Zu Gast im Museum Georg Schäfer war Hans Joachim Neyer, Direktor des Wilhelm-Busch-Museums Hannover, um den Zuhörern von seinen Nachforschungen zum Thema „Erotische Pikanterien bei Spitzweg und Busch“ zu berichten. Es wurde ein kurzweiliger Abend zum Lachen und Schmunzeln: Der Referent räumt auch gleich ein, kein Kunsthistoriker zu sein, und fragt selbst: Kann man Busch überhaupt so interpretieren? Schnell wird klar, dass Neyer ein amüsanter Plauderer und Meister des Fabulierens ist.
Wenn man heute auch nicht genau wisse, wie Busch es mit den Frauen gehalten habe, so finde man dafür in seinen Werken doch manch erotische Pikanterie, so Neyer. In homöopathischen Dosen, möchte man als Leser des Jahres 2008 hinzufügen. Die aber reichten schon 1872 einem Käufer von „Die fromme Helene“ offensichtlich nicht aus: Er schickte das Exemplar des nun aufgeschnittenen Buches an den Verleger Bassermann zurück: Er sei enttäuscht, er habe etwas „Gediegenes im Zotischen“ erwartet. Zum Vergnügen seiner Zuhörer liest Neyer das bissig-ironische Antwortschreiben des Verlegers.
Neyer berichtet von der zeitgleichen Busch-Ausstellung in Hannover unter dem Titel „Wilhelm Busch – erotisch, komisch, gnadenlos“. Und zitiert aus einem dort gezeigten Kasperltheater-Stück, das ein fiktives Gespräch zwischen Wilhelm Busch und Sigmund Freud zum Inhalt hat. Auf den Spuren des großen Psychoanalytikers wandelt nun auch Neyer, wenn er im Flintenlauf des Jägers, in der aufragenden Gießkanne oder in einem in Richtung Unterleib verlaufenden Schatten Phallus- und Sexualsymbole entdeckt.
Solche Stimulanzien verdeutlicht er dem nicht so geschulten Publikum durch Pfeile und Kolorierung, macht so flugs aus einem eingeklemmten Katerschwanz ein abgeknicktes edles männliches Teil. Das mag nicht ganz wissenschaftlich sein, sorgt aber für Extralacher des weiblichen Auditoriums. Ab und zu muss Neyer mit seinen Thesen allerdings zurückrudern. Aber auch dann hilft ihm Freud: „Manchmal ist eine Zigarre tatsächlich nur eine Zigarre.“
Nicht ganz so spekulativ sind Neyers Beispiele zum Einsatz der weiblichen Wade in einigen Bildergeschichten Buschs. Ihr Anblick soll ja in der Zeit der verhüllten Frauenbeine auf Männer hocherotisch gewirkt haben. Dafür stehen unter anderem die Szenen aus „Die fromme Helene“ mit Vetter Franz und jene aus „Herr und Frau Knopp“. Ein Blick auf ein pralles Frauengesäß wird dagegen dem Kirchgänger Joseph zum Verhängnis.
Busch spielte also durchaus mit weiblichen Reizen, zeichnete Bilder, die eindeutig zweideutig sind. Viel mehr war ihm auch gar nicht möglich: So verklagte ihn kurz nach Erscheinen des „Heiligen Antonius“ 1870 ein erboster Leser – wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses. Der Kinnbart des Gezeichneten wecke Assoziationen an das Gemächt des Mannes, das sei „gründlich ekelhaft“. Busch konterte ungerührt: „Was man belachen soll, soll nicht verführen.“
Auch in einigen Bildern von Spitzweg finde man ähnliches Interesse an erotischen Zweideutigkeiten, erklärt Neyer. In „Sennerin und Mönch“ zeige der Kirchenmann weniger Interesse für sein Gebetbuch als für die Wade des jungen Mädchens. Und solle das Verbiegen des Warzenkaktus (lat. mamillaria) weg vom Licht zum „Kaktusliebhaber“ hin nicht bewusst eine erotisch-komische Wirkung erzeugen? Aber natürlich, nickt der jetzt aufgeklärte Museumsbesucher.