Der Schweinfurter Ortsverein des CVJM gab im Frühsommer des Jahres 1919 den Anstoß dazu, einen Posaunenchor zu gründen. Einen Klangkörper, wie es ihn in anderen Fränkischen Regionen schon gab. Der erste Weltkrieg war vorbei, die Menschen wollten wieder etwas anderes hören als Kanonendonner und so wurde der kühne Plan geboren bereits im Herbst mit einem, wenn auch bescheidenen, Posaunenchor aufzuspielen.
26 Jahre später, der Kanonendonner des nunmehr zweiten Weltkrieges war gerade verhallt, begannen rührige Männer und Musiker wie der Heimatdichter Karl-Georg Krug und der langjährige Stadtrat Max Jopp eben diesen Posaunenchor wieder aufzubauen. Was nach dem ersten großen Krieg so hoffnungsvoll begonnen hatte, wurde mit der Machtergreifung der Nazis immer mehr unterdrückt. Die Verhältnisse für konfessionelle Jugendverbände und die integrierten Posaunenchöre wurden immer unerträglicher. Bis zum Ausbruch des zweiten Weltkrieges spielte man nur noch bei privaten Anlässen oder in Kellern. Als der erste Bläser zum Kriegsdienst eingezogen wurde, wurden die noch vorhandenen Instrumente im Turm der Johanniskirche versteckt, wo sie den Krieg überstanden. Viele Instrumente samt Noten waren allerdings schon vorher von der Gestapo konfiziert worden.
Ausgebombt, aber voller Pläne

Heiner Langguth (88) war dabei, als der Posaunenchor ab dem Herbst 1945 wieder nach und nach anfing Musik und Freude zu verbreiten. Er ist im Jahr 2019, in dem der Posaunenchor seinen 100. Geburtstag feiern wird, der letzte noch lebende Zeitzeuge dieser Epoche des Aufbruchs. 1943 ausgebombt fand der 13-jährige Junge Zuflucht in Neuses am Berg. Die Tochter des dortigen Pfarrers brachte ihm die Grundzüge des Klavierspielens bei. Auch als er 1946 wieder in Schweinfurt lebte, sprich eine Schlafstelle in einem beschädigten Haus hatte, von der er täglich zu seiner Schreinerlehre aufbrach, machte er weiter Musik. Fleißig übte er auf einem geliehenen Waldhorn, schloss sich den von Karl-Georg Krug und Max Jopp wieder zusammengerufenen Posaunenchormitgliedern, die aus dem Krieg zurückgekehrt waren, an. In der Bodelschwinghstraße wurde in einem Keller geübt. Ein rundes Dutzend Bläser waren es am Anfang. Man suchte in jenen Tagen nach einem "professionellen Chorleiter", der nicht nur die Proben und Auftritte leiten, sondern der auch Anfänger ausbilden könnte.
Ein "Musikmeister" auf der Suche nach neuen Aufgaben
Den fand man auch in dem damals 57-jährigen früheren "Musikmeister" der Stadt, Carl Klenk, dem vormaligen Leiter des städtischen Orchesters. Klenk war zu der Zeit ohne Stellung , hatte man ihn doch auf Anweisung der amerikanischen Militärregierung und auch aufgrund seiner nationalsozialistischen Vergangenheit nach dem Krieg nicht mehr eingestellt. "Daraus lässt sich etwas machen, ich bringe euch schon noch etwas bei", soll Klenk gesagt haben, als er nach anfänglichem Zögern sich bereit erklärte die Leitung des Posaunenchores Schweinfurt zu übernehmen. Klenk hatte den Einstieg in seine Nachkriegs-Karriere gefunden, denn in den kommenden Monaten und Jahren kamen der Kirchenchor der Gustav-Adolf-Kirche, der Posaunen- und Kirchenchor Sennfeld, der Posaunenchor Zeilitzheim und der Gesangverein 1865 dazu, die alle von Klenks enormen musikalischem Sachverstand profitierten. "Die 13 Jahre unter der Leitung Carl Klenks veränderten das Gesicht des Schweinfurter und Sennfelder Posaunenchores tiefgreifend, die Qualität der Darbietungen wurde deutlich gesteigert", ist in der Chronik zum 70. des Posaunenchores nachzulesen.
Musikalische Begrüßung für die aus der Gefangenschaft entlassenen Soldaten
"Eine schöne Zeit, wir haben viel erlebt und sich viel herumgekommen", erinnert sich Heiner Langguth, der diese Jahre bis zu Klenks tödlichem Autounfall 1959 miterlebt und musikalisch mittlerweile mit der Basstrompete mitgestaltet hat. "Es war ja nichts da, wir haben überall gespielt, wo Musik gebraucht wurde", so Langguth. Und Musik wurde reichlich gebraucht – von der Brückeneinweihung bis zur Konfirmation oder vom Fest am Jahnsplatz bis zur Familienfeier. In Erinnerung geblieben sind vor allem Teilnahmen an Landesposaunentagen wie der Anfang der 50er-Jahre in Ansbach oder die Tage an denen Russlandheimkehrer am Bahnhof musikalisch empfangen wurden und dabei so manche Träne der Freude und der Rührung floss.

Unter Klenks Führung waren die Posaunenchöre Schweinfurt und Sennfeld, wie sie in den Vorkriegstagen bestanden hatten, sozusagen zusammengewachsen. "Wir haben eine Woche im evangelischen Kindergarten an den Schanzen geprobt, die nächste Woche waren wir im evangelischen Kindergarten in Sennfeld", so Heiner Langguth. Mit dem Auto – es gab ja kaum welche – fuhr man übrigens in den seltensten Fällen zu den Auftritten. Die Bahn war das Transportmittel der Wahl, zu Gastpielen in den umliegenden Gemeinden fuhr man mit dem Rad oder wanderte dorthin. Max Jopp, ein großer Wanderer, ging hier mit gutem Beispiel voran, lief auch schon mal 20 oder 30 Kilometer zu einem Auftritt.
36 Jahre beim "Kugelfischer-Chor"
Heiner Langguth, der als 1930 geborener noch viele Erinnerungen an die Bombennächte wie zum Beispiel in Würzburg hat, ist der Musik auf unterschiedlichste Weise treu geblieben. Bis 1973 hat er beim Posaunenchor Musik gemacht. Inzwischen als Schreinermeister beim "Kufi" arbeitend und Familienvater geworden, entschloss er sich damals aus Zeitgründen dieses Steckenpferd aufzugeben. Dafür entdeckte er seine Freude am Singen, 36 Jahre war er beim "Kugelfischer-Chor", gut 20 Jahre beim Gesangverein 1865 und auch das Klavierspielen hat ihn nicht losgelassen.
Und natürlich will er dabei sein, wenn am 19. und 20. Oktober der Schweinfurter Posaunenchor seinen 100. feiert. Wolfhart Berger, Leiter des Posaunenchores seit 1983/84 und selbst sozusagen von Kindesbeinen an dabei (seit 1958), hat gegenwärtig mit der Planung der Feierlichkeiten zu tun. Das Programm ist noch im Entstehen, fest steht aber bereits, dass es am 19. Oktober ein großes Konzert und am 20. Oktober einen Festgottesdienst in der Johanniskirche geben wird.