„Vertrauen Sie auf kein Navigationssystem, vertrauen Sie auf Ihren gesunden Menschenverstand“, rät die Buschtrommel. Was zu (längst mit chinesischem Akzent antwortenden) Navis gesagt werden muss, gilt für unsere (jederzeit bestechlichen) Lotsen durch Politik und Wirtschaft erst recht. „Lobbyland“ nennt sich das neue Programm der Münsteraner Kabarettisten. Ludger Wilhelm und Andreas Breiing nehmen sich singend, dichtend, debattierend in der (trotz Abendhitze gut besuchten) Kulturwerkstatt einen korrupten Geldadel a la Zumwinkel, sich prostituierende „Volksvertreter“ (a la Friedrich Merz) ebenso wie ethische Entgleisungen in der Masse vor: wie der Herr, so das Gscherr, möchte man sagen.
Politik: ein flatterhaftes Spiel, von den beiden im WM-Sportmoderatorenstil kommentiert. Die Wirtschaft abgebrannt, auf der Suche nach Zuflucht und Rettung: „Das Land, in dem man Milch und Honig schlürfte, Wir suchen's alle, doch wir finden's kaum - Drum gaukeln wir uns vor im Traum, Als ob es so was wirklich geben dürfte“. Die Rede ist vom Steuerparadies Liechtenstein, bei Klaus Mann in seinem Gedicht von 1933.
„O Herr schmeiß Schirm vom Himmel“, stöhnt da Ludger Wilhelm, wie Mann ein Veteran der Leipziger Pfeffermühle. Die Stilblüten blühen im kabarettistischen Garten der beiden Moralisten, mal sind sie „(ger)manisch depressiv“, mal geben sie sich gleich den „Kegel“. Als marktschreierisches TV-Verkaufsshow-Team preisen sie eine echt scharfe Schily-Schote an: den biometrischen Ausweis Marke SAFE ID Solutions, auf dem man, das ist der Wahnsiiiinnn, immer etwas jünger ausschaut, als man ist. Wer nicht über ein kabarettistisches Langzeitgedächtnis verfügt wie die Buschtrommler: Seinerzeit geriet der rotgrüne Sheriff Otto Schily in die Kritik, weil er erst den elektronischen Reisepass mit eingeführt, dann einen lukrativen Job bei obiger Unterhachinger Sicherheitsausweis-Firma angenommen hatte.
„Proscht“. Ein Evergreen der Buschtrommel: Breiings „Bierdinner for one“, der als glupschäugige CDU-Geheimwaffe „Rüdiger“ das Teufelszeug Haschisch verdammt. Nur um sich nach einigen Pils hitzigschwitzig in einen trunkenen Wiedergänger von FJS zu verwandeln.
Es klopft ganz schön auf den Busch, das Sauerländer Duo. Gelegentlich, wenn der „gebrauchte Präser“ penetrant am Finger klebt oder der nicht mehr ganz jugendfrische Gag „Leihgebiss in Zeiten der Gesundheitsreform“ durchgekaut wird, klingt das schon nach Klamauk. Es überwiegt jedoch liebenswertes, unbeirrbar linksliberales Politkabarett der großen alten Schule. Uwe Eichler