Ganz unauffällig hängt es an der Ladentür, das kleine Schild mit der Aufschrift „Slow Baking“. Zwischen den beiden Wörtern ist eine Schildkröte abgebildet, die statt des Panzers einen steinernen Backofen trägt. Nur wenigen Kunden wird das kleine Schild an der Tür der Bäckerei Kleinschrodt aufgefallen sein.
Dabei unterstreicht es die Philosophie des Hauses: Selber backen statt auf Fertigprodukte zurückzugreifen. Das Schild „Slow Baking“ hängt nicht zufällig an der Tür, es zeigt die Mitgliedschaft der Bäckerei in dem gleichnamigen Verein, der vor vier Jahren gegründet wurde. Zertifiziert ist der Betrieb bisher noch nicht. Die Schildkröte ist das Abzeichen des Vereins. Der Anglizismus lässt eine neue Technik vermuten, doch Slow Baking meint so viel wie die Rückkehr zur alten Backtradition, also Backen wie früher.
Das bedeutet in der Praxis: Der Bäcker verwendet keine industriellen Fertigmischungen, stattdessen frische und qualitätsvolle Zutaten und er lässt den Teig lange reifen.
„Nach den siebziger und achtziger Jahren, in denen die Tendenz zum schnellen Backen aufkam, tritt jetzt wieder der Rückwärtstrend ein“, analysiert Martin Lindner, Inhaber der Bäckerei Kleinschrodt.
Zufällig fiel dem gelernten Bäcker- und Konditormeister vor zwei Jahren ein Prospekt über Slow Baking in die Hand. Er wusste sofort: „Das ist es. Die Grundsätze beschreiben genau unsere Philosophie.“ Denn schon bevor die Lindners Mitglieder des Vereins Slow Baking wurden, verzichteten sie auf Fertigprodukte und verwendeten qualitätsvolle Zutaten.
„Gerade als kleine Bäckerei muss man sich absetzen, um aufzufallen“, erklärt Lindner. Denn: „Wenn man im Strom mitschwimmt, fällt man nicht auf.“ Also wurden Lindner und seine Frau Ulrike vor zwei Jahren Mitglieder des Vereins Slow Baking, nahmen sich mehr Zeit beim Kneten des Teigs: 20 Minuten statt der üblichen sechs bis acht Minuten. Das Ehepaar setzte beim Brotbacken weiterhin auf Steinplatten statt auf Bleche.
Die meisten Zutaten bestellt Martin Lindner in der Region. „Wenn die Zwetschgenzeit vorbei ist, gibt es bei uns auch keinen Zwetschgenkuchen mehr, dann stehen eben Krapfen auf dem Programm.“
Der Aufwand ist größer, wenn man nach der Philosophie von Slow Baking arbeitet. Die Arbeit ist zeitintensiver, als wenn man auf Fertigprodukte zurückgreifen würde. Koriander oder Haferflocken mahlt der Gerolzhöfer grundsätzlich selber. Auch Kümmel röstet er eigenständig ab. Pudding kocht Lindner frisch, Mohn quetscht er eigenständig aus.
Am Beispiel Ciabattabrot zeigt sich der Unterschied zu früher deutlich: Lindner setzt den Teig mit wenig Hefe an, lässt ihn einen Vormittag lang stehen. Anschließend steht der Teig 18 bis 20 Stunden in der Kühlung, bis er auf Steinplatten gebacken wird. Ein Tag Zubereitungszeit, womit man eigentlich in zwei Stunden fertig sein könnte – lohnt sich der Aufwand überhaupt?
„Manchmal“, gibt Martin Lindner zu, „ist es schon schwierig, da alles genau auf den Tagesplan abgestimmt sein muss. Aber es lohnt sich auf jeden Fall.“ Durch die lange Reifezeit und die wenigen Hilfsstoffe sind die Backwaren geschmacksintensiver. Dass dies bei den Käufern ankommt, zeigt auch die Kundschaft, die teils aus Volkach, Schweinfurt und Haßfurt kommt.
„Teurer“, meint Ulrike Lindner, „sind die Backwaren durch unsere Art des Backens nicht.“ Die jüngsten Preiserhöhungen seien vielmehr auf die gestiegenen Kosten zurückzuführen.
Slow Baking, nur ein Trend oder vielleicht etwas Beständiges, das sich durchsetzen kann? „Gerade für die Kleinbäckereien könnte diese Art des Backens interessant werden“, glaubt Lindner. Er will auf jeden Fall dabei bleiben.
In Zukunft liegt aber noch jede Menge Arbeit vor ihm. Denn: „Slow Baking lässt sich nicht sofort umsetzen“, so Lindner. Wie der Name schon sagt, braucht die Umstellung viel Zeit. So wird es vermutlich auch noch ein bisschen dauern, bis der Begriff Slow Baking in aller Munde ist. Vielleicht findet für den Anfang wenigstens das kleine Schild an der Tür der Bäckerei Kleinschrodt zukünftig mehr Beachtung.