"Da war schon viel Schönes dabei." Diesen Satz fürchten alle Musikerinnen und Musiker im Studio. Denn er bedeutet: "Das war Mist, alles nochmal!" Sven Peks sagt diesen Satz nie. Behauptet er jedenfalls. "Ich bin guter und böser Cop in einem. Ich sage so klar wie möglich, was mir auffällt und was besser gemacht werden muss."
Sven Peks ist der Inhaber des Tonstudios Audiolodge, seit vergangenen Oktober in Schwanfeld (Lkr. Schweinfurt). Zuvor war es ganz in der Nähe der Konstitutionssäule bei Gaibach - lauschiger Standort, technisch aber wenig geeignet. Also hat der 52-Jährige eine ehemalige Druckerei im Schwanfelder Gewerbegebiet entkernt und komplett neu ausgebaut, mit mehreren Aufnahmeräumen um den Regieraum herum, einer gemütlichen Wohnküche und seit kurzem auch zehn Übernachtungsplätzen.

Wer hier aufnimmt, kann sich komplett aus der Welt zurückziehen. In die Audiolodge kommen alle, die noch handgemachte Musik auf Tonträger bannen wollen. Mit echten Instrumenten, echtem Raumklang und echten eigenen Ideen. Natürlich finden hier auch kommerzielle Produktionen statt, vom Podcast bis zum Imagevideo. Man kann das Studio mieten, mit und ohne Techniker - das ganz normale Geschäft eben.
Warum investiert eine Band in mehrere Tage Studioarbeit?
Aber das Herz von Sven Peks, der selbst lange als Gitarrist in Indiebands unterwegs war, schlägt für die Rockmusik. Er hat aber auch schon mit dem Jazzer Ed Sperber, der BR Bigband oder Max Mutzke zusammengearbeitet. Andreas Kümmert nimmt bei ihm auf, die Berliner Funk-Soul-Band "The Ruffcats", die Sänger Flo Mega oder Matze Rossi.
Eine besondere Verbindung besteht zur Retro-Rockband Jail Job Eve um die Schweinfurter Sängerin Victoria "Toja" Semel und den Gitarristen Benedikt Schlereth aus Langenleiten in der Rhön. Toja und Bene haben Jail Job Eve noch während ihres Popmusik-Studiums in Osnabrück mit dem Keyboarder Jens Niemann und dem Schlagzeuger Josef Röhne gegründet. Später kam Bassist Tim Beckers dazu. Inzwischen gibt es die Band seit elf Jahren, zwei Alben sind bereits erschienen - "The Mission" und "Wildfire" -, das dritte, eine sogenannte EP mit vier bis sechs Songs, entstand dieser Tage in der Audiolodge.

Heute entstehen mit digitaler Hilfe massenhaft massentaugliche Aufnahmen in Kellern oder Wohnzimmern. Was also bringt eine junge Band dazu, in mehrere Tage Studioarbeit zu investieren? Eine CD entsteht hier jedenfalls keine, das lohnt sich längst nicht mehr. Aber eine Scheibe auf Vinyl. Die gute alte Schallplatte ist wieder in. In den USA wurden 2022 erstmals seit 1987 wieder mehr Schallplatten als CDs verkauft.
Und noch ein Faktor ist hinzugekommen: Die Streaming-Portale, die weltweit fast 70 Prozent aller Musikumsätze einfahren. Wer da einen Fuß in die Tür bekommen will, muss in den ersten fünf Sekunden eines Songs überzeugen. Sonst klicken die Interessenten sofort wieder weg. Es braucht also sehr klare musikalische Signale. Sven Peks nennt das "In der Art der japanischen Flagge denken".
Das Studio ist der Ort, an dem die neuen Songs sich einem ersten Härtetest stellen müssen
Aber um kommerzielle Erwägungen geht es hier ohnehin nicht. Keines der Mitglieder von Jail Job Eve muss von der Band leben, einige unterrichten, andere haben mehrere Musikprojekte laufen. "Das gibt uns die Freiheit, die Musik zu machen, die wir wirklich lieben", sagt Toja. Das Studio ist deshalb eher der Ort, an dem die neuen Songs sich einem ersten Härtetest stellen müssen. Da kann es schonmal passieren, dass Produzent Sven Peks eine heißgeliebte Idee mit einem schlichten "Cool ist das nicht" einsargt.

Die Band nimmt live auf. Alle Musiker bis auf die Sängerin sind im selben Raum und spielen die Songs gleichzeitig und am Stück ein, nicht Spur für Spur, Schnipsel für Schnipsel. Der Clou: Die Lautsprecher der Instrumente stehen in je einem eigenen Raum, wo der Ton per Mikrophon aufgenommen wird. So können die Musiker miteinander interagieren und produzieren dabei doch jeder eine komplett eigene, isolierte Tonspur, die anschließend abgemischt werden kann.
Die Philosophie: möglichst wenige Effekte per Elektronik, möglichst viele auf natürliche Art. Musik auf Originalinstrumenten, wenn man so will. Die Hammondorgel etwa ist mit einem Leslie aus den 50er Jahren ausgestattet, dem legendären rotierenden Lautsprecher. Und die Gitarre wird sehr, sehr laut aufgenommen, weil der Marshall-Verstärker aus den 60er Jahren erst dann anfängt, wie gewünscht zu verzerren.
Die Musiker hören sich selbst per Kopfhörer. So kann bei wesentlich weniger Lautstärke gearbeitet werden, was gut für Konzentration und nicht zuletzt Ohren ist. Also wird gefeilt und getüftelt, möglichst ohne dabei den Drive der ursprünglichen Idee zu verlieren. Da entpuppt sich mal ein Refrain als zu wenig markant, eine Passage als zu eintönig. Sven Peks: "Acht Takte das Gleiche, das reicht nicht." Oder Sängerin Toja empfindet eine Anschlussstelle als zu ereignislos: "Da ist ein fettes Loch, bevor ich einsetze, kann die Gitarre da mehr machen?" Und tatsächlich: Bei aller (Selbst-)Kritik kommt kein einziges Mal der gefürchtete Satz: "Da war schon viel Schönes dabei."