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Gerolzhofen: Saleh Nemrs künstlerische Auferstehung

Gerolzhofen

Saleh Nemrs künstlerische Auferstehung

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    Der seit 2015 in Gerolzhofen lebende, aus Syrien stammende Bildhauer Saleh Nemr stellt vom 11. bis 30. April rund 40 seiner Skulpturen im Alten Rathaus in Schweinfurt aus. Das Bild zeigt ihn bei der Arbeit an einer Plastik in der Werkstatt des Gerolzhöfer Steinmetz Florian Tully. Die Fische gelten in seiner mesopotamischen Heimat als Symbol für die Auferstehung.
    Der seit 2015 in Gerolzhofen lebende, aus Syrien stammende Bildhauer Saleh Nemr stellt vom 11. bis 30. April rund 40 seiner Skulpturen im Alten Rathaus in Schweinfurt aus. Das Bild zeigt ihn bei der Arbeit an einer Plastik in der Werkstatt des Gerolzhöfer Steinmetz Florian Tully. Die Fische gelten in seiner mesopotamischen Heimat als Symbol für die Auferstehung. Foto: Norbert Vollmann

    Es ist immer wieder die nach oben offene Deutungsskala, die Saleh Nemrs Skulpturen gemein ist. Genauso wie der Drang, sie am liebsten anfassen und buchstäblich begreifen zu wollen. Weiter nach oben geht es jetzt auch mit der künstlerischen Bekanntheit und Anerkennung des 47-jährigen Kurden aus Syrien in seiner unterfränkischen Wahlheimat. Das zeigen in Schweinfurt und Würzburg anstehende Ausstellungen.

    Auch in der kurdischen Heimat ist das Interesse an Saleh Nemr weiterhin groß. So hat sich ein kurdischer Fernsehsender für die Vernissage jetzt am Donnerstag in Schweinfurt angesagt. Es verwundert nicht. Zuhause war der sehr gut Deutsch sprechende Nemr ein erfolgreicher und mehrfach ausgezeichneter Bildhauer, bevor er vor dem Krieg flüchtete und den Schritt in eine ungewisse Zukunft wagte.

    Der nicht enden wollende Bürgerkrieg und die Verfolgung der Kurden als ethnische Minderheit in Syrien haben den hochkarätigen Künstler im April 2015 übers Meer nach Gerolzhofen gespült. Seitdem lebt er mit der nachgekommenen Familie in der Stadt, wo ihn von Anbeginn an eine enge Künstlerfreundschaft mit Florian Tully verbindet. Hier in Franken ist im Oktober 2015 auch der jüngste und dritte Sohn der Nemrs zur Welt gekommen.

    Der "rote Hahn" aus Nussbaum, geschaffen 2017. 
    Der "rote Hahn" aus Nussbaum, geschaffen 2017.  Foto: Florian Tully

    Saleh Nemrs Werke hinterlassen bei genauerer Betrachtung tiefen Eindruck. Da ist etwa der rote Hahn über der zerstörten und brennenden Stadt. Ein Fingerzeig auf den furchtbaren Bürgerkrieg, der seit 2011 in Syrien tobt. Der rote Hahn aus Nussbaum ziert auch die Einladung und den Katalog der Ausstellung vom 11. bis 30. April in der Ausstellungshalle des Alten Rathauses in Schweinfurt. Sie trägt den Titel: „Schatten von Gestern / Sehnsucht im Heute / Zukunft formt sich“.

    Die Sehnsucht im Heute formt die Zukunft

    Die Stabsstelle „gerne daheim in Schweinfurt“ unterstützt die Ausstellung. Matthias Kreß, Integrationsbeauftragter der Stadt Schweinfurt, ist sich sicher: „Die ‚Sehnsucht im Heute‘ vieler nach Deutschland oder Schweinfurt Geflüchteter liegt in der sozialen Integration und der gleichberechtigten Partizipation am gesellschaftlichen Leben, nur damit lassen sich die ‚Schatten von Gestern‘ überwinden, sodass sich eine erfolgsversprechende Zukunft formen kann“.

    Saleh Nemr ist auf dem besten Weg dazu. Der Künstler pflegt einen figurativen Stil in abstrakter und stilisierter Form. Seine Vielseitigkeit kommt in den unterschiedlichen Materialien zum Ausdruck, in denen er unterwegs ist. Die Bandbreite reicht von Holz  über Stein bis zum Metall.

    Dass er aus einem kulturell vielfältig geprägten Landstrich mit heute vor allem kurdisch bestimmten Gebieten des Nordostens Syriens kommt, lässt sich auch an den verwendeten mesopotamischen Symbolen aus den sogenannten Zweistromland zwischen Euphrat und Tigris ablesen. Die Fische stehen dort nach altem Brauch zum Beispiel für die Auferstehung. So stehen sie irgendwie auch für Saleh Nemrs künstlerische Auferstehung in Deutschland.

    Neue und aus Syrien gerettete Arbeiten

    Skulptur aus Metall (Bronze), geschaffen 2003.
    Skulptur aus Metall (Bronze), geschaffen 2003. Foto: Florian Tully

    Unter den rund 40 Skulpturen, die Nemr in Schweinfurt präsentiert, befinden sich neben neuen auch einige ältere Arbeiten, die er noch in seiner Heimat gefertigt hat.

    Einem guten Freund war es gelungen, einen Teil seiner Skulpturen aus Syrien heraus in ein kurdisches Museum im Irak zu bringen. Von dort kamen sie nach Deutschland. Vier Wochen sollte es allerdings dauern, bis der Zoll auf dem Flughafen in Leipzig die auf abenteuerliche Weise geretteten Arbeiten endgültig frei gab.

