Selbst ihre Visitenkarte ist Riemenschneider. Unübersehbar prangt eine geschnitzte Figur aus der Hand des Würzburger Künstlers auf der Vorderseite des Kärtchens von Fukuda Midori. Die Japanerin hat ihr ganzes Leben dem berühmten Bildhauer und Schnitzer aus dem Übergang von der Spätgotik zur Renaissance gewidmet.
Zwei Monate wird sie in Deutschland unterwegs sein auf den Spuren Tilman Riemenschneiders. Für 14 Tage hat sie im Moment ihr Domizil in Kitzingen aufgeschlagen, um von hier aus die Umgebung zu erkunden. Klar, dass sie ihr Weg auch nach Gerolzhofen geführt hat. Dort gibt es bekanntlich das berühmte Kruzifix im Untergeschoss des Gotik-Museums, das Riemenschneider um 1510 geschaffen hat. Und im Obergeschoss der ehemaligen Friedhofskapelle steht in einer Vitrine die beeindruckende Anna Selbdritt aus Breitbach.
In der Stadtpfarrkirche sind an der Nordwand über der Rosenkranz-Madonna aus der Renaissance zwei die Krone haltende Engel zu bewundern, die echte Riemenschneider sind, vermuten Fachleute. Einen kurzen Besuch stattete Fukuda Midori auch dem Heiligen Sebastian in Oberschwarzach ab.
Spontane Unterstützung
Brigitte Wozniak in der Tourist-Information reagierte schnell, als die Tokioterin mit ihrem Riemenschneider-Anliegen im Alten Rathaus vorstellig wurde. Sie rief kurzfristig Stadtführerin Evamaria Bräuer herbei, die bei Besuchen in der Johanniskapelle und in der Stadtpfarrkirche ihr Wissen über Riemenschneider an die 60-jährige, bereits pensionierte Grundschullehrerin weitergab.
Sichtbar ergriffen stand die Riemenschneider-Begeisterte aus Fernost vor den Werken des großen Bildschnitzers aus Würzburg. „Ich bin nicht religiös und gehöre auch keiner Religion an, aber es ist schon einige Male vorgekommen, dass ich beim Anblick von Riemenschneider-Werken weinen musste“, berichtet die Japanerin später über die starke emotionale Wirkung, die der Bildhauer bei ihr auslöst.
1999 ist sie bei einem Besuch in München auf den Künstler gestoßen. Seitdem beschäftigt sie sich unablässig mit ihm. Die Faszination über Riemenschneiders ausdrucksstarke Gesichter, oft mit einem nach innen gekehrten Blick, und die detaillierte Gewandung der Skulpturen hat sie nicht mehr losgelassen.
Fukuda Midori hat viel Material über Riemenschneider gesammelt. 2008 war es dann so weit: Die Tokioterin gab den ersten Bildband über Tilman Riemenschneider in Japan heraus. Die Bilder stellte Johannes Pötzsch aus der Gegend von Rothenburg zur Verfügung. „Ich habe nur ein Thema und das ist Tilman Riemenschneider“, bekennt die zierliche Frau aus der japanischen Hauptstadt. Trotzdem hat sie natürlich auch einen Blick für Land und Leute in Deutschland. „Ich finde es schade, dass meine Landsleute immer nur nach Rothenburg fahren und von alle den andern Schönheiten hier nichts mitbekommen“, sagt sie in gutem Deutsch.
Lange Liste zusammengestellt
Das einzige, was ihr hier nicht so gefällt, sind mangelnde Informationen an den Kirchen. „Vor kaum einer Kirche steht der Name. Ich möchte gern wissen, ob eine Kirche St. Peter und Paul oder wie auch sonst heißt“, kritisiert die Besucherin. Ihre Riemenschneider-Tour hat sie im Vorfeld akribisch zusammengestellt. Zwei Monate hat es gedauert, bis die Route stand, die sie hauptsächlich mit Bus und Bahn bewältigt. Auf der langen Liste, die sie in den zwei Monaten abhaken will, ist kein Ort zu finden, der nicht irgendetwas mit Tilman Riemenschneider zu tun hätte.