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Schweinfurt: Reporter in Betrieb: Glühweinausschank für Anfänger

Schweinfurt

Reporter in Betrieb: Glühweinausschank für Anfänger

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    Unsere Reporterin Lisa Marie Waschbusch beim Glühwein-Ausschank auf dem Schweinfurter Weihnachtsmarkt.
    Unsere Reporterin Lisa Marie Waschbusch beim Glühwein-Ausschank auf dem Schweinfurter Weihnachtsmarkt. Foto: Anand Anders

    Es gibt zwei Sorten von Weihnachtsmarkt-Besuchern: Die einen erinnern sich an die wohlig wärmenden Getränke aus dem Glühweinstand und die anderen an das Gedränge, die durchnässten Wollhandschuhe, die verbrannte Zunge und die kalten Füße. Welche davon an diesem Montagabend meine Gäste sein werden? Als "Reporterin in Betrieb" wechsle ich heute die Seiten und stehe statt vor nun hinter dem Stand. Was auf mich zukommt, weiß ich nicht, doch ich fühle mich gut – schließlich habe ich als Schülerin und Studentin in der Gastronomie gejobbt. 

    Tatjana Bauß, meine Kollegin für diesen Abend, öffnet mir die Tür der rechteckigen Holzhütte, die an der Vorderseite mit zwei großen Durchreichen ausgestattet ist. Meine Arbeitskleidung liegt schon parat: eine beige-farbene Jacke mit der roten Aufschrift "Skihütte". Zügig werfe ich sie mir über und merke schon nach zwei Minuten, dass ich viel zu dick angezogen bin. Schal und Stirnband lasse ich daher lieber weg.

    Der Einsatzort: Die "Skihütte" auf dem Schweinfurter Weihnachtsmarkt.
    Der Einsatzort: Die "Skihütte" auf dem Schweinfurter Weihnachtsmarkt. Foto: Anand Anders

    Tatjana arbeitet seit drei Wochen im Glühweinstand auf dem Schweinfurter Weihnachtsmarkt. Alle Handgriffe sitzen. Die 26-Jährige erklärt mir, dass für fast alle Heißgetränke die gleichen Tassen benutzt werden. Dass Winterpunsch weniger süß ist als Kinderpunsch. Dass ich bei jungen Leuten nach dem Ausweis fragen muss. Und dass ich immer direkt eine neue Tasse unter den Zapfhahn stellen soll, weil es daraus nachtropft. Sie rät mir, ab und an über die Theke zu wischen, damit sich die Kunden nicht in Glühwein-Pfützen abstützen. 

    Keine halbe Stunde nach Arbeitsantritt gebe ich den ersten Glühwein heraus. "Du kannst ruhig ein bisschen mehr reinmachen", merkt Tatjana an. Dann trifft auch der Chef ein, Michael Luch. Für ihn beginnt der Arbeitstag in der Regel schon um acht Uhr morgens. Ich erkenne ihn schon von weitem an der beige-farbenen Jacke. "Ah, die neue Aushilfe", ruft er mir durch eins der Fenster zu, lächelt und fragt: "Alles gut?" Ich lächle zurück. Alles gut. Der Betrieb ist bisher überschaubar.

    Reporterin Lisa Marie Waschbusch arbeitet auf dem Weihnachtsmarkt in einem Glühweinstand mit. 
    Reporterin Lisa Marie Waschbusch arbeitet auf dem Weihnachtsmarkt in einem Glühweinstand mit.  Foto: Anand Anders

    Hinter der Theke ist es dagegen so voll, dass gerade mal ein schmaler Gang bleibt: Die Wände mit Regalen voller Gläser, die Zapfanlagen für die insgesamt 13 Heißgetränke, Waschbecken und Spülmaschine. Das Praktische daran: kein Werkzeug ist mehr als eine Armlänge entfernt. An jedem Zapfhahn stehen die Sorte und der Preis – inklusive Pfand. Viel merken muss ich mir also nicht. Ich atme auf und merke, dass meine Gastro-Zeit doch schon ein bisschen her ist.

    Seit 25 Jahren auf dem Schweinfurter Weihnachtsmarkt

    Die "Skihütte" steht seit 25 Jahren auf dem Schweinfurter Weihnachtsmarkt. Und Michael Luch steht jeden Tag hinter der Theke. Wenn die Weihnachtszeit vorbei ist, zieht er nach einer kurzen Winterpause weiter. Der 61-Jährige ist Schausteller – wie seine Eltern es schon waren und seine eigenen Kinder nun auch sind. 

