Kräftigen, wohlverdienten Applaus gab es für die gesamte Ensembleleistung des Theaters Hof, das Christoph Willibald Glucks Reformoper "Orpheus und Eurydike" auf die Bühne des Schweinfurter Theaters brachte. Für viele Sinne war etwas geboten; Handlung, Regieeinfälle, Musik, Ballett, Chor, Solisten, Bühnenbild und Kostüme vereinten sich zu farbprächtiger Unterhaltung mit inhaltsbedingt melancholischem Unterton.
Die Hofer Symphoniker unter Roman David Rothenaicher bildeten als spielfreudiges und transparent musizierendes Ensemble die ausgezeichnete Basis. Der Opernchor, verstärkt durch die Mitglieder von "Coruso – erster Deutscher Freier Opernchor", überzeugte vom ersten Einsatz an durch exzellent geschulte Stimmen in absoluter Homogenität (Chor: Rothenaicher). Egal, ob als feiernde Hochzeitsgesellschaft, als dunkle Geister in der Unterwelt oder heiter-gelassene Elysiumsbewohner – jede Expression, jede Schattierung war edel gestaltet.
Stimmlich mehr Präsenz und deutlichere Artikulation gewünscht
In der Rolle des Orpheus erlebte man Tenor Minseok Kim, der darstellerisch völlig überzeugen konnte. Stimmlich hätte man sich mehrfach mehr Präsenz und deutlichere Artikulation gewünscht. Auch ist die Rolle für hohen Tenor konzipiert, und die Anforderungen in hoher Lage konnte er nur bedingt erfüllen. Die Spitzentöne kamen schlicht und einfach nicht oder nur gequält, die Koloraturen verschwommen. Sehr berührend gelang ihm "Ach ich habe sie verloren".
Sophie-Magdalena Reuter verlieh mit ihrer wohlgeformten und strahlenden Sopranstimme der Eurydike mädchenhaften und gefühlvollen Ausdruck. Yvonne Prentki als Amor setzte sich nicht nur schauspielerisch, sondern auch als Sopranistin bestens in Szene.
Im Regiekonzept von Nilufar K. Münzing werden Orpheus und Eurydike durch zwei Tänzer gedoubelt, welche vor allem die Emotionslagen der Hauptdarsteller ausleben. Ali San Unzer als Orpheus- und Mar Reig Copovi als Eurydike-Double leisteten Hervorragendes in der bis ins letzte Detail hinein ornamentierten Choreographie von Daniela Meneses, ebenso das kleine Ballettensemble.
Künstlerbude, Selbstmordversuch und schwarze Furien
Orpheus’ Lebenswelt auf der Bühne (Britta Lammers) ist eine kleine Künstlerbude, in der haufenweise Kalenderblätter die Zeit versinnbildlichen, die Orpheus bereits ohne die kurz nach der Hochzeit verstorbene Eurydike verbringen muss. Nach einem Selbstmordversuch liegt er im Koma beziehungsweise deliriert sich in eine höllische Schreibstube, in der venezianisch-karnevalesk anmutende schwarze Furien als Kontrolleure agieren. Nach der Metamorphose in hell-strahlende Selige erinnern diese wiederum an einen würdevollen Priesterchor – sehr fantasievoll die Kostüme von Uta Gruber-Ballehr!
Die Doppelung der Handlung, die Visualisierung und Verdichtung des Seelenlebens durch die Tänzer oder die vielfältigen Aktionen wie der Krankenhausaufenthalt des komatösen Orpheus konnten ablenken oder gar verwirren. Gut, dass es Aufklärung durchs Programmheft gab. So konnte man das Regiekonzept in seiner ganzen Schlüssigkeit nachvollziehen, etwa eine Verbindung zwischen dem Ansatz "Liebe ist stärker als der Tod", der Werbung an Orpheus’ Hauswand "Amour toujours cigarettes" und dem rauchenden Amor oder zwischen den Kalenderblätterhaufen und Amors gefiedert wirkendem Zettelärmel herstellen.