In Afrika und Asien ist Hirse ein unverzichtbares Grundnahrungsmittel. In Deutschland galt das bis ins 19. Jahrhundert ebenso. Man denke hier an Grimms Märchen, das vom süßen Hirsebrei erzählt, der nicht mehr aufhörte, aus dem Topf zu quellen. Doch dann geriet das kleinkörnige Getreide in Vergessenheit, bis es vor einigen Jahren wieder sein Comeback erlebte. Im Landkreis Schweinfurt hat Bio-Landwirt Herbert Krückel die sehr alte, nährstoff- und mineralreiche Kulturpflanze wieder angebaut und vor wenigen Tagen erfolgreich gedroschen.
Der Schleeriether Naturland-Bauer war auf der Suche nach einer weiteren Sommerfrucht für seine Fruchtfolge. „Je mehr Früchte, desto leichter gelingt biologischer Anbau“, erklärt Krückel, denn umso geringer sei der Krankheitsdruck und umso mehr könne Unkraut unterdrückt werden. „Wir sind immer auf der Suche nach Neuem“, ergänzt seine Lebensgefährtin Sabine Feddersen.
Hirse gedeiht auch auf schlechten Böden
Dazu gehört auch, sich mit ihren Anbaufrüchten an den Klimawandel heranzutasten. Weil es bei uns im Frühjahr nicht viel regnet, wollte der Landwirt eine Frucht, die trockenheitsresistent ist. „Wenn das in Afrika funktioniert, warum nicht auch hier?“, dachte sich Krückel. Außerdem ist die Hirse anspruchslos, gedeiht auch auf schlechten Böden, ist eine sogenannte C4-Pflanze, die besonders effizient das Sonnenlicht zur Fotosynthese nutzen kann sowie Wärme und Licht liebt.
Ihr Wasserbedarf ist niedrig. Die Hirse kann auch in Regionen mit weniger als 500 Millimeter Jahresniederschlag angebaut werden, was der hiesigen fränkischen Trockenplatte entgegenkommt. Und sie hat eine hohe Produktivität, sprich: Ihre Vermehrungsrate ist fünf- bis zehnmal höher als etwa bei Roggen.
Krückel bestellte bei seinem Naturland-Verband den Samen für die Rispenhirse. „Hirse ist nicht eine einzige Pflanzenart“, erklärt er. Vielmehr ist es eine Sammelbezeichnung für zehn bis zwölf verschiedene kleinfruchtige Spelzgetreide-Gattungen, die zahllose Hirsearten umfassen. Neben der Rispenhirse ist die Kolbenhirse am bekanntesten als Nahrung, Viehfutter oder Vogelfutter.
Die jungen Pflanzen vertragen Kälte nicht so gut
Anfang Mai, als es schon wärmer war, säte Krückel ein neu gepachtetes, bislang konventionell bewirtschaftetes 1,5 Hektar großes Feld als Umstellungsfläche mit Rispenhirse ein. „Das junge Pflänzchen verträgt Kälte nicht so gut“, erklärte er den relativ späten Saatzeitpunkt. Anfangs hätten etliche Leute gefragt, was da wachse, erinnert sich Sabine Feddersen. Die Rispe ähnelt zunächst Mais, steht aber viel dichter, später sieht sie wie Hafer aus. Doch der Fruchtstand ist viel feiner und verzweigter, hängt zudem am Halm.
Zwar wusste das Paar noch nicht, wie man die Hirse vermarkten sollte. Denn für den menschlichen Verzehr müssen die nur 1,5 bis zwei Millimeter kleinen Körner, ähnlich groß wie Raps, erst geschält werden, wofür Krückel die Maschine fehlt. Aber als Futter für die hofeigenen 3000 Bio-Legehennen würde sie auf jeden Fall taugen.
Die Ernte mit einem herkömmlichen Mähdrescher fiel ertragreicher aus als erwartet, so dass Krückel nun weitere Absatzmöglichkeiten sucht. Für Bio-Produkte gibt es eine eigene Internet-Börse. „Vielleicht mache ich auch Körnerkissen daraus“, meint Sabine Feddersen. Das wird als Wärme- oder Kältekissen verwendet, kann bei Verspannungen oder Muskelschmerzen gute Dienste leisten, zumal sich die feinen Körnchen perfekt um den Körper schmiegen.
Hirse liefert Kohlenhydrate, Eiweiß und Fett
Als Nahrungsmittel ist die Hirse besonders wertvoll. Sie liefert die drei Grundnährstoffe Kohlenhydrate, Eiweiß und Fett. Und weil zudem der Kornertrag sehr hoch ist, war sie in der Vergangenheit – bis zur Einführung der Kartoffel – gerade bei der ärmeren Bevölkerung sehr beliebt. Sie wird auch heute noch als „Reis des kleinen Mannes“ tituliert.
Hirse hat einen erhöhten Gehalt an Mineralstoffen und Spurenelementen sowie an Kieselsäure, beinhaltet fast dreimal mehr Eisen als Weizen und ist überdies glutenfrei und leicht bekömmlich. „Ein echtes Super-Food“, lacht Sabine Feddersen. Nicht nur als Brei, gequollen und gekocht mit Milch und mit Zucker gesüßt, kann man Hirse essen. Sie kann, ähnlich wie Reis, als Beilage zu Fleisch gereicht oder in Aufläufen und Salaten verwendet werden.
Weil der Naturland-Verband Bio-Hirse-Anbauer sucht, also eine Nachfrage bei Verbrauchern vorhanden ist, will der Schleeriether Landwirt auch nächstes Jahr das Getreide wieder aussäen.