Wenn sich "Zölibat" reimt auf "alles zu spat" ist klar: Roland Breitenbach (83) steht am Pult in St. Michael und teilt aus in seiner Büttenpredigt. Vor sich eine Narrenkappe und eine volle Kirche im Blick macht sich der ebenso charismatische wie unbequeme Kirchenkritiker, Pfarrer und AutorGedanken. "Reime gegen die Ungereimtheiten der Kirche" ist sein Motto.
Wie immer gibt es elf Minuten harte Worte, so viel Faschingssymbolik muss ein. Wie immer ist das Ganze eingebettet in einen fröhlichen, lebendigen Gottesdienst. Das liegt an der flotten Musik von Funtasy, an den mitwippenden Leuten, den selbstvergessen tanzenden Kindern. Außerdem hat Dieter Rückert den ganzen Gottesdienst in Reime gesetzt. Dafür gibt's einen Extra-Applaus am Schluss.
Um Lachen und um Fröhlichkeit geht es in den Fürbitten, um Freude und ums Feiern. Es geht aber auch um Zusammenhalt, Gemeinschaftsgeist, Miteinander. Spürbar wird das, als sich beim Vaterunser alle an den Händen halten, die Kinder zum Altar kommen dürfen. Oder als alles im Rhythmus klatscht und einen symbolträchtigen Refrain mitsingt: "Wenn jeder gibt, was er hat, dann werden alle satt."
Bitte: Einmal am Tag herzhaft lachen können
Wenigstens einmal am Tag herzhaft lachen können, wünscht sich die Gemeinde. "Erhalte uns das Lächeln auch in ernsten Situationen", auch dieser Wunsch steht auf der Liste. Dieter Rückert gibt der Gemeinde noch einen schönen Satz mit auf den Weg: "Wer lächelt, ist immer der Sieger."
Nicht nur die Wahrheit, auch die Narretei macht frei, meint Roland Breitenbach und macht sich ans Werk, die starre Kirche und ihre Vertreter zu geißeln. Wie immer mischt er Anekdoten und Witze in seine Predigt. Wie immer nimmt er kein Blatt vor den Mund. Wie immer gibt es Applaus, und wie immer bleibt einem an manchen Stellen das Lachen im Hals stecken. Schließlich geht es um Vertuschung, Verschwendung, Unterdrückung, Gewalt, Missbrauch.
Wie immer mildern die Reime die knallharten Vorwürfe nicht. "Papst Franziskus sollte etliche seiner Kardinäle zu Schweinheiligen erklären, dann würde sogar Luzifer, der Teufel, sie wirklich als die Seinen verehren." Auf "vertuschen" reimt sich "die Opfer sollen weiterhin schön brav kuschen". Der Witz vom Weihbischof, der in die Drogerie geht, um Putzmittel gegen die Flecken auf seinem Heiligenschein zu besorgen, ist nicht neu. Aber er kommt wieder gut an.
Heftige Kritik übt Breitenbach an der Sexualfeindlichkeit der Kirche. "Schon als Jugendlichen wurde uns gesagt, jegliche Lust sei eine schwere, todeswürdige Sünde. Obwohl die Kirche keinesfalls dafür hatte biblische, also göttliche Gründe." Es geht um bösartige Machtausübung und klerikale Trübung, das steht für Breitenbach fest.
Verlassen, marode, trostlos sehe die Kirche aus. Aber Breitenbach hat die Hoffnung noch nicht verloren. Vielleicht sagt in 20 Jahren ein neugewählter Papst folgenden Satz in Anlehnung an Martin Luther und alles ist dann in Butter: "Hier stehe ich und kann auch anders." Wäre das ernst gemeint, wären Reformen und Neubeginn nicht unmöglich.
Mit "Halleluja und Helau" und dem Versprechen, nächstes Jahr wieder hier zu stehen am Sonntag vor Fasching, verabschiedet sich Roland Breitenbach nach seiner emotionalen, leidenschaftlichen Predigt. Manchmal hat er selbst geschmunzelt bei seinen Anekdoten. Zum Beispiel bei der Geschichte von der Witwe, der ein geldgieriger Priester Geld abschwatzt, damit ihr verstorbener Mann in den Himmel kommt. Als sie nicht mehr zahlen will, weist sie der Pfarrer darauf hin, ihr Mann stecke noch bis an die Knie im Fegefeuer. Sie solle weiter zahlen. Darauf die Frau: "Dann kann ich guten Gewissens endlich Schluss machen, denn warme Füße hatte mein Mann nie."