Icon Menü
Icon Schließen schliessen
Startseite
Icon Pfeil nach unten
Schweinfurt
Icon Pfeil nach unten
Stadt Schweinfurt
Icon Pfeil nach unten

SCHWEINFURT: Partnerschaft statt Kommerz

SCHWEINFURT

Partnerschaft statt Kommerz

    • |
    • |
    Ist sauer auf den Minister: Willi Erl mit dem Werbelliner Appell.
    Ist sauer auf den Minister: Willi Erl mit dem Werbelliner Appell. Foto: Foto: Hannes Helferich

    1963 wurde der Deutsche Entwicklungsdienst (DED) im Beisein des US-Präsidenten John F. Kennedy gegründet. Seit Ende 2010 gibt es den einst vom Schweinfurter Willi Erl (80) geführten DED nicht mehr. Aber es gibt einen DED-Freundeskreis – und diesem Zusammenschluss großteils früherer DED-Entwicklungshelfer gefällt es gar nicht, dass Minister Dirk Niebel den DED „mit fadenscheinigen Einsparungsargumenten zerschlagen hat“.

    Just am 50. DED-Jahrestag, dem gestrigen Montag, veröffentlichte der Freundeskreis seinen „Werbelliner Appell“ mit der Kernforderung, einen neuen „EntwicklungsDienst“ zu gründen. Der DED-Freundeskreis wurde 2007 in Schweinfurt gegründet. Erl ist einer der Gründerväter und war bis 2012 Vorsitzender.

    Der Appell trägt den Namen des Tagungsorts am Werbellinsee, wohin der Freundeskreis und die Berliner Initiative ded50 anlässlich des 50. Geburtstags „ihres DED“ geladen haben. Und obwohl der Dienst offiziell nicht mehr existiert, folgten mehr als 750 aktuelle und frühere Entwicklungshelfer dem Ruf, darunter der aus Schweinfurt stammende Rainer Ort, der in Kolumbien als Entwicklungshelfer arbeitet.

    Am Jahrestag erschien die Forderung in der Bonner Zeitung (dem DED-Gründungsort) und in der taz Berlin. Erl selbst hat Niebel den Appell so rechtzeitig zugesandt, dass der Minister das Papier am Gründungstag auf seinem Tisch vorfindet.

    Die Kritik an Niebel ist scharf. Die DED-Freunde werfen ihm eine „massiv betriebene Kommerzialisierung der deutschen Entwicklungspolitik“ vor. Das von ihm geführte Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) verbiege die Entwicklungspolitik mit ihrem solidarischen Auftrag und funktioniere sie „zur Außenwirtschaftspolitik um“.

    Die gleichzeitig mit dem Aus des DED Ende 2010 gegründete Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) habe auf Weisung Niebels viele erfolgreiche Bereiche der DED-Arbeit gestrichen. Entwicklungsarbeit werde per Weisung „von oben nach unten“ dekretiert, die GIZ messe ihren Erfolg in erster Linie an der Steigerung ihres Umsatzes. Der Ansatz des DED, demzufolge sich Entwicklung „von unten nach oben“ vollziehen müsse, werde als „Gutmenschentum“ denunziert. Entwicklungsprogramme, die nicht GIZ-konform seien, würden konsequent gestrichen.

    Willi Erl nennt die GIZ in einem Gespräch mit dieser Zeitung ein wirtschaftlich orientiertes Unternehmen, das nichts mehr „mit den Zielen des DED zu tun hat“, der auf Partnerschaft und Solidarität setze. DED-Entwicklungshelfer seien auf Zeit eingesetzt geworden, ohne Erwerbsabsicht. Die GIZ schicke nun Experten, die Entwicklungsarbeit zum Beruf gemacht hätten.

    Der DED-Freundeskreis kritisiert, dass viele sinnvolle DED-Projekte – wie das Nachwuchsförderprogramm – gestrichen worden seien. Die DED-Freunde wissen, dass die Zahl der für die GIZ tätigen Entwicklungshelfer stark rückläufig sei. Ein Grund dafür sei, dass diese Arbeitsplätze heute durch exorbitant hohe Verwaltungskosten belastet würden und entsprechend teurer geworden seien.

    Niebel habe den DED ohne Not zerschlagen, nur die Reste in die neu gegründete GIZ überführt, ungeachtet dessen, „dass der DED für seine Arbeit immer überall große Anerkennung gefunden hat“, sagt Erl. Die DED-Entwicklungshelfer „leisteten Hilfe zur Selbsthilfe und brachten ihre interkulturellen Erfahrungen in Deutschland ein“.

    In den fast 50 Jahren seines Bestehens hat der DED mehr als 16 000 Entwicklungshelfer in Partnerländer entsandt. Durch die Vereinnahmung durch die GIZ habe der DED aber auch in den Augen vieler aktiver und ehemaliger Entwicklungshelfer „seine Identität verloren“, sagt Erl.

    Deutschland habe „eine Chance vertan, qualifizierten und engagierten Menschen die Möglichkeit zu geben, sich in einer zunehmend globalisierten Welt für gerechtere Strukturen zu engagieren“, sagt Erl. Im Unternehmen GIZ könne ein Entwicklungsdienst nicht überleben. Das Gründungsmotto „Lernen und Helfen in Übersee“ habe in der GIZ keine Chance.

    Die Kritik stand am Werbellinsee auch im Mittelpunkt einer Podiumsdiskussion, an der auch Erhard Eppler, 1968 bis 1974 Entwicklungsminister, teilnahm. Der Appell zur Gründung eines neuen, zivilgesellschaftlich getragenen Entwicklungsdienstes, der in Werbellin vorgestellt wurde, findet sich auf www.ded-freundeskreis.de. Es gehe um keine Wiederbelebung des alten DED, sondern um das, „was den DED ausgemacht hat“.

    Übrigens: Niebel feiert am 28. Juni in Bonn. Das aber unter dem Titel „Eine Erfolgsgeschichte mit Zukunft – 50 Jahre Entwicklungshelfer“. Der Begriff DED kommt nicht vor. Erl ist als langjähriger DED-Geschäftsführer (von 1985 bis 1998) zum Festakt eingeladen. Zu Wort wird er zu seinem Bedauern nicht kommen. Erl will aber versuchen, Niebel auf die Forderung einer Neugründung anzusprechen.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden