Icon Menü
Icon Schließen schliessen
Startseite
Icon Pfeil nach unten
Schweinfurt
Icon Pfeil nach unten
Stadt Schweinfurt
Icon Pfeil nach unten

Scherenschnitt-Kunst: Kleiner kann's keiner

Stadt Schweinfurt

Scherenschnitt-Kunst: Kleiner kann's keiner

    • |
    • |
    Ein eher grobes Motiv: Die Arbeit mit den Kindern, die einen Drachen steigen lassen, eignet sich recht gut für's Foto. Aber für den Miniaturen-Spezialisten Engelhard Schmitt sind nur weit filigranere Scherenschnitte eine Herausforderung.
    Ein eher grobes Motiv: Die Arbeit mit den Kindern, die einen Drachen steigen lassen, eignet sich recht gut für's Foto. Aber für den Miniaturen-Spezialisten Engelhard Schmitt sind nur weit filigranere Scherenschnitte eine Herausforderung. Foto: Foto: Mathias Wiedemann

    Im Grunde ist kein Motiv denkbar, das er nicht als Scherenschnitt umsetzen könnte. Engelhard Schmitt hat Richard von Weizsäcker porträtiert, Papst Benedikt oder Frank Weber, dessen Straßenkinderhilfe er und seine Frau Winfriede (sie macht auch Scherenschnitte und näht Teddybären) seit vielen Jahren mit dem Reinerlös ihrer Kunstfertigkeit unterstützen. Engelhard Schmitt kann Genreszenen oder historische Fotografien, er kann Technik und Natur. Er hat die Streiche von Wilhelm Buschs Max und Moritz in schwarzweißen Bildern nacherzählt oder drei Gemälde von Carl Spitzweg, seinem Lieblingsmaler, nachempfunden – den armen Poeten, den Bücherwurm und den Sonntagsspaziergang.

    Aber was den 62-jährigen Feuerwehrmann im Ruhestand seit etwa sechs Jahren am meisten fasziniert, sind die „Ein-Cent-Bäume“ – eine Gattungsbezeichnung, die ganz wörtlich zu nehmen ist: Bäume in der Größe einer Ein-Cent-Münze, und zwar Bäume mit möglichst vielen Ästen. Sein erster hatte 350 Ästchen, aber damit hat sich Schmitt nicht zufriedengegeben. Bei 600 Ästchen dachte er, mehr geht nicht, und im September 2007, als Katharina Winterhalters Porträt von Engelhard Schmitt in der Reihe „Atelierbesuch“ in der Kulturbeilage StadtKulturThemen erschien, da war er schon bei 850 angelangt. Und dachte wieder, dass er wohl kaum noch mehr schaffen würde.

    So beschaulich, ja meditativ die Arbeit an einem Scherenschnitt wirken mag, Engelhard Schmitt hält nichts von Stillstand. „Ich bin sehr selbstkritisch. Nur das bringt einen vorwärts.“ Dieses Vorwärts ist freilich eines auf kleinstem Raum, eines, das ihn sozusagen in immer feiner ziselierte Regionen führt. Und als er dann noch ein besseres Papier entdeckte – besonders leicht und dennoch stabil –, überwand er die – vorerst – letzte Grenze: 1007 Ästchen sind derzeit das Nonplusultra.

    Gezählt hat das der Leiter des Ersten Deutschen Scherenschnittmuseums im münsterländischen Vreden, in dem 16 000 Scherenschnitte versammelt sind, darunter eben auch einige von Engelhard Schmitt. Ein paar Mal musste der Museumsleiter nachzählen, bis er ein verlässliches Ergebnis hatte, sagt Schmitt. Nun ist der offizielle Wert also 1007. Damit steht der Schweinfurter weltweit alleine da. Scherenschnitte auf kleinstem Raum, das kann so niemand. Womit auch der Titel für seine jüngste Ausstellung in der Schweiz gefunden war, wo Scherenschnitt so etwas wie eine Volkskunst ist: „Keiner kann's kleiner“.

