Manchmal setzt sich Peter Casagrande in seinen grauen Campingstuhl an der Querwand der großen Halle in der Kunsthalle, trinkt einen Schluck und schaut dann selig auf die andere Seite. „Dieser Raum“, sagt er und lächelt mit der ganzen Weisheit und künstlerischen Erfahrung seiner 71 Lebensjahre, „ist ein Gedicht. Er ist mein Paradies.“
Ja, in der Tat, dieser Raum, diese großartige neun Meter hohe, 29 Meter lange und 20 Meter breite große Halle in der Kunsthalle ist ein architektonischer Traum. Hier war im alten Ernst-Sachs-Bad das Schwimmbecken, heute ist sie weiß gestrichen, hat ein ausgeklügeltes Lichtsystem und strahlt mit majestätischer Größe eine Ruhe aus, die nicht beklemmend, sondern befreiend ist. Befreiend für einen Künstler wie Peter Casagrande, dem Kunsthallen-Chefin Andrea Brandl die Chance gibt, sein bisher größtes Projekt zu verwirklichen.
Noch nie so ein großes Bild gemacht
Im Wortsinne größtes. Casagrande ist nicht irgendwer in der deutschen Kunstszene. Seinen Namen hat er sich vor allem durch seine überdimensionalen, abstrakten Gemälde gemacht. Bilder von ihm wurden von der Staatlichen Gemäldesammlung München und der Städtischen Galerie im Münchner Lenbachhaus angekauft. Zuletzt in Unterfranken tätig war der in Weilheim geborene Sohn eines Italieners und einer Berlinerin 1997 in Aschaffenburg, als er in der Jesuitenkirche ein Bild in Übergroße vor Ort malte. Doch Schweinfurt, das ist noch mal eine ganz andere Nummer: sieben mal zehn Meter ist das Endformat des Casagrandeschen Werkes, das an der Querwand Richtung Stadtmauer entsteht. „So etwas Großes habe ich noch nie gemacht“, erzählt der Mann, der grundsätzlich nur Großes macht.

Raum als Grundthema
Raum an sich ist das beherrschende Thema des Künstlers Peter Casagrande, der in den 1970er-Jahren an der Akademie der bildenden Künste in München und in Berlin Malerei studiert hat und in Maitenbeth bei München lebt und arbeitet. „Raum“, sagt Casagrande, „ist mein Grundthema. Ich versuche in meiner Malerei ein Raumerlebnis zu erzeugen.
Raumbewegung – Raum, der sich dehnt, der wächst, Raum als völlig offenen Begriff. Am Ende muss ein Bild über mich hinauswachsen, muss mehr sein, als ich erklären kann“. Wenn seine dem Informel zuzuordnenden abstrakten Bilder fertig sind, kann man sich stundenlang in ihnen verlieren, wird hineingesogen in Werke ohne oben und unten, Werke, die in alle Richtungen streben, Werke voller Kraft.

Neuland für Künstler und Kunsthalle
Sowohl für den Künstler als auch das Kunsthallen-Team ist diese Ausstellung Neuland. Seit Gründung der Kunsthalle 2009 hat es das noch nicht gegeben, dass ein Künstler vor Ort ein solch großes Bild schafft, das notgedrungen aus einzelnen auf Hohlkonstruktionen gespannten Leinwänden bestehen muss, die aneinander gefügt werden zu einem großen Ganzen. Fünf von ihnen sind zwei Mal vier Meter, fünf sind zwei Mal drei Meter. Armdicke Balken haben die Techniker der Kunsthalle als Unterkonstruktion an die Wand gebaut, der Boden ist mit Platten und Folie abgedeckt. An den Wänden hängt Folie, Casagrande malt gerne ausschweifend und gestenreich mit allen möglichen Hilfsmitteln vom großen Pinsel bis zur Rakel. In der Ecke steht eine rote Transportbühne, irgendwie muss man ja acht Meter hoch kommen, um die Bilder anzubringen.
„Dieser Raum ist ein Gedicht“
Peter Casagrande über die große Halle in der Schweinfurter Kunsthalle
Den Besuchern der Kunsthalle die Möglichkeit zu geben, das Atelier zu erleben und mit dem Künstler zu sprechen, ist Casagrande ein wichtiges Anliegen. „Bilder fallen ja nicht vom Himmel. Die Besucher sollen den ganzen Prozess der Entstehung erleben dürfen, sehen, wie ein Bild entsteht“, findet der 71-Jährige. Diese Möglichkeit gewährt die Kunsthalle, immer samstags und sonntags in den kommenden vier Wochen bis zur Eröffnung kann man von 10 bis 17 Uhr auch die zum Atelier umfunktionierte große Halle besuchen.
Platz zum Schauen
„Die Energie, die aus dem Bilder herauskommt, muss erst mal hineingesteckt werden“, beschreibt Casagrande seinen Schaffensprozess. Meist malt er abends, Skizzen gibt es nicht, das Bild hat er im Kopf, es entsteht im Prozess des Malens. Das Hauptwerk in Schweinfurt malt Casagrande im übrigen in Schwarz, Weiß und Grautönen. Grelle, bunte Farbigkeit wäre aus seiner Sicht der falsche Weg, würde dem Raum seine Wirkmächtigkeit nehmen.
Die Halle bleibt auch während der Ausstellung vom 28. April bis 3. September in der Mitte frei. Casagrande bringt 16 weitere Bilder von sich mit, hängt Hochformate zum Beispiel an die Zwischenräume zwischen den Fenstern zum Hof. In der Mitte des Raumes aber, da soll der Betrachter stehen. Sich setzen. Staunen. Genießen. Und vielleicht ein bisschen zufrieden lächeln.
Peter Casagrande, Das große Format, Ausstellung in der Kunsthalle Schweinfurt; 28. April bis 3. September, Vernissage am 27. April. Atelier-Besuche und Gespräch mit dem Künstler an den Wochenenden Samstag und Sonntag zu den Öffnungszeiten der Kunsthalle von 10 bis 17 Uhr.