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GEROLZHOFEN: Schicht-Arbeit im alten Gemäuer

GEROLZHOFEN

Schicht-Arbeit im alten Gemäuer

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    Ein Faible für alte Häuser: Matthias Braun und seine Frau Stefanie Petermair renovieren momentan mit viele Liebe zum Detail und zur historischen Bausubstanz eines der geschichtsträchtigsten Gebäude in der Stadt, das Fachwerkanwesen Häfnergasse 7. Im Herbst will die Familie von Herlheim, dem bisherigen Wohnort, nach Gerolzhofen zurückkehren.
    Ein Faible für alte Häuser: Matthias Braun und seine Frau Stefanie Petermair renovieren momentan mit viele Liebe zum Detail und zur historischen Bausubstanz eines der geschichtsträchtigsten Gebäude in der Stadt, das Fachwerkanwesen Häfnergasse 7. Im Herbst will die Familie von Herlheim, dem bisherigen Wohnort, nach Gerolzhofen zurückkehren. Foto: Foto: Norbert Vollmann

    Während ein Häuslebauer eher gewohnt ist, Stein auf Stein zu setzen, so müssen sich Matthias Braun und seine Frau Stefanie Petermair bei der umfangreichen Sanierung des alten Anwesens Häfnergasse 7 in Gerolzhofen fast wie Archäologen vorkommen. An vielen Stellen wird erst einmal Schicht für Schicht akribisch abgetragen, um die Historie des Gebäudes zu erforschen und die Befunde zu sichern.

    Manche Entdeckung wird wieder unter Putz und Farbe verschwinden, vieles aber auch nicht, nämlich dann, „wenn es kitzelt, es freizulegen“, so der Hausherr. Denn oberstes und erklärtes Ziel der Besitzer ist es, so viel wie möglich von der historischen Substanz zu erhalten.

    Die Fenster bleiben klein

    Auf dem Weg dahin sind beide bereit, „sich dem Bestand anzupassen“. So bleibt es etwa als Tribut an den ursprünglichen Charakter des 1574 wohl von einem einflussreichen und wohlhabenden Zehntgrafen erbauten Hauses bei einem für heutige Verhältnisse eher kleinem Bad. Auch die Fassade mit dem markanten Fachwerk und den relativ kleinen Fenstern wird ihr altes Gesicht behalten.

    Auf der Suche nach rar gesäten Handwerkern vom alten Schlag kommt Matthias Braun sein Engagement für die auf seine Initiative hin 2005 gegründeten Interessengemeinschaft für Bauwerkerhalt, Umwelt und Kulturpflege entgegen.

    Einer der dort organisierten Handwerker ist Zimmermann Gerald Kraus. Der gebürtige Dingolshäuser ist mit seinem Betrieb heute in Bad Kissingen-Hausen beheimatet. Er versteht es, Holz und Balken so zu bearbeiten, dass später nur schwer zu erkennen ist, was alt und was neu ist.

    Das gilt für den eingefügten Stützbalken im neu errichteten Laubengang genauso wie für vieles andere Gebälk oder dem am Sichtfachwerk ergänzten Zahnfries. Teilweise hobelt Kraus die Holzstücke aus fünf Meter langen Eichenbalken heraus. Für die Besitzer ist es ein Glücksfall, dass aufgrund nur weniger baulicher Veränderungen im Lauf der Jahrhunderte so viel Originalsubstanz vorhanden ist. Nicht nur die Durchfahrt für die landwirtschaftlichen Fahrzeuge und Gerätschaften präsentiert sich noch weitgehend wie zurzeit, als der Hof erbaut wurde, sondern vieles andere mehr.

    Originalputz war ockerfarben

    Das macht die Sanierung für Matthias Braun und seine Frau auch so spannend und reizvoll. Sie leben förmlich die vielen freigelegten Details des Urzustandes, wie man im Gespräch mit beiden feststellen kann. Dazu zählt zum Beispiel der ockerfarbene Original-Putz. Oder der einst freistehende und 1620 vom Anbau verschluckte Treppenturm, um nur einige Beispiele zu nennen.

    Obwohl Zuschüsse helfen, die Mehrkosten zu dämpfen, hat die Erhaltung historischer Bausubstanz natürlich ihren Preis. „Dafür sparen wir an anderer Stelle“, betont Matthias Braun. Zum Beispiel an einer Fassadendämmung und teurer Heiztechnik. Stattdessen kommt die Hüllflächen-Temperierung zum Einsatz. Unter Putz verlegte Kupferrohre bringen die Außenwände auf die gewünschte Strahlungstemperatur, die dann über die Wärmestrahlung in die Innenräume abgegeben wird.

