Wenn sich im Theater der Choreograf und Tänzer Peter Breuer mit seinem Salzburg Ballett angesagt hat, kann man sich getrost auf einen außergewöhnlichen Tanzabend freuen. Zum Saisonende präsentierte der Ballettdirektor des Salzburger Landestheaters an zwei Abenden sein neues Werk „Ballett ,n' Blues“. Darin beleuchtet er in einer Art Nummernrevue alle Facetten des Musikstils Blues, der ja die Stammwürze für Jazz, Rock 'n' Roll und Soul ist.
Die Geschichte eines dem Blues verfallenen jungen Gitarristen wird von Breuers exzellenter Compagnie mitreißend in faszinierende Bilder umgesetzt. Der Beifall steigert sich von Szene zu Szene. Nach dem Finale bitten die Tänzerinnen und Tänzer die Mutigen aus dem Publikum mit auf die Bühne und alle, voran ein glücklicher Maestro Peter Breuer, huldigen dem Blues.
Blueslegende Al Cook
Vor allem die Live-Band um die österreichische Blueslegende Al Cook sorgt für ständig steigende Temperaturen. Mit Charlie Lloyd am Piano und Harry Hudson am Schlagzeug thront der Gitarrist und Sänger auf einer Empore im Bühnenhintergrund. Von dort pumpen die drei Musiker mit schreienden Gitarrenriffs, heißen Schlagzeugbreaks, hämmernden Pianoakkorden und mit Bluenotes gesättigten Harmonien einen vorwärtsdrängenden Rhythmus in Richtung Tänzer und Publikum.
Dazwischen gibt es auch einige ausgesuchte Tonaufnahmen aus der internationalen Bluesszene.
Während Al Cook seinen „Lonesome Time Blues“ spielt, begegnen uns gleich drei Hauptfiguren des Balletts: Joe „Lemon“ Jackson (Diego da Cunha) ist der junge Gitarrist, der wie elektrisiert den für ihn neuen Bluesklängen zuhört und sie in erste Tanzschritte umsetzt. Aus der Ferne wird er dabei von Louis Cypher (Josef Vesely) fixiert, der sich Joe bald nähert und sich ihm als erfahrener Freund anbietet. Stets in Louis' Gefolge die verführerische Lola (Cristina Uta) als seine folgsame Helferin.
Louis wird sich bald als falscher Freund entpuppen, der Joe zwar die ersehnte Karriere eines Popstars verspricht, doch dafür auch etwas fordert.
Faust-Mephisto-Hintergrund
Breuer und Dramaturg Tobias Hell lassen ihre Geschichte bewusst vor einem Faust-Mephisto-Hintergrund spielen - ein raffinierter Schachzug.
Louis versucht, den unerfahrenen Joe mit allen Mitteln zum Abschluss eines Abhängigkeits-Vertrags zu überreden: Er führt ihm Frauen zu, verspricht ihm Plattenverträge, gaukelt ihm die Wonnen von Rauschgift vor, zeigt ihm die Schönheiten der Welt.
Hier einige Höhepunkte aus diesem schillernden Blues-Kaleidoskop, das Breuers engagierte Truppe mit großartiger Präsenz und Leidenschaft, tänzerischem Können und ausdrucksstarker Körpersprache zum Funkeln bringt. Da ist einmal im Moskau-Bild der erotisch aufgeladene Pas de deux von Joe und Ljudmila, den da Cunha und Lilija Markina zu einem knisternden Liebesspiel gestalten. An der Copacabana trumpft das Ensemble mit einer Choreografie unbeschwerter Lebensfreude auf.
Und in Wien schneit es. Hubert von Goisern singt in seinem „Kokain Blues“ vom Priserl Schnee und Mitzi und Marie brillieren mit Joe und Louis in einem Pas de quatre. Eindrucksvoll und fast beklemmend Breuers Umsetzung von Joes Kokain-Rausch: Vor seinen Augen vermischen sich seine bisherigen Erlebnisse, bruchstückhaft, verschwommen und quälend zieht alles an ihm vorbei.
Tanz der Verzweiflung
Die Kehrseite vom Drogenkonsum zeigt Janis Joplin, ausdrucksvoll getanzt von Karine de Matos. Ihr Tanz der Verzweiflung zu „Cry Baby“ endet mit einer tödlichen Überdosis. Schlägereien, Gewalt gegen Polizisten führen Joe ins Gefängnis, wo er mit anderen Häftlingen in perfekten Synchronbewegungen den „Folsom Prison Blues“ als Protest gegen die dortige Schikane tanzt. Joes Umkehr beginnt nach einer Predigt von Reverend Frank mit einem swingenden Gospelchor. Später taucht dann doch noch seine große Liebe Angel auf. Mit Anna Yanchuk tanzt da Cunha einen wunderschönen Pas de deux voller Liebe und Zärtlichkeit. Jetzt fühlt er sich frei und stark - mit hohen Sprüngen erobert er sich seine Welt. Bis Mephisto Louis ihm dieses Glück zerstört.
Im Finale „Boogie Alley“ vereinen sich alle Tänzerinnen und Tänzer zu einem riesigen Spektakel sprühender Lebensfreude. Bravos, Begeisterungspfiffe und Beifallsstürme für den unermüdlichen Peter Breuer und seine vitale Compagnie. Wir freuen uns auf den nächsten Besuch und sind sicher, dass der Geschichtenerzähler Breuer dafür wieder etwas Spannendes im Gepäck hat.