Die Stadt Schweinfurt hat nach achtjähriger Pause erstmal wieder den von ihr 1963 begründeten und mit 10.000 Euro dotierten Rückert-Preis verliehen. Er ging an einen der weltweit renommierten Rückertforscher und -herausgeber, den Schweinfurter Dr. Rudolf Kreutner. Er war seit 1996 Geschäftsführer und bis 2022 Vorsitzender der Rückert-Gesellschaft.
Oberbürgermeister Sebastian Remelé begründete die lange Aussetzung der Preisverleihung einerseits mit der Corona-Pandemie, aber andererseits auch mit einem nachlassenden Interesse am Werk und an der Person Rückerts, die heute für viele kein Begriff mehr seien, "ein bisschen in Vergessenheit geraten sind".
Der OB nannte Kreutner in einem stilvollen Festakt in der Rathausdiele (musikalisch ausgestaltet von der Pianistin Inga Leis mit Beethoven, Rachmaninow und Gershwin) eine Persönlichkeit, die "Rückert wie kein anderer kennt". Kreutner habe die Ehrung hochverdient. Dabei verwies er auf die intensive Forschungsarbeit und die zahlreichen wissenschaftlichen Publikationen Kreutners und auf erfolgreiche Ausstellungen, wie "Der Weltpoet" zum 150. Todestag 2016, die ohne ihn nicht denkbar gewesen wäre.

Der seit gut einem halben Jahr amtierende Vorsitzende der Rückert-Gesellschaft, der Würzburger Literatur-Professor Maximilian Bergengruen, betonte, Kreutner habe sich nicht nur um die Erforschung der Vita, sondern auch um die Edition der Werke Rückerts verdient gemacht wie kein Zweiter. In diesem Zusammenhang erinnerte er an das Jahr 1998, als der Startschuss für eine neue Rückert-Edition gefallen sei, nämlich die Herausgabe des Doppel-Bandes "Die Weisheit der Brahmanen", zusammen mit dem dann früh gestorbenen Hans Wollschläger.
Elegant umschifft wurde während des Festaktes der Konflikt zwischen Kreutner und der Stadt. Der damalige Vorsitzende hatte mangelnde Unterstützung beklagt und war zurückgetreten. Bergengruen ging nur kurz darauf ein, als er sagte, dass seit einiger Zeit ein "Prozess der Versöhnung" zwischen Stadt und Rückert-Gesellschaft wahrzunehmen sei.

Laudator Prof. Thedel von Wallmoden (Universität Heidelberg) beschäftigte sich zu Beginn seiner Rede mit dem Gedicht "Ein guter Tag". "Ein guter Tag ist für den Geist ein Erntetag." Rückert habe sich mit großer Klarheit, mit der Beschaffenheit der Welt beschäftigt und mit seiner Dichtung eine Welt der Phantasie eröffnet. Weltpoesie sei Weltversöhnung.
2600 handschriftlich verfasste Seiten Rückerts aus dem Stadtarchiv lesbar gemacht
Rückerts komplett erhaltener Nachlass sei sehr spät herausgegeben worden. Im Stadtarchiv liegen 2600 handschriftlich verfasste Seiten, die mit viel Mühe und Einsatz von Kreutner übertragen und in sechs Bänden publiziert wurden. Dabei habe er Immenses geleistet, betonte von Wallmoden. Die Preisverleihung wollte der Laudator nicht als krönenden Abschluss, sondern als Zwischenstation im Leben des Historikers sehen und wünschte sich eine vollständige Edition des Liedertagebuches. "Dazu möchte ich sie eindringlich ermutigen."

In seiner Dankesrede folgte der Preisträger seinen persönlichen Erinnerungen an Rückert, dem man schon in der Grundschule nicht habe entrinnen können. Kreutner hat in Erlangen, wo Rückert einst lehrte, studiert. 1988 benötigte das Stadtarchiv eine zusätzliche Kraft, um die 1957 erworbene "Sammlung Dr. Rüdiger Rückert" zu bearbeiten. "Worauf ich mich eingelassen habe, vermochte ich natürlich nicht einmal nur andeutungsweise erfassen. Angesichts von 20.000 Gedichten und Übersetzungen, die unveröffentlicht im Stadtarchiv ruhten, kann man keineswegs behaupten, dass sich Rückert leicht umarmen ließe." Der Einsatz für ihn und sein Werk in 44 Sprachen sei es ohne Einschränkung wert gewesen.

Über die Ehrung sei er hocherfreut, sagte Kreutner und schloss mit dem bekannten Reim "Von allen Ehren mir am meisten werth ist die, womit die Vaterstadt mich ehrt."