jahren das Anwesen der Familie in Stadtlauringen erwarben, erforschte mit Unterstützung von Elisabeth Böhrer die Biografie der Familie Hirschberger.
Der Vater von Simon Hirschberger, dessen Vorfahren sich seit 1776 in Oberlauringen nachweisen lassen, wurde 1875 in Stadtlauringen sesshaft, wo er ein Anwesen kaufte und sich eine Wohnung und ein Geschäft für Schnittwaren, also für Stoffe und Nähbedarf, einrichtete. Sein Sohn Simon, der 1880 zur Welt kam, und dessen Ehefrau aus der Nähe von Tauberbischofsheim führten das Geschäft weiter. Das Ehepaar hatte drei Töchter. Eine vierte Tochter starb im Säuglingsalter und ist auf dem Judenfriedhof in Oberlauringen begraben.
Für Hirschbergers war Oberlauringen der Mittelpunkt des Gemeindelebens. Hier stand die Synagoge. „Da ein gläubiger Jude am Sabbat nur 1000 Schritte gehen darf, benutzte Simon Hirschberger mit seiner Familie das noch in seinem Besitz befindliche Haus in der Oberen Judengasse in Oberlauringen“, schrieb Krappweis in der Biografie. Freitags ging die Familie dorthin, sonntags kehrte sie nach Stadtlauringen zurück.
Auch für Stadtlauringen vermutet Krappweis in erster Linie den Neid der deutschen Bevölkerung als Ursache für die Verfolgung der jüdischen Mitbürger. So besaßen die Hirschbergers als eine der Ersten einen Fernsprecher und ein Auto. Ihre älteste Tochter Ilse, geboren 1915, besuchte in Schweinfurt das „Städtische Mädchenlyzeum“. Nach dem Abschluss ging sie in Wolfratshausen auf eine jüdische Mädchenschule, die der Münchner jüdische Frauenbund dort gegründet hatte.
Wegen der ab 1933 immer mehr anschwellenden Judenverfolgung sahen Simon und Regina Hirschberger keine Zukunft für ihre Kinder in diesem Land. Ilse kam bereits 1936 zu einem Onkel nach New York. Die zweite Tochter Fränzi, geboren 1921, kam 1938 zu einer jüdischen Familie in Palästina. Die jüngste Tochter, die 1930 geborene Tochter Lore, wurde Anfang 1939 zu einer Familie nach Schweden gebracht, die mit ihr 1940 nach Amerika auswanderte.
Von Zerstörungen in der Reichspogromnacht am 9. November 1938 blieben die Hirschbergers in Stadtlauringen verschont. Simon Hirschberger wurde aber mit allen männlichen Juden aus Oberlauringen am nächsten Tag nach Hofheim ins Gefängnis gebracht. Vom 17. November bis 20. Dezember war er im Konzentrationslager Dachau inhaftiert. Bereits Mitte November wurde das Auto der Familie beschlagnahmt.
Ab 1939 wurde Simon Hirschberger als Erntehelfer im Ort verpflichtet. Am 22. April wurde das Ehepaar zusammen mit weiteren Juden aus dem Landkreis Hofheim, darunter 13 aus Oberlauringen, mit dem Bus nach Würzburg gebracht. Mit vielen Leidensgenossen mussten sie in einem Gartenlokal am Friedrich-Ebert-Ring ausharren, ehe sie am 25. April in einem langen Zug durch Würzburg zum Bahnhof Aumühle marschierten. Von dort ging der Transport nach Krasnystaw, Polen. Hier, um die Kleinstädte von Lublin, wurden die Ankommenden in Transit-Ghettos festgehalten und mussten schwere Arbeiten verrichten. Die Überlebenden der Deportation aus Franken vom 22. April wurden mit hoher Wahrscheinlichkeit am 6. Juni 1942 in das Vernichtungslager Sobibor gebracht.
Auf Initiative von Ferdinand Freudinger erinnern „Stolpersteine“ – ein Projekt des Künstlers Gunter Demnig – seit Mitte 2011 an Regina und Simon Hirschberger vor dem Anwesen Haintorstraße 5.