Ob Empfängnisverhütung, Schwangerenbegleitung, Wechseljahresbeschwerden oder Tumortherapie: Frauen brauchen ihr Leben lang gute Frauenärzte. Im westlichen Landkreis dürften jetzt Frauenheilkunde und Geburtshilfe für Jahre gesichert sein: Am Gesundheitsstandort Werneck hat Privatdozent Dr. Mathias Krockenberger den gynäkologischen Kassensitz von Dr. Wolfgang Kellermann übernommen und ist an seiner Stelle in die Gemeinschaftspraxis mit der Frauenärztin Jolanthe Hernas eingestiegen – mit der Absicht, das onkologische Spektrum am Marktkrankenhaus auszubauen.
Onkologie ist ein Schwerpunkt des 41-jährigen Mediziners, der 13 Jahre intensive Erfahrung an der Universitätsfrauenklinik Würzburg mitbringt, die letzten sechs Jahre als Oberarzt. Er denkt an Chirurgie und medikamentöse Tumortherapie, an eine Grundversorgung für krebserkrankte Frauen in Werneck, die jetzt zur Chemo nach Schweinfurt oder Würzburg fahren müssen. „Es wird aber nicht die neunstündige Tumoroperation hier werden“, sagt er.
Heimatortnahe Basisversorgung ohne wochenlange Wartezeiten
Eine heimatnahe Basisversorgung für die Frauen ist ihm wichtig, ohne wochenlange Wartezeiten, wie sie an großen Kliniken üblich sind, beispielsweise wenn eine Ausschabung der Gebärmutter nach einer Fehlgeburt nötig ist. „Die Einrichtungen im Marktkrankenhaus hier sind top“, weiß er. Acht Belegbetten stehen ihm zur Verfügung. Immer dienstags ist OP-Tag.
Dass sich der engagierte und anerkannte Mediziner – er ist unter anderem Privatdozent an der Uni – zum 1. Oktober von Würzburg aufs Land, nach Werneck, in die Selbstständigkeit wagte, „war ein Prozess“. Zum einen trug die „Ökonomisierung im Gesundheitswesen“, wie er es nennt, dazu bei: Personaleinsparungen in großen Kliniken, immer mehr zusätzliche Aufgaben, zu wenig Zeit für die Patienten – viele Zwänge, eine Art „fremdgesteuert sein“. Auch als Vater von vier Kindern, der in Karlstadt wohnt, blieb ihm zu wenig Zeit, Wochenenddienste waren normal.
Sind Stadt und Landkreis bei Gynäkologie tatsächlich überversorgt?
Das Angebot von Dr. Kellermann, der altersbedingt mit 67 Jahren kürzer treten wollte, reifte in ihm, man einigte sich auf die Konditionen. Dr. Krockenberger erhielt vom Zulassungsausschuss der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Unterfranken das Placet, weitere Bewerber gab es nicht.
„Wir mussten auch begründen, warum der Kassensitz erhalten und nicht eingezogen werden sollte“, blickt Dr. Krockenberger zurück. Laut KV sind Stadt und Landkreis Schweinfurt mit Gynäkologen überversorgt, der Versorgungsgrad liegt bei 144 Prozent. „Woher die Zahlen kommen, ist mir ein Rätsel“, meint der Mediziner, „ich durchschaue die Rechnerei nicht.“ Schließlich gibt es im Landkreis nur in Werneck, Gerolzhofen, Schonungen und Sennfeld insgesamt sechs Frauenärzte und 15 in der Stadt Schweinfurt, bei zusammen 84 000 weiblichen Einwohnern.
Großer Einzugsbereich bis Hammelburg, Volkach und sogar über Region hinaus
Die Patienten in der Wernecker Praxis kommen aus einem Einzugsgebiet von Hammelburg im Norden bis Volkach im Süden, aus dem östlichen Landkreis genauso wie aus dem Main-Spessart. „Auch aus der Stadt Schweinfurt fahren Patienten her“, ergänzt Frauenärztin Jolanthe Hernas. Zudem melden sich seit kurzem Frauen von außerhalb der Region, ehemalige Patientinnen aus der Uni-Klinik, die die fachliche Kompetenz und die ruhige, feine Arzt des neuen Gynäkologen schätzen.
„Sehr gerne“ sei sie wieder in eine BAG, eine Berufsausübungsgemeinschaft, mit dem neuen Kollegen eingetreten, unterstreicht Hernas, „persönlich und beruflich passt es bestens“. Unterstützt wird die Praxis seit vier Jahren durch die angestellte Ärztin in Teilzeit, Dr. Petra Engemann, sowie derzeit noch von Dr. Kellermann. Sieben medizinische Fachangestellte ergänzen das Team.
Geburtshilfe bleibt nach wie vor ein Thema
Der Geburtshilfe wird nach wie vor große Aufmerksamkeit gewidmet, verdeutlicht Hernas, auch wenn seit vier Jahren keine Entbindungen mehr im Marktkrankenhaus Werneck stattfinden, was wohl auch so bleiben wird. Grundsätzlich mangelt es aus verschiedenen Gründen an der Bereitschaft von Frauenärzten für diesen Einsatz, auch eine extrem hohe Versicherung von fast 80 000 Euro pro Jahr schreckt ab. „Die politischen Voraussetzungen und Strukturen machen es den Standorten im ländlichen Raum schwer“, meint Dr. Krockenberger. Hinzu komme die hohe Belastung der Hebammen, in Werneck ist zudem der Kinderarztsitz weg.
Auch wenn sich der Gynäkologe noch in die Unternehmensführung der Praxis einfinden muss („kaufmännische Aspekte lernt man an der Uni nicht“), hat er in den vergangenen sechs Wochen schon Akzente gesetzt. In der Praxis wurde umstrukturiert, in der EDV nachgelegt, eine neue digitale Mammografieanlage wurde angeschafft. Die Räume im Ärztehaus aus den 1970er-Jahren am Balthasar-Neumann-Platz sollen modernisiert werden. Zusätzlich bemüht sich Dr. Krockenberger um eine Ermächtigung für eine palliative Versorgung. Auch eine Hebammensprechstunde – seine eigene Frau hat diesen Beruf – will er eventuell in der Praxis anbieten.
Erfahren hat der „Jungunternehmer“ inzwischen, dass sein Arbeitstag heute nicht kürzer ist, „aber das Arbeiten ist angenehmer, man wird nicht so gehetzt“.