Schade, das war ein Satz mit X. Unter dem Bürgerspital befindet sich doch kein unbekannter Keller. Und leider gibt es auch keinen Schatz in dem abgemauerten Gewölbe, das man jüngst bei Bauarbeiten vermeintlich entdeckt hatte. Die Stadt Gerolzhofen muss nun also sehen, wie sie die zu erwartenden Gewerbesteuerausfälle anderweitig kompensieren kann.
Mitarbeiter des städtischen Bauhofs hatten vor wenigen Wochen begonnen, an der westlichen und nördlichen Seite des Bürgerspitals, dort wo der Lesesaal des Stadtarchivs und die Musikschule untergebracht sind, außen den Verputz abzuklopfen, weil es zu Schäden durch aufsteigende Feuchtigkeit gekommen war.
An der Westseite kamen dabei im Mauerwerk drei Merkwürdigkeiten zum Vorschein: ein zugemauertes Fenster, ein zugemauertes, recht gut erhaltenes Türgewände und ein ebenfalls halbrunder, nicht mit dem umgebenden Mauerwerk verzahnter Bereich, wo früher offensichtlich eine weitere Tür war, die dann samt Türgewände entfernt und vermauert worden war. Alle drei Funde liegen nur knapp über dem heutigen Bodenniveau, was dafür spricht, dass der Bereich irgendwann einmal aufgefüllt worden ist.
Als die Bauhofmitarbeiter innerhalb des zugemauerten Türgewändes einige lose Steine entfernten, war die Überraschung groß, als sich dahinter ein Hohlraum auftat (wir berichteten). Gab es unter dem Spital einen noch unbekannten Keller? Und haben die Gerolzhöfer Urahnen zu Kriegszeiten vielleicht etwas Wertvolles darin versteckt? Gibt es gar einen Schatz zu entdecken? Ernsthaft glaubte natürlich niemand daran. Aber man wird ja noch ein bischen spinnen dürfen.
Mehrere Umbauten
Derartige Schatzgräber-Fantasien haben sich jetzt aber zerschlagen. Ein Blick in die umfangreich im Stadtarchiv erhaltenen Rechnungen des Spitals „Unserer lieben Frau“ zeigt, dass der Gebäudekomplex mehrere Male massiv umgebaut wurde. Ausgangspunkt war eine so genannte Stadtadelsburg an der Südseite der inneren Stadtbefestigung. Zuletzt war das große Anwesen im Besitz der Brüder Conrad, Stephan und Wilhelm Zollner von Hallberg gewesen, ehe das aus Schweinfurt stammende, seit 1389 in Gerolzhofen wohnende Ehepaar Anna und Betz Rucker den Komplex im Jahre 1396 von den Rittern abkaufte, um ihn in ein „ewiges Spital“ umzuwandeln.
Ab 1581 begannen unter Fürstbischof Julius Echter Modernisierungsarbeiten. Unter anderem wurde eine Halle als Verbindung zwischen dem südlichen ehemalige Stadtadelsturm und einem nördlichen Gebäude gebaut. An einem Balken der Fachwerkkonstruktion dieses Zwischenbaus hat sich der Fürstbischof als mächtige Figur bis heute sichtbar darstellen lassen. Um auch weiterhin eine Zufahrtsmöglichkeit zum Spitalgarten auf der Westseite zu haben, wurden im Erdgeschoss zu beiden Seiten des neuen Zwischenbaus zwei mächtige, noch heute erhaltene Tore eingebaut.
Neue Raumaufteilung
Im Zuge dieser Bauarbeiten unter Fürstbischof Echter wurde auch das vermutlich zunächst einzeln stehende nördliche Gebäude in den Gesamtkomplex integriert und nach Norden hin noch vergrößert. Die dann erfolgte neue Raumaufteilung dürfte – gesichert ist es nicht – auch dazu geführt haben, dass das jetzt wiederentdeckte Fenster an der Westseite zugemauert wurde.