    13 Sorten Glühwein gibt es in der "Skihütte".
    13 Sorten Glühwein gibt es in der "Skihütte". Foto: Anand Anders

    Um 17.30 Uhr fängt die Blaskapelle auf der Bühne – unweit von uns – an zu spielen. Weihnachtsklassiker. Die Leute sammeln sich davor. Ich stehe an der einen Durchreiche bereit, Tatjana an der anderen. Vor ihrem Fenster bildet sich plötzlich eine Schlange, vor meinem nicht. Dann kommt ein junges Paar zu mir rüber und gibt seine Tassen ab. Ich frage Michael Luch ironisch, ob es an mir liege, dass mein Fenster leer bleibt. Er verneint. Tatjanas Fenster sei das stärker besuchte. Warum, könne er nicht sagen. Vielleicht ist es auch besser so, denke ich.

    Konzentration muss sein

    "In der Woche kommen die harmlosen Bestellungen", sagt Tatjana. Am Wochenende hingegen gebe es Leute, die auf einmal 16 Glühwein bestellen. Mein Kurzzeitgedächtnis an die Belastungsgrenze bringen schon Kunden, die "drei Tassen zurück und fünf Neue dafür" bestellen. Oder die nachfragen, welches der beiden roten Getränke, die ich gerade ausgeschenkt habe, "jetzt der Kinderpunsch" sei. Hätte Michael Luch nicht aufgepasst, hätte ich es nicht mehr sicher beantworten können. Definitiv Dinge, die ich als Reporterin nicht täglich trainiere.

    Michael Luch, Inhaber der "Skihütte" auf dem Schweinfurter Weihnachtsmarkt.
    Michael Luch, Inhaber der "Skihütte" auf dem Schweinfurter Weihnachtsmarkt. Foto: Lisa Marie Waschbusch
    Reporter in Betrieb: Lisa Waschbusch schenkt auf dem Weihnachtsmarkt fleißig Glühwein nach. 
    Reporter in Betrieb: Lisa Waschbusch schenkt auf dem Weihnachtsmarkt fleißig Glühwein nach.  Foto: Anand Anders

    Doch ich werde sicherer. Ich weiß, aus welchem Hahn der Kakao, aus welchem Himbeerglühwein und aus welchem Kinderpunsch kommt. Die Leute geben ihre Tassen ab, sie sind freundlich, einige wünschen mir eine gute Weihnachtszeit. Ein Kunde sagt, die Weihnachtszeit sei ja ohnehin nur mit Alkohol zu ertragen. Ein anderer bezweifelt, dass in seinem Glühwein überhaupt Alkohol drin ist. "Den werden Sie gleich merken", hat Michael Luch direkt einen Spruch parat.

    Etliche Getränke kommen aus den Hähnen der Skihütte. Der Überblick fällt aber zum Glück nicht schwer: Alles ist fein säuberlich beschriftet.
    Etliche Getränke kommen aus den Hähnen der Skihütte. Der Überblick fällt aber zum Glück nicht schwer: Alles ist fein säuberlich beschriftet. Foto: Anand Anders
    Anpacken: Lisa Waschbusch muss gespülte Gläser schleppen.
    Anpacken: Lisa Waschbusch muss gespülte Gläser schleppen. Foto: Anand Anders

    Seinen Glühwein bezieht Luch aus ganz Deutschland. "Ich mache jedes Jahr eine neue Sorte dazu", sagt er. Seine Glühweinauswahl sieht er als Alleinstellungsmerkmal, weshalb er auf dem Weihnachtsmarkt auch keine Konkurrenz unter den einzelnen Ständen sieht. In Weihnachtsstimmung komme ich – anders als meine beiden Kollegen – nicht. "Für mich ist das die schönste Zeit im Jahr", sagt Michael Luch. Ob er froh ist, wenn Weihnachten wieder vorbei ist? "Eigentlich nicht, ich würde gerne noch hier bleiben."

    Am Ende der Schicht bin ich froh, dass Montag ist: kein Gedränge, kein Geschubse. Ein ruhiger Abend. Was unsere Gäste heute zu uns geführt hat? Michael Luch öffnet auf seinem Smartphone die Wetter-App: acht Grad plus.

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