Was dem Araber seine Wüste oder dem Indianer die Prärie, ist für den Deutschen der Wald: nicht nur Teil der Landschaft, sondern der Volksseele. Geradezu mystisch wird es, wenn auch noch das Thema Jagd ins Spiel kommt. Eher profan ist dagegen das aktuelle „Forstliche Gutachten zur Waldverjüngung“ im Landkreis, eine erste Auswertung soll den Jägern schon Mitte 2012 zukommen.
Stephan Thierfelder vom Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten in Schweinfurt führte die Kolonne an, die kürzlich vom Sportplatz Weyer in den Gochsheimer Gemeindewald fuhr: Hier zeigte das Amt rund 60 interessierten Jägern beispielhaft die Forstinventur – aufgrund der die Abschusszahlen der nächsten drei Jahre festgelegt werden.
2009 wurde in Schweinfurter und Haßfurter Wäldern ein zu hoher, oder gar „deutlich zu hoher“ Verbiss festgestellt. Es geht ums Verjüngungspotenzial und die Sichtung der Baumarten, sei es nun Eiche, Hainbuche, Feld- und Bergahorn, Schwarzerle, Kirsche, Rotbuche oder Esche. „Musterbaumschüler“, wie die begehrten Eichen der Fränkischen Platte, sollen gefördert werden. Die Schlüsselfrage sei, so Thierfelder: „Schafft es die Eiche, sich zu verjüngen?“
Ein Waldbesitzer ist da skeptisch, ob des seit Jahren sinkenden Grundwasser-Spiegels. Bei Würzburg würden schon Tiefenbrunnen gegraben: „Die alten Bäume fallen trocken.“ Ganz so pessimistisch sieht es Thierfelder nicht, die Alteichen könnten vielleicht Probleme bekommen: „Junge Eichen gehen mit den Wurzeln so weit runter, dass sie sich wohlfühlen.“ Wobei das Wurzelwerk oft deutlich älter sei als der Stamm, wenn der mal neu ausgetrieben hat.
Ziel ist die komplette Naturverjüngung ohne (teure) Schutzmaßnahmen wie Zäune: in den meist parkähnlichen Forsten Frankens, wo der Mensch schon seit Jahrhunderten Einschlag betreibt und sich in den entsprechend lichten, warmen Wäldern gerne Schadschmetterlinge und Borkenkäfer tummeln.
Zwischen den hohen Altbäumen fehlt oft jüngeres Grün, als „doppelter Boden“ gegen Aufheizung, Verbuschung und Windbruch. Ökologie und Ökonomie, Holzwirtschaft, Jagd und Artenvielfalt: Nach dem Willen der Forstexperten sollen sie Hand in Hand durch gesunde Wälder flanieren. Die Rolle des Klimawandels steht noch nicht ganz fest. Sicher sei aber, so Thierfelder: „Die Extreme nehmen zu.“
Entsprechend schwierig sind die revierweisen Aussagen. An der Stelle im Wald, wo Thierfelder referierte, wachsen kleine Eschen, Ahorne und Kirschen – nur wenige Baumkinder werden je zur vollen Größe heranreifen: Auch der deutsche Wald ist in dieser Beziehung ein Dschungel, in dem nur die Stärksten an die Spitze, zum Licht, gelangen. Der oft auch von winzigen Feinden traktiert wird: Die beständige Esche etwa, bislang Hoffnungsträger in Zeiten der Klimaveränderung, wird seit 2011 flächendeckend vom Eschentriebsterben geplagt.
Der Pilz komme in einer Zangenbewegung, erläutert Thierfelder: Vom Baltikum und aus Österreich her einwandernd, lasse er die Triebe absterben. Die Neuinfektion erfolgt dann über welke Blätter. Wenn nicht ein alteingesessener Pilz mutiert ist, so genau weiß man es nicht. Überhaupt: „Wir haben eine globalisierte Welt, jeden Tag landen Flugzeuge, überall kann was dabei sein.“
Ein paar der saftigen Baum-Kids sind auch schon wieder angenagt, von Kitz & Co. An den Schadstellen droht dann Verzweigung und Verbuschung, wie Bürgermeister Wolfgang Widmaier als Hausherr weiß.
Nebenan zeigt Förster Bernd Müller, wie die erneute Aufnahme der Verbiss- und sonstigen Wildschäden funktionieren soll: Über ganz Bayern wird ein Gitternetz von „Aufnahmepunkten“ gelegt, etwa 40 pro Hegegemeinschaft. Jeder Aufnahmepunkt besteht dann wiederum aus fünf Messlatten, die in etwa 25 Metern Abstand in die Baumbestände gepflockt werden: Um diese herum nimmt man den Schaden an den Leittrieben auf, legt die Verbisstendenz fest.
Für manche Waidmänner sind aber nicht so sehr Wildsau, Reh, Borkenkäfer, Spinner oder Pilz das Problem: Reiter, Jogger, Biker und Nordic Walker tragen immer mehr die Ruhe aus dem modernen Wald, wird geklagt.