Mitte Mai ist „Romantik.Liebe.Rebellion“ erschienen, das zweite Album des poetrYclub. Hinter diesem Namen verbirgt sich Georg „Cosmic“ Nägle, den man in Schweinfurt vor allem noch von seiner ersten Band „Suzi Cream Cheese“ her kennt. Mit dem poetrYclub vertont Nägle ausgewählte Texte des Schweinfurter Dichters Friedrich Rückert und holt damit die Poesie herunter vom Sockel und bringt sie zurück auf die Straße. Ganz nebenbei tritt Georg seit Jahren als Politaktivist in Erscheinung. Er ist den Piraten beigetreten, engagiert sich in der Occupy-Bewegung und kämpft für das bedingungslose Grundeinkommen und eine Reform der Geldordnung.
Der Impuls für Georg Nägle, sich politisch zu engagieren, war das Chance-2000-Projekt von Theaterregisseur Christoph Schlingensief. Der Ansatz der Kleinpartei: Jede Person sollte sich selbst als Direktkandidat aufstellen. Nägle sammelte so bei der Bundestagswahl im Herbst 1998 in Schweinfurt 264 Stimmen. Zwischendurch saß er im Vorstand einer Aktiengesellschaft und war im New-Economy-Rausch der Börse, bevor die ganze Blase platzte.
Seitdem ist der Schweinfurter mit Wohnsitz Berlin in der Geldsystemkritikerszene unterwegs, er war bei der Occupy-Bewegung dabei und ist seit knapp drei Jahren Mitglied in der Piratenpartei. „Momentan mache ich noch alles ehrenamtlich“, sagt Georg Nägle über seine Arbeit in der „AG Geldordnung“.
„Aber da geht so viel Zeit drauf, wenn man das richtig machen will. Das wird wirklich ein Problem für die aktiven Piraten, deshalb muss man auch verstärkt darüber nachdenken, dass bestimmte Funktionen auch bezahlt werden müssen.“ Nägle könnte sich auch vorstellen, bei den Piraten für ein Amt oder ein Mandat zu kandidieren. Aber sein Herz hängt eigentlich an der Musik. In den 90er-Jahren hat er das Projekt poetrY-club ins Leben gerufen und gemeinsam mit anderen Musikern den Gedichten von Friedrich Rückert Melodien eingehaucht. „Für mich war Musik schon immer auch ein Akt der Rebellion und Revolution. Die Aufgabe der Kunst ist es generell, neues Denken zu ermöglichen, neue Türen aufzumachen oder manchmal einfach nur zu provozieren“, sagt er. „Es mag verwunderlich sein, dass ich auf Friedrich Rückert gekommen bin und daran auch festhalte, aber das hat eher mit Spiritualität und Philosophie zu tun“, erklärt Georg Nägle seine Begeisterung für den berühmtesten Sohn Schweinfurts. „Rückert war ein großartiger Sprachkenner, der als Übersetzer Schätze aus anderen Ländern in Gedichtform ins Deutsche übertragen hat. Vieles aus dem Persischen, Indischen oder auch aus dem Chinesischen. Ich bin ein absoluter Fan dieser Weisheiten, gerade wenn man sich mit Politik beschäftigt, wo es oft auch viel um Ellbogen und unschöne menschliche Umgangsformen geht.“
Vor fünf Jahren ist mit „Goldene Zeit“ das erste poetrYclub-Album erschienen. Seitdem hat sich viel verändert, sagt Georg. Damals ist er mit seinem Laptop durchs Land gereist und hat sich viele Musiker ins Studio geholt. „Die Idee war ursprünglich, mehr Künstler für das Projekt zu begeistern und eine Art Netzwerk zu bilden. Bei der ersten Platte ist mir das noch gelungen, aber irgendwann musste jeder wieder seine eigenen Wege beschreiten, und ich war wieder allein. Dann bin ich nach Berlin gezogen, in der Hoffnung dort eine feste Band zu finden. Das hat letztendlich aber nicht funktioniert.“ Nur einer, der Ostberliner Stefan Preuhs, ist längere Zeit dabeigeblieben. „Irgendwann haben wir beschlossen, das neue Album aufzunehmen. Und das heißt jetzt ,Romantik.Liebe.Rebellion'.“
Eigentlich hätte Georg Nägle schon längst wieder genug Material, um ein drittes, viertes oder fünftes Album aufzunehmen. Das Problem ist aber, dass er vom poetrYclub nicht leben kann. Deshalb kann er nicht immer 100 Prozent seiner Zeit in das Projekt investieren.
Geld hat Georg Nägle schon mit vielen Dingen verdient: in der Veranstaltungsbranche, mit dem Kunsthandel im Internet oder ganz aktuell mit Trinkwasserhygiene. Liebend gerne würde er nur Musik machen, aber dafür ist das Thema Gedichtvertonung noch nicht populär genug. „poetrYclub ist nicht gerade ein Thema für die Charts. Wenn die Leute irgendwo was von Poesie lesen, dann ist das für die eine eher verstaubte Angelegenheit. Es ist also für mich nicht so einfach, die Leute zu ziehen. Aber wenn ich es schaffe, vor einem größeren Publikum aufzutreten, dann sind die Leute immer begeistert. Leider ist das Interesse des Publikums oft sehr überschaubar. Ich muss also einen Weg zu einer größeren Öffentlichkeit finden. Aber den Schlüssel zu diesem Geheimnis habe ich noch nicht gefunden.“
Das soll sich mit „Romantik.Liebe.Rebellion“ ändern. Das neue poetrYclub-Album gibt es übrigens nur in digitaler Form bei den üblichen Download-Portalen. Wer das überholte Format der CD bevorzugt, der kann Georg Nägle über seine Homepage www.poetryclub.de kontaktieren und sich eine individuell gestaltete CD über einen Online-Shop bestellen.