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Schweinfurt: Kann "People for Future" in der Autostadt Schweinfurt etwas bewegen?

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Kann "People for Future" in der Autostadt Schweinfurt etwas bewegen?

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    Die Klimabewegung "People for Future" will in Schweinfurt für mehr Umweltschutz werben.
    Die Klimabewegung "People for Future" will in Schweinfurt für mehr Umweltschutz werben. Foto: Nicolas Bettinger

    Längst haben sich die "Fridays for Future"-Demonstrationen deutschlandweit etabliert und ziehen vor allem junge Menschen an, die für mehr Umweltschutz auf die Straße gehen. Wenngleich die Corona-Pandemie die Anliegen der Umweltaktivisten zeitweise immer wieder in den Schatten stellte, sorgten zuletzt wieder bundes- oder gar weltweite Veranstaltungs-Aufrufe der Klimabewegung für Aufmerksamkeit. Doch wie sieht es eigentlich in und um Schweinfurt aus?

    Denn auch die Schweinfurter Innenstadt war in den vergangenen Monaten vermehrt Schauplatz von Klimademos, denen sich zuletzt jedoch nur einige wenige Mitstreitende anschlossen. Folgten dem Aufruf im September noch weit mehr als 400 Menschen, zählte die Polizei bei den beiden jüngsten Veranstaltungen einmal 60 und einmal 40 Teilnehmende, was bezogen auf die Einwohnerzahl Schweinfurts sicher keine zufriedenstellende Beteiligung für die Organisatoren darstellen dürfte. Doch warum tut sich die Klimabewegung hier derzeit schwer und wer steckt eigentlich hinter der örtlichen Organisation?

    "Es hat angefangen mit ein paar Jungs und Mädels"

    Antworten auf diese Fragen finden sich in den Räumen des Bund-Naturschutz in Schweinfurt. Hier treffen sich die Klima-Aktivisten aus der Region einmal wöchentlich, um zu beraten, zu diskutieren und um zu organisieren. Dieses Mal, die Corona-Lage macht es erforderlich, trifft sich das Organisationsteam jedoch in einer Video-Konferenz. Mittendrin ist der 20-jährige Sven Turkut. Der Schweinfurter erzählt, dass die Bewegung in Schweinfurt bereits 2018 begann. Damals noch unter dem Namen "Fridays for Future", fast ausschließlich mit jungen Leuten.

    "Es hat angefangen mit ein paar Jungs und Mädels, wir waren alle in der 10. oder 11. Klasse", erinnert sich der Student. Nach der Schulzeit seien die meisten Mitstreiter weggezogen, etwa zum Studieren, weshalb sich die Gruppe nach und nach dezimierte. Auch deshalb beschloss man vor einigen Monaten, sich mit den älteren Umweltaktivisten, den "Parents for Future", zusammenzuschließen. Gemeinsam trete man jetzt als "People for Future" auf und sei mit 17 Personen mittlerweile ein "eingespieltes Orga-Team", sagt Turkut, der bei den Demos selbst als lautstarker Redner und Anheizer mit Megaphon bekannt ist.

    People for Future: Das Schweinfurter Orga-Team setzt sich einmal wöchentlich zusammen.
    People for Future: Das Schweinfurter Orga-Team setzt sich einmal wöchentlich zusammen. Foto: Sven Turkut

    Worum geht es der "People for Future-Bewegung?

    Das besondere in Schweinfurt: Die "People for Future"-Gruppe setzt sich nun nicht mehr nur aus Schülern und Studierenden zusammen. Dem Team gehören genauso ältere Aktivisten, Eltern, Berufstätige und sogar Rentner an. Sie alle, so Turkut, haben eines gemeinsam: "Wir haben Bock auf die Sache."

    Gemeint ist damit das Ziel, die Bevölkerung aufzurütteln und sowohl Politik als auch Gesellschaft zu einem nachhaltigen, klimaneutralen und umweltbewussten Leben zu animieren. Dafür formulieren sie nicht zuletzt bei den Demonstrationen konkrete Forderungen, wie dies in der Region umsetzbar ist. Dass das in Schweinfurt nicht immer leicht ist, zeigten den "People for Future" zufolge zum einen falsche politische Entscheidungen, zum anderen die Gleichgültigkeit vieler Menschen.

    Klimaaktivisten bekommen Mittelfinger gezeigt

    Davon kann der 63-jährige Manfred Röder, der sich im selbsternannten "Unruhestand" befindet, ein Lied singen. Auch aufgrund seiner beruflichen Vergangenheit bei Sachs beziehungsweise ZF, als er selbst am Bau des Elektroautos mitwirkte, habe ihn das Thema Klima immer begleitet. Deshalb sei das Team genau der richtige Platz für ihn. "Zur generellen Stimmung kann man sagen, dass wir leider immer wieder auf Desinteresse stoßen", so Röder. In Teilen der Bevölkerung fehle nach wie vor Aufklärung. Denn nicht allen sei klar, in welchem Verhältnis der Klimawandel mit dem eigenen Verhalten stehe.

    Das erfahre die Gruppe häufig am eigenen Leib. Sätze wie "geht was Gescheites lernen" bekomme man auf der Straße immer wieder zu hören, sagt Aktivistin Katharina Schneider. Die 15-jährige Schülerin betreut den Instagram-Account der Schweinfurter Klima-Bewegung. Auch mit Beschimpfungen und gezeigten Mittelfingern müsse man leben. Egal ob auf der Straße oder in Online-Kommentaren. "Das ist schon irgendwie auch traurig zu sehen", so Schneider.

