Eine schwere Erkrankung hat Johannes Reichert auf eine etwas verrückte Idee gebracht, die er aber mit festem Willen umsetzt: Mit dem Rad ferne Ziele ansteuern. In Etappen fuhr er in seinen Sommerurlauben 2007 bis 2010 die 3369 Kilometer von Schweinfurt nach Santiago de Compostela in Spanien. 2011 und 2012 folgten zwei Etappen nach Rom. 2013 und 2014 fuhr er 1230 Kilometer durch Israel. Über die Touren veröffentlichte der Schweinfurter drei Reisetagebücher, hielt viele Vorträge.
Auch im vergangenen Jahr war Reichert wieder unterwegs: Vom 23. Mai bis 6. Juni radelte er nach Breslau – 787 Kilometer. Dabei folgte er der „Via Regia“, dem Jakobsweg aus dem Osten (wir berichteten). In diesem Jahr folgte nun wie angekündigt der zweite polnische Teil von Breslau nach Warschau. Vor wenigen Tagen ist er zurückgekehrt.
Erste Etappe Richtung Brzeg
Am 15. Mai startete der Schweinfurter Radfahrer die erste Etappe nach Brzeg (Brieg). Hier gab es die Altstadt und das Piastenschloss zu besichtigen. Weiter ging es nach Opole (Oppeln) mit dem Rathaus im Stil des florentinischen Palazzo Vecchio und die Pfennigbücke.
In Lubliniec (Lublinitz), der nächsten Station, standen der Besuch des Edith-Stein-Museums und die Schrotholzkirche St. Anna auf dem Programm. Am vierten Tag erreichte Reichert den wichtigsten Pilgerort Polens, Tschenstochau. Der Besuch des Klosters Jasna Góra („Heller Berg“) inklusive einer Messe in der Kapelle vor der Ikone der Schwarzen Madonna war das Highlight.
Weiter nach Krakau, wo Reichert sein Rad erst einmal vor das Tor der Emaillewarenfabrik von Oskar Schindler südlich der Weichsel steuerte. 2014 hatte er auf seiner Radtour durch Israel Oskar Schindlers Grab in Jerusalem besucht. Der Fabrikbesuch war also obligat. Und auch die Übernachtung musste dementsprechend im Jüdischen Viertel Kazimierz sein.
Warschau: für Radler ein Traum
Es folgten fünf ehrgeizig geplante Abschnitte mit Distanzen von um die 100 Tageskilometer über Tarnów, Rzeszów, Sandomierz und Lublin nach Kozienice. Es fehlte hie und da an Hinweisschildern, „aber auch ohne polnische Sprachkenntnisse des Radlers und nicht vorhandene Englischkenntnisse der Landbevölkerung klappte die Verständigung“, berichtet Reichert.
In Warschau legte der Schweinfurter nach 13 Tagen im Sattel den ersten Ruhetag ein, wenngleich er die Stadt dann doch wieder per Rad erkundete, was aufgrund der „perfekten Radwege in der Hauptstadt kein Problem war“. Interessant waren die Altstadt, der Kulturpalast, Eindrücke hinterließen die historischen Spuren des Warschauer Ghettos.
993 Radkilometer waren es am Ende dieser weiteren Tour des unermüdlichen Radfahrers. „Für mich war Polen zuvor ein dunkles, kaltes Land im Osten. Nach über zwei Wochen mit dem Fahrrad ist Polen für mich nun ein helles, warmes, teilweise sogar heißes Land im Osten Europas mit sehr freundlichen und hilfsbereiten Menschen“, räumt er ein nun revidiertes Vorurteil ein. In Polen habe er sich wohl gefühlt, „für mich ist Polen jetzt immer eine Reise wert“.
Wer die drei bereits erschienenen Reisetagebücher über Reicherts Radreisen nach Santiago de Compostela, Rom und durch Israel mit Interesse gelesen hat, kann sich auf das neue Buch „Via Regia – Mit dem Rad nach Warschau“ freuen. Reichert denkt, dass es noch vor Weihnachten 2016 erscheint.