Was hat es aber nun mit dem zugemauerten Türgewände auf sich? Zunächst muss man wissen, dass sich unter dem Spitalkomplex drei Gewölbekeller befinden. Da ist zum einen der Keller unter der Kapelle, der über eine Treppe erschlossen wird, die im nördlich an die Kapelle abgebauten Kellerhäuschen beginnt.
Dann gibt es einen kleineren Keller unter der ehemaligen Stadtadelsburg am Süd-West-Eck, in dem sich zu Zeiten, als der Keller von der Familie Gerhard Schwab noch gastronomisch genutzt wurde, die Theke befand. Der Zugang zu diesem Keller führte ursprünglich auf der Ostseite vom Hof aus hinab in die Tiefe. Diese Treppe wurde aber abgerissen, als das Spital in das heutige Bibliothek- und Begegnungszentrum umgebaut wurde.
Der dritte Keller, gemeinhin bekannt als der „Spitalkeller“, befindet sich unter der Halle und dem Echter'schen Querbau. Dort standen die Tische und Bankreihen für die Schwab'schen Weinproben. Der Zugang erfolgt heute über das moderne Treppenhaus. Früher gelangte man in diesen Keller ebenfalls über den östlichen, jetzt abgebrochenen Treppenhals. Dazu waren der kleine Keller unter dem Stadtadelsturm und dieser große Keller miteinander verbunden worden. Noch heute sieht man an der Nahtstelle beider Keller ein großes Sandsteingewände, an dem einst zur Abtrennung ein Tor angeschlagen war.
Allerdings bestand nicht von Anfang an eine Verbindung zwischen diesen beiden Kellern. Der große Spitalkeller hatte einen eigenen Eingang – und jetzt kommt das wiederentdeckte Gewände an der westlichen Außenwand ins Spiel. An der nördlichen Stirnseite des großen Kellers kann man jetzt wieder, da nach Jahrzehnten die hölzerne, bemalte Wandverkleidung entfernt worden ist, einen ehemaligen Ausgang erkennen. Sauber behauene Eckquader mitten in der Wand bezeugen dies. Dieses ehemalige Portal ist mit kleineren Steinen zugesetzt, die weder zu den Seiten noch zur Gewölbedecke mit ihrer Umgebung verzahnt sind. Wohin diese Treppe geführt hat, scheint klar: hoch zu einer der wieder entdeckten Türen an der Westseite.
Inzwischen haben Mitarbeiter des Bauhofs auch einige kleine Steine aus der zugemauerten Tür unten im großen Spitalkeller entfernt. Das Ergebnis: Dahinter ist kein Hohlraum. Sondern nur festgestampftes Füllmaterial, durchsetzt mit Keramikresten aus der Renaissance. Auch bei der Sondierung oben am Spitalgarten hat man, als nun weitere Steine entfernt wurden, dann doch keinen größeren Hohlraum entdeckt, sondern nur eine räumlich begrenzte Setzung des Füllmaterials.
So wird es wohl gewesen sein: Unter Julius Echter wurde das Spital erweitert und modernisiert. Weil dabei auch die nördlichen Gebäude vergrößert wurden, war der alte Zugang zum großen Keller, insbesondere der gewölbte Kellerhals, im Weg. Die Treppe wurde abgebrochen, der gewölbte Treppenhals eingeebnet und komplett mit Schutt verfüllt, oben im Garten und unten im Keller wurden die Türen zugemauert. Dafür wurde ein neuer Eingang zum großen Spitalkeller über den kleinen Keller geschaffen.
Bleibt noch die Frage, was es mit der zweiten entdeckten Tür auf sich hat. Die Erklärung wird einfach sein. Dort war vom Garten aus der ebenerdige Eingang zum nördlichen Haus des Spitalkomplexes. Durch den Echter-Umbau hatte auch diese Türe ihre Funktion verloren. Denn von der Halle aus wurden zwei neue Türen durch die Mauer zum Nordtrakt gebrochen. Diese Türen mit ihren typischen Renaissance-Verzierungen gibt es heute noch.