Drei Stufen hoch zur Bühne. Ein Blick, ein Satz, dann ist alles klar: „Wow, 200 Leute hier im Saal, da muss ich was abliefern, sonst sind hier hundert Leute enttäuscht und kündigen ihr Sparkassen-Konto – 'Ich geh' zur Volksbank!'“
Ja, Lars Ruppel hatte sich im Vorfeld ganz schön viel aufgebürdet. Trotzdem: Es war klar, dass dieser Auftritt im Veranstaltungszentrum der Sparkasse ein Heimspiel für amtierenden deutschen Poetry Slam-Meister werden würde. In Schweinfurt ist Ruppel nämlich kein unbeschriebenes Blatt. Der 29-Jährige wurde schon 2007 von Manfred Manger, dem Initiator der Schweinfurter Poetry Slams, in die Stadt am Main geholt. Hier leitete Ruppel, der zwei Mal mit dem Team und im vergangenen Jahr im Einzel den Meistertitel holte, bis 2009 Poetry Slam-Workshops für Jugendliche.
Nach ein paar Minuten auf der Bühne hat er dann auch die bekannten Gesichter erspäht, die seinen Wortschatz um die Wörter „fei“ und „weng“ erweitert haben. „Damit kann ich so manches Ausdrücken, was das Hochdeutsch nicht hergibt.“ Ohnehin ist es eine Fügung des Zufalls, dass Lars Ruppel heute Poetry Slammer ist. 1993 schrieb er sein erstes Gedicht – in der dritten Klasse.
Die Hausaufgabe, Adjektive zu steigern, ist dem kleinen Lars seinerzeit einfach viel zu profan und so wird das Ganze dann einfach ein bisschen poetisch. „Poesie fängt genau da an, wo der Computer sagt: Das ist falsch“, erklärt der Text-Performer. Seine Rettung: Er wuchs in einer Zeit auf, in der elektronische Hilfsmittel in Kinderhänden noch große Bestürzung seitens der Erziehungsberechtigten auslösten. „Wir hatten im Kindergarten keine Gameboys. Wir hatten nur Worte!“, erinnert sich der selbst ernannte „Vollzeitslammer“.
Der gebürtige Gambacher entdeckt seine Liebe zur Sprache nach ein paar Wirrungen erst als 16-Jähriger wieder, als er von einem Kumpel zu einem Poetry Slam mitgezerrt wird. Eigentlich war er nur wegen des Freibiers mitgekommen, doch es macht „klick“: „Oh mein Gott, ich war so schlecht, aber das war egal“, meint der Slam-Poet heute. Das liegt nun aber im Auge des Betrachters. Kostprobe gefällig? „Heiße Herdplatten betatschende Nebenprodukte“, „können nicht essen ohne zu kleckern, spielen zu selten an Steckdosensteckern“ dichtete Rappel damals. Ein echter Brüller, dieses Hassgedicht gegen Kinder – finden alle. Fast alle. Nur Rappel nicht, er distanziert sich in aller Form davon.
Schließlich ist Lars Ruppel erwachsen geworden und gibt nun Workshops für Kinder und Jugendliche, um zu zeigen, „dass man seine Stimme zu mehr nutzen kann, als Oma zu beschimpfen.“ Allerdings, man kann sie dazu nutzen, um sprichwörtlich überall seinen Senf dazuzugeben. Genau solche Redensarten faszinieren den personifizierten Spaßvogel. „Mein lieber Herr Gesangsverein: Als ob jemand Gesangsverein mit Nachnamen heißen würde!“, wettert Ruppel, der sich auch mitleidig mit den Hempels zeigt. „Mein Gott, wie muss die sich fühlen! Eine ganze Familie als Synonym für unaufgeräumte Möbel!“
Der Slammer-König von Deutschland könnte stundenlang über den Sinn und Unsinn dieser Sprichwörter philosophieren. Doch das tut er nicht: Nein, in seinem neuen Buch „Holger, die Waldfee“ hat er zehn Gedichte über Redensarten untergebracht. Die kann er natürlich alle auswendig, liest die mitunter clownesk-grotesk wirkenden Kostproben aus Werbegründen dann doch ab.
Das ist aber beileibe noch nicht alles: Schließlich braucht Ruppel bei seinen anstehenden Titelverteidigungen noch ein bisschen Konkurrenz. Deshalb übt er schon mal mit den anwesenden Zuschauern, wie man ganz einfach zu einem guten Slammer werden kann. Ein paar Übungen sind hilfreich, doch am besten hilft laut „Vollzeitslammer“ Ruppel, wenn man sich oft genug sagt: „Ich bin müde, ich bin ein Pinguin, ich kann gar nix!“ Doninik Großpietsch