Mit einem Vergleich ist am Oberlandesgericht Bamberg der jahrelange Rechtsstreit zwischen der Postbaugenossenschaft und einem ihrer hartnäckigsten Kritiker zu einem überraschenden Ende gekommen. Der 67-Jährige Anleger hatte – wie das viele andere Genossenschaftsmitglieder nach der öffentlich gewordenen Schieflage der Postbau auch getan haben – die Rückzahlung von Darlehen über 238 000 Euro und Geschäftsanteilen (75 678 Euro) geltend gemacht.
In erster Instanz, am Landgericht Schweinfurt, war er mit seinen Forderungen auf ganzer Linie durchgefallen. Mit dem nun vom OLG angeregten Vergleich erkannte die Genossenschaft die Zahlung von wenigstens 67 500 Euro an. Der klagende Anleger verpflichtete sich im Gegenzug, keine etwaigen Ansprüche gegen die Postbau-Verantwortlichen mehr geltend zu machen.
Dem Landgericht hatte der Anleger die rund 30 Einzahlungen über die Gesamtsumme von über 300 000 Euro zwar detailliert aufgelistet. Und auch darauf hingewiesen, dass kein großer Unterschied zwischen Geschäftsanteilen und Darlehen gemacht wurde, was beispielsweise die jeweils sechs Prozent Zinsen belegten. Die Krux nur war – wie im übrigen bei vielen anderen Verfahren auch – die Buchführung oder besser das, was man bei der Postbaugenossenschaft über Jahrzehnte hinweg eine solche nannte. Die Anleger, darunter viele Mieter der über 300 Postbauwohnungen, überwiesen ihre Einlagen nämlich in der Regel nicht, sondern trugen ihr Geld in bar zur Geschäftsstelle am Schelmsrasen. Dort nahm es der Ex-Vorstandsvorsitzende entgegen. Er vermerkte die Bareinzahlungen auch in der zu einer gewissen Berühmtheit gelangten „gelben Kartenkartei“.
Nicht alles Bargeld landete bei der Bank, sondern in der Schreibtisch-Schublade. Es wurden mit diesen Barbeständen offensichtlich schon damals vorhandene Liquiditätsengpässe der Genossenschaft ausgeglichen, Barbeträge auch an Anleger ausgereicht, die eingelegtes Geld zurück haben wollten. Auch Handwerkerrechnungen wurden so beglichen.
Letzteres war beim Anleger aus Schweinfurt der Fall. Er hatte unbestritten im Auftrag des Vorstandes Wohnungen saniert, Material dazu auf zunächst eigene Rechnung besorgt. Wegen der „chaotischen Buchführung“, wie es der Vorsitzende Richter am OLG Bamberg formulierte, und wegen Unstimmigkeiten in den vom Anleger präsentierten Unterlagen (auch die Darlehen und Geschäftsanteile betreffend), könne die ihm zustehende Geldsumme auch mit bestem Willen nicht mehr exakt bestimmt werden.
Die Postbaugenossenschaft hatte demgegenüber angezweifelt, dass der Anleger überhaupt Geld eingezahlt hatte und wenn doch, handele es sich um Privat-Geschäfte zwischen dem klagenden Anleger und dem Ex-Vorstand. Der sei aber ausgeschieden, man könne über die Geschäfte – sprich Darlehen, Geschäftsanteile und Verrechnung der Handwerkerrechnungen – keine erläuternden Erkundigungen einholen.
Diesen Rückzug auf das Argument des „Nichtwissens“ akzeptierte das OLG Bamberg nicht. Erstens, weil „einige Urkunden eindeutig Geldeinzahlungen belegen“ und diese Urkunden „auf Papier der Genossenschaft erstellt worden sind“. Zweitens, weil „auf beiden Seiten Unzulänglichkeiten bei der Buchführung vorhanden sind“, wie der beisitzende Richter erklärte.
Er schrieb bei der Verhandlung im Bamberger Justizgebäude dem Anwalt der Genossenschaft und der sie vertretenden Geschäftsführerin außerdem ins Stammbuch, dass auch die Genossenschaft wissen müsse, „was eingezahlt wurde“.
Für das OLG stand also letztlich fest, dass der Anleger Geld eingezahlt hat, aber eben nicht wie viel. Das Gericht war zudem der Meinung, dass beide Seiten Verantwortung tragen, aber bis heute nicht wissen, „was da genau gelaufen ist“.
Der Lösungsvorschlag „Vergleich“ kam deshalb wenig überraschend. Die vom Gericht genannte Summe von 67 500 Euro akzeptierten nach einigem Hin und Her und Sitzungsunterbrechungen beide Seiten.
Der Anleger mit größerem Zähneknirschen, wenngleich auch er den Hinweis des Vorsitzenden verstand: In erster Instanz habe es Null Euro gegeben, erinnerte er. Es müssten außerdem wieder alle Zeugen geladen werden und das Ergebnis sei angesichts der geschilderten Problematiken offen, die genannte Summe in jedem Fall Illusion. Die Kosten trägt zu 4/5 der klagende Anleger.
Postbaugenossenschaft
Gegründet wurde die Postbaugenossenschaft Schweinfurt 1911 als Selbsthilfeeinrichtung der Postbeschäftigten. Zweck ist eine sozial verantwortbare Wohnungsversorgung der Mitglieder. Die Gewinne werden als Dividende an die Mitglieder ausgeschüttet und dienen zur Modernisierung der insgesamt 325 Wohnungen und Gewerbeeinheiten. Die meisten befinden sich an 33 Adressen in Schweinfurt, gefolgt von Kitzingen. Weitere Wohnungen gibt es in Bad Kissingen, Bad Neustadt, Bad Königshofen und Mellrichstadt. hh