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SCHWEINFURT: Pflege ist Minutensache

SCHWEINFURT

Pflege ist Minutensache

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    Drei Minuten müssen reichen: Der Medizinische Dienst hat klare Vorstellungen, wie lange die Körperpflege bei einem Pflegebedürftigen zu dauern hat. Fürs Kämmen etwa gibt er dem Pfleger drei Minuten.
    Drei Minuten müssen reichen: Der Medizinische Dienst hat klare Vorstellungen, wie lange die Körperpflege bei einem Pflegebedürftigen zu dauern hat. Fürs Kämmen etwa gibt er dem Pfleger drei Minuten. Foto: Foto: Thinkstock

    Die Entscheidung liegt nicht beim Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MdK). Doch die Kassen halten sich fast immer an seine Gutachten, wenn es ums Pflegegeld geht. Wie die Beurteilung zustande kommt, erklärte auf Einladung des Familienentlastenden Dienstes der Lebenshilfe Ulrike Wittemann vom MdK Schweinfurt. Ihr gelang es, ein Konstrukt zu erklären, dass auf den ersten Blick nur erbsenzählerisch Minuten anzuhäufen scheint.

    Ulrike Wittemann ist gelernte Kinderkrankenschwester und bewertet Pflegefälle jeden Alters. Eingangs stellte sie ihren nur fünf Zuhörern den MdK vor: Er sei sowohl Partner der Betroffenen als auch der Krankenkassen. Wert legt sie auf die Unabhängigkeit der Prüfer sowie der ganzen Institution, die zwar per Umlage durch die Kranken- und Pflegekassen finanziert werden, aber kein Anhängsel der Auftraggeber seien. Schließlich gehöre es auch zu den Aufgaben, die Leistungen der Kassen prüfen.

    Die bekannteste Aufgabe des MdK ist aber wohl die Einstufung der Pflegebedürftigkeit. Pflegebedürftig ist jemand, wenn er körperlich, geistig und/oder seelisch auf Dauer Hilfe braucht. Zwei gebrochene Arme sind deshalb zum Beispiel kein Fall für die Pflegeversicherung. Auch ist es nicht die Krankheit selbst, die über die Einstufung entscheidet, sondern der Bedarf an Pflege. Dass die Pflege für an Diabetes erkrankte Kinder von den Kranken- und nicht von den Pflegekassen zu bezahlen ist, steht für die Unklarheiten in dieser Regelung, auf die die Referentin aufmerksam machte.

    Beim Gutachten zum Pflegegeld spielt die Zeit, die für Therapien draufgeht, keine Rolle. Notieren darf der MdK dagegen, wie lange der Helfer braucht, um den Pflegebedürftigen beim Waschen zu unterstützen, ebenso bei der Haar- und Zahnpflege, beim Essen (nicht beim Kochen), beim Gang aufs WC oder beim ins Bett gehen. Die Begleitung zum Friedhof oder zu einer kulturellen Veranstaltung zählt nicht, nur das notwendige Gehen in der Wohnung – also vom Schlafzimmer ins Bad und in die Küche.

    Zwar gibt es Richtwerte, doch um die Distanzen richtig zu bewerten, kommt der Gutachter in die Wohnung. Fürs Treppensteigen etwa braucht ein Pflegebedürftiger unter Umständen länger. Der Prüfer hat zu notieren, ob der zu Pflegende beim Zähneputzen oder auf der Toilette Unterstützung braucht, oder ob er das teilweise oder komplett übernimmt.

    Bei der Ermittlung der Zeiten hat der Mitarbeiter des MdK klare Richtlinien: Danach dauert die Ganzkörperwäsche 20 bis 25 Minuten, Duschen 15 bis 20 Minuten, Baden 20 bis 25 Minuten, Kämmen bis zu drei und Rasieren bis zu zehn Minuten. Wie häufig dem Patienten die Körperpflege zusteht, ist natürlich auch geregelt – auch, dass bei Inkontinenz eine zusätzliche Reinigung des Unterkörpers zugebilligt wird. Wird das fertige Essen mundgerecht zugeschnitten, werden dem Pfleger dafür zwei bis drei Minuten, für die Hilfe bei der Nahrungsaufnahme 15 bis 20 Minuten angerechnet.

    Für Pflegestufe I (erhebliche Pflegebedürftigkeit) muss die Zeit, die ein Angehöriger oder eine andere nicht als Pflegekraft ausgebildete Person für die Grundpflege (genannte Beispiele) und die hauswirtschaftliche Versorgung benötigt, im Tagesdurchschnitt 90 Minuten betragen (mindestens 45 Minuten für die Grundpflege). Für die Pflegestufe II (schwerpflegebedürftig) sind es pro Tag drei Stunden, davon zwei für die Grundpflege. Pflegestufe III (schwerstpflegebedürftig): Fünf Stunden, davon vier für die Grundpflege. Aktuell zahlen die Kassen für die Pflege durch Angehörige (das so genannte Pflegegeld) in den Stufen I, II und III: 235, 440 und 700 Euro.

    Beim Zeitaufwand werden nur solche Leistungen berücksichtigt, die die Kassen bezahlen. Kommt beispielsweise der Bezirk Unterfranken für eine Maßnahme auf, wird der Zeitaufwand des Pflegers hierfür nicht beachtet, informierte Ulrike Wittemann. Die Einstufung im Schwerbehindertenausweis hat übrigens nichts mit der Pflegebedürftigkeit zu tun hat. Berücksichtigt werden in den Gutachten jedoch erschwerende Faktoren wie starke Seh- und Hörschädigungen, versteifte Gelenke, hochgradige Spastik, Schluckstörungen oder Abwehrverhalten, Demenz, Depressionen, Gedächtnisstörungen und ein aus den Bahnen geratender Tag-Nacht-Rhythmus.

    Die Betroffenen haben ein Recht auf Einblick in das Gutachten. Dankbar ist der MdK für Unterlagen von Ärzten und Krankenhäusern. Das beschleunige die Bearbeitung, so Wittemann.

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