    Das hat sich in der Miniaturen-Szene herumgesprochen: Überall da, wo Puppenhäuser im Maßstab 1:12 entstehen – das ist international der Standard –, schätzt man Engelhard Schmitts Kunst. Er kann sich kaum vor Bestellungen retten. Glasbläser fertigen winzige Glasobjekte, Keramiker winziges Geschirr, Modellbauer winzige Möbel und Schmitt eben winzige Scherenschnitte, die dann in winzigen Rahmen die Wände winziger Wohnungen zieren. Zum Beispiel mit dem Porträt einer Hausherrin nach dem Vorbild einer alten Fotografie. Die Ähnlichkeit ist verblüffend, was daran liegt, dass Schmitt nicht einfach Konturen wiedergibt, sondern sich genau überlegt, wie er Licht und Schatten, Hell und Dunkel so legt, dass innerhalb dieses größtmöglichen Kontrasts von Schwarz und Weiß auf kleinstem Raum tatsächlich bildliche Tiefe entsteht.

    Etwas größere Motive, etwa Kinder, die zwischen zwei Bäumen einen Drachen steigen lassen, schafft Engelhard Schmitt in drei Tagen. Daran kann er immer arbeiten, egal, ob er gerade genervt ist oder abgelenkt. „Das Schneiden bringt mich eher runter, wenn ich gestresst bin“, sagt er. Er arbeitet daran, während er irgendwo warten muss, manchmal sogar im Zug oder im Flugzeug. „Ich brauche ja nicht viel Werkzeug“, sagt er. Tatsächlich braucht er nur die Lupenbrille, die schweizer Spezialschere, die er selbst schleift, weil das außer ihm niemand so hinbekommt, wie er das braucht, ein Skalpell und eben ein Stückchen Papier.

    Für den Laien sind diese Arbeiten immer noch unendlich filigran, für Schmitt eher grob. Denn zu den Ein-Cent-Bäumen ist es ein „himmelweiter Unterschied“. An diesen kann er nur „in absolut harmonischer Atmosphäre“ schneiden. Wenn er ruhig und ausgeruht ist. Und auch dann immer nur einige Minuten am Stück. „Das ist extreme Konzentration, das hält man nicht lange durch.“

    Nicht nur das Material, auch die Technik des Schneidens hat Engelhard Schmitt über die Jahre verfeinert: Die Schere liegt still und leicht gekippt in der rechten Hand, das Papier dreht er mit der linken in die richtige Position. Wobei die Schere einmal ansetzt und sich dann immer an der gleichen Schnittkante weiterbewegt: „Das ist ein ständiges Fortschneiden“, sagt Schmitt. Das heißt auch, dass in einem Scherenschnitt alle Bildteile miteinander verbunden sein müssen. Wiese, Bäume, Kinder und Drachen etwa. Da wird nichts gestückelt, nichts geklebt. Schief geht das sehr selten – und damit möglichst wenig kaputtgehen kann, hebt sich Engelhard Schmitt die heiklen Passagen bis ganz zum Schluss auf.

    Engelhard Schmitt hat seine Arbeit seit Nikolaus an einem Stand in der Stadtgalerie gezeigt, am Samstag und am Sonntag, 15. und 16. Dezember, ist er mit dabei beim Kunsthandwerkermarkt in der Ausstellungshalle Altes Rathaus im Rahmen des Weihnachtsmarkts. Geöffnet am heutigen Samstag von 10 bis 20 Uhr und am Sonntag von 11 bis 20 Uhr. Am Samstag gibt es außerdem in der Rathausdiele von 17 bis 18 Uhr die Fränkische Weihnacht. Der Abend mit fränkischem Liedgut wird gestaltet von den Schrolla-Musikanten und anderen Gruppen.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden