"Mark kann seine Schuhe nicht finden. Kannst Du sie sehen, Daniel?" Rebecca ist gerade dabei, den Satz auf Englisch zu übersetzen. Sie grübelt - das Übersetzen fällt ihr schwer. "Weil die Satzstellung im Englischen so anders ist", meint die Zehnjährige. "Ich bin fertig", schreit es von der anderen Seite, und der zwölfjährige Maximilian hält sein Übungsheft in die Luft. Nachhilfelehrerin Gisela Phillips schaut nach, ob er richtig gerechnet hat. Zur Zeit stehen binomische Formeln auf dem Lehrplan. Bei Thomas hingegen - er geht in die sechste Klasse - ist Bruchrechnen angesagt. "Ich finde es so schwierig, die Kürzungszahl zu finden", sagt er verzweifelt. Bemüht erklärt ihm Gisela Phillips nochmal wie's funktioniert.
Die 50-Jährige hat Mathematik studiert und ist pädagogisch ausgebildet. Sie weiß genau, wie sie schwierige Rechenaufgaben geduldig erklären kann und arbeitet seit 20 Jahren für die Schülerhilfe. "Mir macht die Arbeit mit den Schülern einfach Spaß, es gibt keinen Tag, an dem ich nicht einmal herzhaft lache." Auch die Arbeitszeit am Nachmittag kommt ihr gelegen - ihr Mann arbeitet Schicht, so kann sie mehr Zeit mit ihm verbringen.
"Was heißt denn ,wo' auf Englisch?", fragt Rebecca mitten in die konzentrierte Stille hinein. "Na überleg mal", sagt die Lehrerin. Rebecca fasst sich mit der rechten Hand an die Stirn. Überlegt. "Ah, jetzt weiß ich es. ,Where'", sagt sie stolz. Bei den meisten Schülern, so Gisela Phillips, zeigen sich schon nach einigen Wochen oder Monaten Erfolge. "Natürlich müssen sie aber auch mitarbeiten."
Und: Bei der Schülerhilfe gehe es weniger darum, die Hausaufgaben zu machen als vielmehr Übungen zu den Themen, die Probleme bereiten. "Das bringt im Endeffekt mehr, weil die Kinder sich doppelt mit dem Fach auseinandersetzen müssen." Maximal fünf Kinder sitzen in den Kursen. "Sonst wird es zu unruhig, und das Lernen ist nicht mehr effektiv", so Phillips. Um den Überblick zu behalten, sind auch die Schülerprotokolle wichtig. "Da wird nach jeder Stunde hineingeschrieben, was wir mit welchem Schüler gemacht haben." Auch anstehende Schularbeiten und alle Noten werden in eine Liste eingetragen. "So kann gezielt gelernt werden."
Thomas ist fertig mit den Mathe-Aufgaben, die ihm Gisela Phillips gestellt hat. Nervös trommelt er mit den Fingern auf dem Schreibtisch. "Können Sie mal schauen, ob die Aufgabe so richtig ist?" Leider hat sich ein kleiner Fehler eingeschlichen. "Wir machen das jetzt mal zusammen. Wieviel mal passt die 4 in die 24?", fragt Phillips. "Sechsmal", schreit Rebecca und grinst.
Phillips ermahnt sie: "Gib ihm eine Chance." Die Atmosphäre, so erklärt die Nachhilfelehrerin, soll hier nicht so streng wie in der Schule sein. Die Kinder sollen Spaß am Lernen finden: "Wenn es allerdings zu laut wird, dann kann ich auch böse werden." Maximilian grinst, nimmt sein Englischbuch aus der Tasche und beginnt zu lesen. Er ist auch für Englisch angemeldet, soll nun den Text "A brave decision" verstehen und Fragen beantworten.
Der Countdown läuft. Noch fünf Minuten bis zum Schluss. Rebecca ordnet ihre Stifte ins Mäppchen ein. Auch Jan, Thomas und Maximilian sammeln ihre auf dem Tisch ausgebreiteten Bücher zusammen. Rein damit in den Schulranzen, und ab geht's in die Freizeit. Draußen ist schon das Stimmengewirr der nächsten Gruppe zu hören.