Für Hobby-Archäologen und an der Stadtgeschichte Interessierte wird die alljährliche Begehung der Grabungsstellen rund um den Kappelberg immer mehr zum Jahreshöhepunkt. Nicht weniger als 75 Gerolzhöfer kamen diesmal, um sich von Grabungsleiter Eike Michl die aktuellen Funde vorstellen zu lassen. Diesmal ging es um das hochmittelalterliche Dorf Lindelach, von dem heute bis auf zwei nach der Zerstörung von 1631 wieder aufgebaute Mühlen oberirdisch nichts mehr zu sehen ist. Wohl aber unterirdisch, wie Eike Michl demonstrierte. Die imposantesten Funde waren eine gemauerte Brunnenfassung und ein tiefer Schacht, der ebenfalls ein Brunnen oder eine Latrine gewesen sein könnte.
Erstmals 1151 erwähnt
In den Urkunden taucht Lindelach erstmals 1151 auf. Erst aus dem Beginn des 14. Jahrhunderts sind wieder Schriftquellen bekannt. Das Problem bei diesen Dokumenten: In der Umgebung Gerolzhofens liegen auch andere Ortschaften mit gleichem oder ähnlichem Namen (Lindach), so dass Verwechslungen leicht möglich sind. Es gab auch ein Geschlecht von Ministerialen und Kleinadeligen namens von Lindelach.
Um 1600 mehren sich dann die Quellen. Ende des 6. Jahrhunderts sollen 22 Familien in Lindelach gelebt haben, das ein eigenes Gemeindehaus, aber keine eigene Kirche hatte und zur Pfarrei Gerolzhofen gehörte. In der Zeit der Hexenverfolgung mit dem Höhepunkt 1616 bis 1619 wurden auch Opfer aus Lindelach zum Hauptrichtplatz Gerolzhofen geführt.
Auch ein eigener Wald
Die Lindelacher hatten auch einen eigenen Wald mit 189 Morgen und waren durchaus gutbürgerlich situiert, wie Michl ausführte.
Im Dreißigjährigen Krieg kam dann das Ende. Die mit den Schweden verbündeten Truppen hatten 1631 die Festung Königsberg und wenig später auch Schweinfurt erobert. Von dort zog eine Strafexpedition gegen das immer noch katholische Gerolzhofen. Wohl, um die Städter einzuschüchtern, zerstörten die Truppen Rügshofen und Lindelach. Diese Einschüchterung wirkte; Gerolzhofen ergab sich. Im Gegensatz zu Rügshofen wurde Lindelach bis auf die beiden besagten Mühlen nie mehr aufgebaut. Die Lindelacher zogen in die Stadt Gerolzhofen, wo sie bis ins 19. Jahrhundert noch ein eigenständiges Gemeindeleben führten.
Die Grabungen westlich des Lindelachshofes laufen bereits in der dritten Woche. Eike Michl und seine Helfer – meist Archäologiestudenten von der Uni Bamberg – hatten im Vergleich zum Kappelberg mehr Vorarbeit zu leisten, um in die interessante Zone vorzustoßen. Denn Lindelach liegt in einer Senke, in der sich durch Abschwemmungen eine 80 bis 90 Zentimeter dicke Sandschicht gebildet hat.
„Das könnte spannend werden“
Über die genannten „schönen Siedlungsbefunde“ wie Brunnen oder Latrine hinaus haben die Bamberger bisher keine Mauerreste oder Gebrauchsgegenstände ans Tageslicht gefördert. An einer Stelle zeichnet sich ein Hausgrundriss ab. „Das könnte spannend werden“, so der Grabungsleiter. Alles, was bisher gefunden wurde, ordnet Michl dem 14. bis 17. Jahrhundert zu. „Das passt zu dem, was bisher über Lindelach bekannt ist.“
Die Grabungen sollen heuer bis Ende Oktober dauern. Der Kappelberg und seine Umgebung sind seit 2009 Projekt der Deutschen Forschungsgemeinschaft. „Das ist eine Auszeichnung“, ordnete Michl den Stellenwert ein. Auch die Dr.-Ottmar Wolf-Stiftung und immer wieder die Stadt mit ihrer Logistik haben die seit 2007 laufenden Grabungen unterstützt, bedankte sich der Archäologe.
Die Finanzierung der Grabungen ist allerdings nur bis Anfang 2012 gesichert. So könnte es leicht sein, dass in diesem Jahr die letzte Kampagne war. Danach werden die Grabungsstellen wieder zugeschüttet.
Neben der eigentlichen Grabungsarbeit dokumentieren die Archäologen ihre Funde in Wort und Bild, schreiben ein Grabungstagebuch und beschreiben jeden einzelnen Fund wissenschaftlich. Die Grabungen auf dem Kappelberg und in Lindelach bilden auch das Promotionsthema von Eike Michl.
Eine dreiwöchige Grabungskampagne mit zehn bis zwölf Leuten einschließlich Dokumentation kostet ungefähr 15 000 bis 20 000 Euro. Neben Geldspenden würde sich Eike Michl auch freuen, wenn ab und zu mal jemand eine kleine Brotzeit zu den eifrigen Studenten nach Lindelach bringen würde.
Kleine Feier zum Abschluss
An die Exkursion schloss sich wie immer das bei den Teilnehmern beliebte kleine Sommerfest des Historischen Vereins an, der seine Gäste – diesmal am lauschigen Plätzchen unter der Kastanie vor dem Lindelachshof – wieder aufs Beste bewirtete. Anton Brand unterhielt mit dezenter Musik.
Museumsleiter Bertram Schulz informierte in diesem Rahmen noch über die beiden wiederaufgebauten Mühlen (dazu folgt gesonderter Bericht.)