2018 in Schweinfurt. Zweimal stellen Polizei und Gutachter fest, dass schwere Verkehrsunfälle nicht nur auf überhöhte Geschwindigkeit zurückzuführen sind. In diesen Fällen haben sich Fahrer illegale Autorennen geliefert. Mit schwerwiegenden Folgen. In der Niederwerrner Straße verliert einer der beiden Fahrer die Kontrolle über seinen Wagen, rammt das Auto eines Unbeteiligten, die Insassen werden schwer verletzt. In einem anderen Fall bleibt der Unfallverursacher das einzige Opfer, mäht an Heilig Abend 40 Meter Zaun im Hafen regelrecht um.
Polizeibeamte vor Ort erwarten Bilder, die sie sonst nur von Autobahnunfällen her kennen, erinnert sich Thomas Rudolph, Sachbearbeiter für Verkehr. Er und der stellvertretende Leiter der Polizeiinspektion Schweinfurt, Matthias Wehner, stellen sich den Fragen der Redaktion, die nicht zuletzt von immer wiederkehrenden Meldungen von Privatleuten in den Sozialen Medien herrühren. Hat Schweinfurt ein Problem mit Rasern? Nicht mehr als andere Städte, könnte man die Aussagen der Polizeibeamten deuten. Und doch: Man ist sich bewusst, dass es Raser und eben auch solche Autorennen gibt.
Seit 2017 sind illegale Autorennen mehr als eine normale Geschwindigkeitsübertretung: nämlich eine Straftat. Gutachter bewerten die Lage nach Unfällen wie den beiden oben genannten. Doch in vielen Fällen gibt es so ein Gutachten nicht, und bei der Zahl der Unfälle, in denen zu hohe Geschwindigkeit die Ursache ist, schwingt folglich eine Dunkelziffer mit. Die gute Nachricht: Die Zahl solcher Unfälle ist im Bereich der Inspektion – also Stadt und Landkreis Schweinfurt – 2018 gesunken. Von 162 im Jahr 2017 auf 103. Im Vergleich: 2016 waren es 138.
Das große Ziel der Polizei: Weniger Verkehrstote, mehr Sicherheit
Geschwindigkeitsüberschreitungen zählen generell zu den Hauptgründen für tödliche Verkehrsunfälle, sagt Matthias Wehner. Schon allein deshalb sei dies bei der Polizei in Bayern ein Schwerpunktthema. Das große Ziel: weniger Verkehrstote, mehr Verkehrssicherheit. Und um die geht es bei all den Kontrollen, auch im Raum Schweinfurt, so Wehner. Kontrolliert werden könne nicht überall. Im Fokus stehen Schwerpunkte – zum Beispiel weil es dort öfter Unfälle gibt, aber auch Bereiche, aus denen Beschwerden von Bürgern kommen. Deshalb, so Wehner, seien diese Meldungen wichtig. Wer kann, sollte sich auch das Kennzeichen von Rasern notieren. Manchem notorischen Raser könne man schon so in Zusammenarbeit mit der Führerscheinstelle das Handwerk legen. Auf zwei bekannten "Rennstrecken" hat die Polizei erst vor einigen Tagen kontrolliert: Der Spitzenreiter in der Ernst-Sachs-Straße fuhr 90 Stundenkilometer, durch die Hans-Böckler-Straße rauschte ein Autofahrer mit 88 Sachen.
Dass die Polizei nicht um jede Uhrzeit sofort vor Ort sein könne, sei auch klar, sagt Wehner. Auch wenn er weiß, dass die Erwartungshaltung der Bürger groß ist. "Wir setzen die Kollegen dort ein, wo sie am ehesten gebraucht werden." Die Ressourcen seien begrenzt. 90 Beamte hat die PI Schweinfurt, die im Schichtdienst Streife fahren. Und immer wieder feststellen, dass die Autos derjenigen, die gern einmal schnell fahren, immer größer werden – und teurer.
Junge Männer mit großen Schlitten und mächtig PS unterm Hintern
Die Hersteller, auch die der PS-trächtigen Premiummarken, locken schon länger mit guten Angeboten. Leasing, Finanzierung – was sich früher nur manche leisten können, fahren nun schon junge Leute zwischen 18 und 30. Die Altersgruppe, aus der nicht nur die Raser stammen, sondern auch die "Poser", wie Rudolph sie nennt. Junge Männer, die mit ihren Schlitten angeben, an der Ampel einen Kavaliersstart hinlegen, den 500-PS-starken Motor in der Innenstadt aufheulen lassen. Raser sind sie nicht unbedingt, auch wenn sich manches vermischt, wie die Polizeibeamten sagen.

Zwischen 18 und 30 Jahre alt ist auch eine andere Gruppe, die immer wieder in den Fokus der Polizei gerät: die Tuner. Tuning ist an sich nichts Schlimmes, betont Rudolph. Erst dann, wenn die Verkehrssicherheit eines Fahrzeugs nicht mehr gewährleistet ist, sei das anders. Wenn Tuner über das Ziel hinausschießen, das Auto so verändern, dass die Betriebserlaubnis erlischt, gefährden sie nicht nur sich, sondern auch andere. Seit 2017 hat das Tuning neue Formen erreicht, es wird geflext, verändert, und zwar im großen Stil. Neuerdings wird auch an E-Bikes und Pedelecs geschraubt, damit die Zweiräder nicht bei 25 km/h abregeln.
Polizei schwenkt bei Tuning-Kontrollen um
Viele Tuner investieren viel Geld, einige setzen noch mehr aufs Spiel. Die Polizei hat sie im Auge, und dort vor allem ein Mann: Oliver Wagner. Seit zehn Jahren ist er für den Bereich zuständig, hat sich in der Szene längst einen Namen gemacht. Seit 2018 hat die Polizei ihr Vorgehen verändert. Zuständig sind nun nicht mehr nur zwei Beamte, Wagner bildet jeden Streifenpolizisten auch im Bereich Tuning aus. Was in den Augen des stellvertretenden PI-Chefs Wehner auch mit ein Grund für die gestiegenen Fallzahlen ist.

2018 gab es 36 Anzeigen wegen Erlöschens der Bertriebserlaubnis, 2019 sind es jetzt schon 91, zwölf Autos wurden stillgelegt. Bei einer Schwerpunktkontrolle vor kurzem gab es sechs Anzeigen. Geht Tuning über den erlaubten Rahmen hinaus, wird das teuer. Bußgelder, ein Gutachten, Abschleppkosten für das Auto, das so nicht mehr gefahren werden darf – das bewegt sich laut Sachbearbeiter Thomas Rudolph im vierstelligen Bereich. Dazu kommen die Kosten für den Rückbau. Rudolph zeigt Bilder: Ein Auto mit nur noch einem Zentimeter Bodenfreiheit, die Ölwanne total verschrammt, die Reifen verschwinden im Radkasten. Maximal zehn Grad kann der Fahrer lenken. Müsste er jemandem ausweichen: keine Chance.