    "Wir haben Bock auf die Sache."

    Sven Turkut, People for Future Schweinfurt

    Allerdings handele es sich hierbei nicht unbedingt um ein spezielles Schweinfurt-Problem. Ein solches Desinteresse gebe es in vielen Städten, auch anderswo sei die Beteiligung bei Demos derzeit überschaubar. Hinzu komme die Corona-Situation, das Wetter und der mögliche Frust über die Politik. Außerdem glaubten immer noch zahlreiche Menschen nicht an den menschengemachten Klimawandel. Zudem hat Schweinfurt den Nachteil, dass vor allem viele Studierende gar nicht in der Stadt wohnen und beispielsweise nach Würzburg pendeln. Dass die geringe Beteiligung daran liegt, dass man die Demonstrationen fast ausschließlich nach der Schulzeit veranstaltete, glaube man nicht.

    Ein Kernthema ist die "Mobilität"

    Eine Rolle könnte auch die Bedeutung Schweinfurts als "Autostadt" spielen. Denn natürlich sei in Schweinfurt die Automobilindustrie ansässig, so Manfred Röder. Doch dies dürfe keine Erklärung dafür sein, dass man sich hier nicht für Klimaschutz interessiere. "Der Oberbürgermeister hat einfach Angst, sich gegen seinesgleichen zu richten", vermutet Röder. Anders als in anderen Städten fehlten hier oftmals innovative Ideen, wie etwa die eines Shuttlebusses. Damit könnte man eine Menge Autos aus der Stadt rauskriegen.

    Der ersten von "People for Future" organisierten Demo in Schweinfurt waren über 400 Menschen gefolgt.
    Der ersten von "People for Future" organisierten Demo in Schweinfurt waren über 400 Menschen gefolgt. Foto: Gerd Landgraf

    Womit die Gruppe bei einem ihrer Kernthemen angelangt ist. Denn im Bereich "Mobilität" gebe es sehr viele Maßnahmen, die auf politischer Ebene dringend umgesetzt werden müssten, erklärt die 44-jährige Ergotherapeutin Meike Weichold. Auch wenn Schweinfurts Politik noch abwarte, "muss jetzt etwas passieren": Autofreie Bereiche in der Stadt erweitern, Tempolimit, Ausbau des ÖPNV-Angebotes. Weichold nennt einige Maßnahmen, die dem Klima unmittelbar helfen würden.

    "Zur generellen Stimmung kann man sagen, dass wir leider immer wieder auf Desinteresse stoßen."

    Manfred Röder, Klimaaktivist

    Warum sich Themen wie das 365 Euro-Ticket oder "Park and Ride" im Stadtrat dennoch nicht durchsetzen, verstehe Weichold nicht. "Auch wenn SPD, Grüne und Freie Wähler dafür sind, ist die CSU völlig dagegen, auch der OB ist eine Bremse." Auch mit der möglichen Reaktivierung der Steigerwaldbahn beschäftigen sich die Klimaaktivisten immer wieder. Ricky Haubenreich, der ebenfalls dem Orga-Team angehört und gleichzeitig im Stadtrat von Prichsenstadt sitzt, versteht nicht, warum das Thema gerade in den Medien immer schlecht wegkomme.

    "Die Realität überholt uns, dies zeigt Corona"

    Weitere Forderungen der Aktivisten: Mehr Elektromobilität, mehr erneuerbare Energien und vor allem mehr Mut seitens der Politik. Um nicht weniger wichtige Themen kümmert sich in der "People for Future"-Gruppe Richard Lindner vom Bund Naturschutz. Um die Pariser Klimaziele auch nur ansatzweise erreichen zu können, müsste man ihm zufolge etwa mehr Flächen entsiegeln anstatt sie weiter zu versiegeln. Um dem Temperaturanstieg entgegenzuwirken, müssten zudem mehr "Begrünungsmaßnahmen" her, egal ob Dachbegrünung oder Fassadenbegrünung, so Lindner. Denn etwa die Verdunstung von Wasser durch Pflanzen führe zu einer Senkung der Temperaturen. Besonders wichtig, so Lindner, sei zudem der Baumerhalt.

    "Die Realität überholt uns, dies zeigt Corona. Die Realität zwingt uns, schneller zu handeln und Wege zu gehen, die wir uns bisher nicht vorstellen können", sagt Lindner. So hätte vor zwei Jahren keiner gedacht, "dass wir mit Masken herumlaufen würden", so Lindner. Man wisse heute, was man machen müsste und handle nicht angemessen. Beim Klima würden "auf allen Ebenen der Politik die selben Fehler gemacht, wie bei Corona".

    Wegen Corona keine Live-Veranstaltungen mehr in 2021

    Apropos Corona. Wie in allen Bereichen des öffentlichen Lebens macht die Pandemie derzeit auch "People for Future" einen Strich durch die Rechnung. "Wir werden bis zum Ende des Jahres nichts mehr live veranstalten", sagt Katharina Schneider. Man wolle kein Risiko für die Gesundheit der Menschen eingehen, plane aber im besten Falle im Frühjahr wieder auf die Straße zu gehen.

    Bis Demonstrationen wieder sorgenfrei möglich sind, wolle man nun vor allem online, etwa über den Instagram-Acount "fffschweinfurt" viele Leute erreichen und über Klimathemen informieren. Denn eines sei klar: "Wir haben keine Zeit mehr, wir müssen jetzt handeln."

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