Wie oft läuft man am Schweinfurter Marktplatz am RückertDenkmal vorbei. Beim Einkaufen, beim Bummeln, beim Weg ins Bürgerbüro, nach dem Gemüsekauf am Markt. Das Denkmal ist ein beliebter Treffpunkt, ein schöner Ort, um sich mit einem Eis in der Hand mal eine kleine Pause zu gönnen.
Wer hätte sich vorstellen können, dass es einmal nötig sein wird, daheim zu bleiben, soziale Kontakte zu vermeiden. Um so schöner wird es sein, wenn man wieder ganz entspannt am Rückert-Denkmal vorbeilaufen kann, wenn die Corona-Epidemie vorbei sein wird. Dann könnte man sich nach der Pause das Denkmal auch mal genauer anschauen, das seit 18. Oktober 1890 auf dem Marktplatz steht. Deswegen haben wir einen Artikel recycelt, der zum Abschluss des Rückertjahres 2016 erschienen ist.
Ein Denkmal. Auf dem Marktplatz! Friedrich Rückert (1788–1866) hat von solchen Ehren und Ehrungen wenig gehalten. Und natürlich hat er auch diese Abneigung in Verse gefasst:
Seh' ich solch einen ehrnen Mann
Oder aus Stein gehaunen,
Der draußen sich nicht wehren kann
Vor Wind und Wetterlaunen;
Wie ihm der Bart vom Eise starrt,
Und Schnee ihm krönt die Scheitel,
So denk, ich, solch ein Ruhm ist hart,
Und wer ihn wünscht, ist eitel.
Bewahre Gott vor solchem mich,
Daß ich zu Tode frieren
Mich müss? im Tod und jämmerlich
Ein ödes Plätzchen zieren.
Hat nichts genützt. Seit 18. Oktober 1890 thront Rückert auf seinem Sockel auf dem Marktplatz seiner Geburtsstadt Schweinfurt. Obwohl es noch deutlichere Worte von Rückert zum Thema Denkmal in seinem Nachlass gibt:
Sie tun ihr bestes, mich zu verletzen
Und werden mir zuletzt ein Denkmal
setzen
Rückert ist mehr als die von Gustav Mahler vertonten Kindertotenlieder, die zu seinen bekanntesten Werken gehören, hat sich im Jubiläumsjahr gezeigt. Es wäre schade, Rückert jetzt wieder zu vergessen, nur weil in nächster Zeit kein Gedenkjahr ansteht, haben wir damals geschrieben. Jetzt wäre auch eine gute Zeit, um sich mal mit dem Mann auf dem Denkmal auseinanderzusetzen.
Denn Rückert hat weise Dinge gesagt: Dass Weltpoesie Weltversöhnung bedeute, zum Beispiel. Und getan: All die Sprachen, die er beherrschte. Seine Koran-Übersetzung, die bis heute als die poetischste gilt. Sein Bestreben, Orient und Okzident zu vereinen.
Wer mal nicht, wie so oft, achtlos daran vorbeigeht und sich stattdessen Denkmal und Dichter (Entwurf Wilhelm Ruemann und Friedrich Thiersch) genauer anschaut, kann dem Dichter, Übersetzer, Genie näherkommen.
Vor allem, wenn einen Rudolf Kreutner begleitet, damals Kurator der wunderbaren Ausstellung „Der Weltpoet“ in der Kunsthalle und Geschäftsführer der Rückert-Gesellschaft.
Versonnen schaut der Denkmal-Rückert, in sich gekehrt. Eine Hand liegt auf einem Buch. Wahrscheinlich ein orientalisches Werk, dafür spricht das Format, sagt Kreutner. Wer vor ihm steht, sieht links, zu Füßen des Dichters, die vaterländischen Gedichte in einer Frauenfigur symbolisiert. Sie hält eine Leier, ist mit Schwert und Harnisch ausgestattet: Hinweis auf die Geharnischten Sonette, die Rückert im Befreiungskrieg schrieb. Auf der anderen Seite der Gegenpol: der Orient. Ein Assyrerkopf, eine Schriftrolle, wohl mit aramäischer Schrift, so Kreutner, steht für ein anderes großes Werk Rückerts: Die Weisheit des Brahmanen.
Ganz so erhaben wie die Symbolik des Denkmals ist seine Geschichte nicht. Schon zu Lebzeiten Rückerts kam die Idee auf, ihm ein Standbild zu errichten. Das war der Stadt aber zu teuer, man entschied sich für eine Bronzetafel am Geburtshaus am Marktplatz. Als aber Preußenkönig Wilhelm I. und Queen Victoria den Bau einer Kolossalbüste Rückerts in Coburg unterstützten, geriet die Stadt in Zugzwang, so Kreutner.
Das Denkmal sollte über eine Lotterie finanziert werden, Schriftsteller warben für das Projekt, Königshäuser zeigten sich spendabel. Das Geld reichte dennoch nicht. Die Spenden aus Schweinfurt flossen nicht so reichlich. „Sparbrenner“, sagt Kreutner. Blieb nur noch der Bittbrief nach München: Die Spendensammlungen hatten 13 560 Mark eingebracht, das musste die Stadt auf 20 000 aufstocken. 25 000 Mark kamen aus München.
„Die Einweihung war ein Riesenevent“, sagt Kreutner. Drei Tage wurde 1890 gefeiert. Es war alles da, was Rang und Namen hatte. Auch Familie Rückert.
Beinahe hätte übrigens Johannes Brahms eine Ouvertüre zum Festakt komponiert. Er war mit der Rückert-Tochter Marie befreundet. Der Brief mit dem Komponier-Auftrag kam allerdings nicht rechtzeitig an. Das Stadtarchiv bewahrt einen Brief von Brahms: „Ich wäre hochbeglückt gewesen, auch meinerseits dem großen Sohn Ihrer Stadt ein Zeichen höchster Verehrung geben zu können.“ Vielleicht hätte ja wenigstens das Rückert gefallen.
Zum Schluss noch ein Rückert-Zitat, das gut auf die momentane Situation passt:
Kehr' in dich still zurück,
ruh' in dir selber aus,
so fühlst du höchstes Glück.