Ursprünglich waren die hörgeschädigten Menschen im Integrationsfachdienst bei Yvonne Röll. Dort aber merkte man schnell, dass hier Einzelcoaching zu wenig war. Und so initiierten Doris Markof-Böhm vom bfz und Yvonne Röll eine Gruppenmaßnahme zur „Integration hörgeschädigter Menschen ins Berufs- und Arbeitsleben“. Von der ARGE, der Stadt und der Agentur für Arbeit lagen Anfragen vor, und das Projekt wurde in die Tat umgesetzt.
Die Gehörlosen wollen verstehen
Das war anfangs gar nicht so einfach, erinnert sich Doris Markof-Böhm. „Ich hatte vorher noch nie mit Gehörlosen zu tun und war ziemlich hilflos, als ich die Gruppe begrüßen wollte.“ Auch die Gruppe habe anfangs gemosert, erinnert sich Yvonne Röll, denn ein offizieller Dolmetscher kam nur selten. „Aber das ist auch nicht im Sinne des Erfinders“, erklärt sie, „denn die Leute sollen lernen, mit Menschen zurechtzukommen, die keine Gebärdensprache können.“ Sie selbst kann ein bisschen Gebärdensprache.
Auch die Begleiterin der Gruppen, Barbara Kraus, hat einige Kurse in Gebärdensprache hinter sich, aber sie beherrsche diese „Fremdsprache“ nicht, weiß sie. „Ich mache lautsprachliche Gebärden zu dem, was ich rede“, erklärt sie. Es sei halt wie bei einem Urlaub im Ausland: Man rede mit Händen und Füßen. „Ich bin ein wenig die Schauspielerin vorne“, beschreibt sie ihre Rolle und meint, sie komme gut zurecht, „weil die Gehörlosen mich verstehen wollen und sich auch bemühen“. Trotzdem ist der Verbrauch an Flipchart-Papier groß, vieles wird aufgeschrieben. Für die „Lehrerin“ immer wieder erstaunlich: „Es gibt Worte, die kann man nicht in Gebärdensprache übersetzen, ,Fähigkeit' oder ,Qualifikation' zum Beispiel.“
Man spürt, dass ihr die Menschen ans Herz gewachsen sind: „Die Gehörlosen schaffen so eine Wohlfühl-Atmosphäre“, sagt sie, „sie lachen viel und sind sehr aufmerksam und nett.“ Doris Markof-Böhm bestätigt: „Das sind nicht solche Motzbrocken, die immer nur das Haar in der Suppe suchen.“ Und die Gehörlosen kommen auch gerne; ein Teilnehmer muss täglich um 5 Uhr früh starten, damit er um 8 Uhr im bfz sein kann. Er nimmt das klaglos auf sich.
Schwierige Suche nach Praktika
Richtig aufwändig wird es, wenn die Gehörlosen ins Praktikum gehen. Die Suche nach Praktikumsplätzen geht nur per Telefon, erklärt Yvonne Röll. Potenzielle Arbeitgeber müssen angerufen und überzeugt werden. Barbara Kraus erinnert sich an einen Vorstellungstermin. Sie war mit zweien der Gehörlosen bei einem Schweinfurter Einkaufsmarkt. „Die standen völlig steif und bewegungslos da.“ Später hat dann der Chef des Unternehmens die Praktikumsplätze abgesagt, er hatte nicht mit seinen Mitarbeitern geredet, und die wollten keine Gehörlosen. Es gebe eben Berührungsängste auf beiden Seiten, meint Kraus, diese „Behinderung ist nicht sehr salonfähig“.
Ganz andere Erfahrungen gab es bei einem großen Einkaufsmarkt im Hafen, dort hätten sich Chef und Sekretärin gleich mit Händen und Füßen in die Kommunikation gestürzt und sehr viel Geduld bewiesen, berichtet die Begleiterin. In einem Schrotthandel seien die Mitarbeiter beim ersten Feedback-Tag gleich auf sie zugekommen und hätten erzählt: „Wir haben schon rausgekriegt, dass er verheiratet ist und Kinder hat.“ Auch in diesem kleinen familiären Betrieb läuft es gut. Aber es genügt nicht, einen Praktikumsplatz zu organisieren, die Kinder der Behinderten müssen in dieser Zeit untergebracht werden. Auch hier ist Barbara Kraus unterwegs. Sie erinnert sich an die Schwierigkeiten mit einem Zwölfjährigen. Er sollte zur Stadtranderholung, wollte aber partout nicht. Jetzt ist er alleine zu Hau-se, zwingen könne man niemanden, meint Doris Markof-Böhm.
Der zweite Kurs von Barbara Kraus unterscheidet sich wesentlich vom ersten, in dem die Menschen mit Migrationshintergrund sind. Die Teilnehmer sind jünger, darunter zwei, die bei einem Hörsturz ihr Gehör verloren, also gut sprechen können. Diese Menschen gehen sehr selbstbewusst mit ihrer Behinderung um. „Sie schreiben schon jetzt eifrig Bewerbungen“, erzählt Kraus und rechnet damit, dass einige, noch bevor der Kurs zu Ende ist, einen Arbeitsplatz finden werden.