    Ersatzteile aus Abbruchhäusern

    Die rund 40 Fenster werden fast alle restauriert, wo nötig ergänzt und vielfach zu Holzkastenfenstern umgebaut. Diese bestehen aus einem Außen- und einem Innenglasfenster in einem geschlossenen Holzrahmen. Kasten- oder Doppelfenster sorgen auf klassische Weise für Wärmedämmung, Dichtung, Isolierung und Schallschutz in einem.

    Auch im Fall der Fenster kommt es auf der Baustelle in hohem Maße zur Wiederverwendung alter Baumaterialien. Hierzu hat sich Matthias Braun im Lauf der Jahre ein großes Ersatzteillager aus Abbruchhäusern zugelegt. Bis nach Gnodstadt war er beispielsweise auf der Suche nach alten Biberschwanzziegeln unterwegs. Die letzten 4000 Stück hat er erst noch bei der Sanierung des Alten Rathauses in Rügshofen geborgen.

    Maschinell hergestellte Einheitsziegel kommen dem gebürtigen Gerolzhöfer nicht aufs Dach. Die alten sind handgestrichen, das heißt, die Lehmmasse wurde vor dem Brennen mit der Hand in die Form gestrichen.

    Die Wellen im Dach bleiben

    Das im Lauf der Jahrhunderte deutlich abgesackte Dach war mit einer speziellen hydraulischen Technik um bis zu 50 Zentimeter angehoben worden, ohne allerdings den First bei dieser Gelegenheit komplett zu begradigen. „Die individuell gefertigten Ziegel und die Wellen machen das Dach lebendig und authentisch“, so Matthias Braun.

    Das im Dachstuhl für die Ausbesserungsarbeiten verwendete Gebälk stammt ebenfalls aus Abbruchhäusern. Es handelt sich dabei um geflößtes Nadelholz aus dem Frankenwald. Die schwimmenden Baumstämme wurden einst von Flößern auf dem Wasserweg in die hiesige Region transportiert. Durch das Ausschwemmen ist das Holz gegen Wurmbefall gefeit.

    Im Sommer 2012 war in der Häfnergasse 7 mit den ersten Rückbauten begonnen worden. Jetzt im August soll Einzugstermin sein. Wer sich auf der Baustelle umschaut, kann sich das momentan noch nicht so recht vorstellen. Doch Matthias Braun und Stefanie Petermair sind guter Dinge, dass es rechtzeitig zur Einschulung des Sohnemanns mit dem Umzugstermin von Herlheim nach Gerolzhofen klappt.

    Schon in Herlheim hatten die Eheleute ein altes Anwesen aufwändig renoviert. Es handelt sich also um überzeugte und erfahrene Wiederholungstäter, was die Erhaltung alter Bausubstanz betrifft.

    Häfnergasse 7

    Bei dem stattlichen Anwesen in Gerolzhofen handelt es sich mit hoher Wahrscheinlichkeit um ein von einem bislang unbekannten Zehntgrafen erbautes Bürgerhaus.

    An das zweistöckige Hauptgebäude, einem Traufseitbau aus dem Jahre 1574, wurde 1620 ein Seitenflügel angefügt, 1784 eine weitere Scheune. Optischer Blickfang beider Hausteile ist das Zierfachwerk mit auffällig vielen Andreaskreuzen. Nahezu alle Zwischenwände des Hauses sind ebenfalls mit Fachwerk versehen.

    Unter dem Gebäude befindet sich ein sehr großer, ebenfalls äußerst gut erhaltener Gewölbekeller.

    Im 17. Jahrhundert wird ein Zehntgraf namens Peter Bach als Eigentümer genannt. Bis ins 18. Jahrhundert wohnten hier weitere Amtspersonen. Später wurde das Haus, das dem alten Hausnummernverzeichnis zufolge die Nummer 111 in der Stadt trug, landwirtschaftlich genutzt. Zeitweise diente es auch Handwerkern als Domizil.

    2010 haben Matthias Braun und seine Frau Stefanie Petermair das Gebäude erworben, das zurzeit von ihnen aufwändig saniert wird. Zuvor war das Anwesen zuletzt fast 40 Jahre vom Modehaus Iff zu Lagerzwecken genutzt worden. Text: novo

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