    Das Bildhauen hat Saleh Nemr auch in schwierigen Zeiten mit am Leben erhalten und so sagt er aus tiefster Überzeugung: „Unseren Augen bleibt es nur, von einer besseren Zukunft zu träumen und die Hände nach besserem Wissen zu öffnen. Glaub mir, der Mensch bleibt nicht durch Fortpflanzung am Leben.“

    Skulpturen, die zum Anfassen einladen

    Professor Dr. Andreas Jacob, Rektor an der Universität der Künste in Folkwang, beschreibt Saleh Nemrs Skulpturen wie folgt: „Sie laden zum Anfassen ein, organische Formen und Rundungen, insbesondere bei den Holzskulpturen direkt aus dem Material gewonnen, ermuntern zur Annäherung an die Kunstwerke. Gleichzeitig rufen sie den Betrachter auch zum Fragen auf, denn so deutlich die abstrahierende Formensprache auf Personen, Gegenstände oder Geschehnisse verweist, so sehr entziehen sie sich einer schnellen und eindeutigen Kategorisierung.“

    Skulptur aus Carrara Marmor, geschaffen 2007
    Skulptur aus Carrara Marmor, geschaffen 2007 Foto: Florian Tully

    Saleh Nemr gibt seinen Kunstwerken nur selten einen Namen. Vielmehr möchte er dem Betrachter die Freiheit lassen, selbst eigene Ideen und Interpretationen zum Kunstwerk zu entwickeln.

    Doch auch ohne Titel hat jede Skulptur ihre Geschichte und Bedeutung, egal ob es um einen sozialen, politischen oder gesellschaftlichen Hintergrund oder einfach nur um das Thema Schönheit geht. Ein bis zwei Monate arbeitet er im Schnitt jeweils daran, bis das Werk fertig ist und seinen Meister lobt.

    In seiner Heimat war Saleh Nemr, wie erwähnt, ein erfolgreicher Bildhauer mit zahlreichen Ausstellungen und Arbeiten im öffentlichen Raum. Zuletzt hatte er als Lehrer für Bildende Kunst und Geschichte die Klasse für Metallverarbeitung am Institut für Angewandte Kunst in Damaskus geleitet, wo er selbst studiert hatte.

    Die Flucht vor dem Assad-Regime

    Wie andere Künstler und Intellektuelle sah er sich gerade als Kurde zuletzt immer stärkeren Repressionen im Assad-Regime ausgesetzt. 2012 musste er aus Syrien fliehen. Über die Autonome Region Kurdistan im Irak und die Türkei kam er 2014 in Deutschland an. Über Zwischenstationen kam er hier 2015 nach Gerolzhofen.

    Skulptur aus Sandstein, geschaffen 2016.
    Skulptur aus Sandstein, geschaffen 2016. Foto: Florian Tully

    Dankbar ist Saleh Nemr von Anfang an dafür, mit dem Gerolzhöfer Steinmetz und Künstler Florian Tully in dessen Werkstätten in Gerolzhofen und Handthal arbeiten zu dürfen. Eines Tages war der Syrer bei Tully aufgetaucht und hatte ihn gefragt, ob er seine Werkzeuge benutzen könne. Es war der Beginn einer engen Künstler-Freundschaft.

    Arbeitsstelle im Steigerwald gefunden

    Um eine feste Arbeitsstelle in der Gegend zu finden, hat Saleh Nemr in Deutschland  den Führerschein gemacht. Seit kurzem ist er nun zu seiner großen Freude in einem Steinmetzbetrieb im Steigerwald untergekommen.

    Größere Ausstellungen seit seiner Zeit in Deutschland hatte Saleh Nemr im Dezember 2016 in Bonn zum Thema Migration und Integration sowie 2017 sowohl an der Folkwang-Universität der Künste in Essen, erste Adresse für Kunststudenten in Deutschland, als auch in der Sparkassenfiliale in Gerolzhofen.

    Die nächste Ausstellung steht bereits an

    Skulptur aus syrischem Marmor, geschaffen 2003.
    Skulptur aus syrischem Marmor, geschaffen 2003. Foto: Florian Tully

    Auf die Skulpturen-Ausstellung im Alten Rathaus in Schweinfurt folgt parallel dazu ab 27. April in Würzburg eine Gruppenausstellung von fünf neuen Mitglieder des Berufsverbandes Bildender Künstler (BBK) in der BBK-Galerie im Kulturspeicher, an der Saleh Nemr mit einer Auswahl seiner Werke beteiligt ist.

    Mit der Überlassung von Skulpturen aus seiner Hand bringt Saleh Nemr immer wieder seinen Dank sowohl für die Aufnahme der syrischen Flüchtlinge als auch persönlich für die ihm zuteil gewordene Starthilfe in ein neues Leben zum Ausdruck.

    In Gerolzhofen sind Plastiken von Saleh Nemr etwa im Geomaris mit der Holzskulptur „Weg über das Meer“, in der zum Schulzentrum führenden Allee in der Dreimühlenstraße mit dem aus dem Stamm einer maroden Kastanie herausgearbeiteten, Bücher balancierenden Skater und im Waldkindergarten im „Mahlholz“ öffentlich sichtbar. In Schweinfurt stehen Werke von ihm im öffentlichen Raum im Pausenhof der Friedenschule und in der Geschäftsstelle der Lebenshilfe.

    Die Skulpturen-Ausstellung von Saleh Nemr im Alten Rathaus am Markt 1 in Schweinfurt ist vom 11. bis 30. April jeweils von Montag bis Freitag von 11 bis 18 Uhr sowie Samstag und Sonntag von 10 bis 16 Uhr geöffnet. Der Eintritt ist frei.

    Skulptur aus Holz (Pflaume), geschaffen 2013.
    Skulptur aus Holz (Pflaume), geschaffen 2013. Foto: Florian Tully
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