Friedhöfe sind nicht die Visitenkarten der Gemeinde, sie sind ein Spiegel der Zeit und Gesellschaft. Kein Wunder also, dass sich das Bild unserer Friedhöfe seit Jahren massiv ändert. Dominierten früher Familiengräber mit großen Pflanzflächen die Reihen, so wird heute mehr und mehr nach Alternativen gesucht.
Wer soll heute noch die großen Gräber pflegen? Die Kinder und Enkel hat der Beruf oft in eine ganz andere Gegend verschlagen, die Ehepartner sind selbst schon betagt und damit überfordert. Dazu kommt, dass die Kirchen ihren anfänglichen Widerstand gegen die Verbrennung von Verstorbenen aufgegeben haben und die Krematorien landauf, landab immer mehr zu tun bekommen. Das wiederum machte den Weg frei für die im Trend liegenden Baumbestattungen, immer mehr Menschen weichen in Friedwälder aus.
Für die Gemeinden ist dies auch ein wirtschaftliches Problem. „Friedhöfe sind überall ein Defizitunternehmen“, erklärt Bürgermeisterin Helga Fleischer. Es war schon lange ihr Wunsch, den neuen Friedhof umzugestalten. In ihrem Schulkollegen Heinz Müller fand sie einen engagierten und kompetenten Mitstreiter.
Der Rentner war Kreisfachberater für Gartenbau am Landratsamt Haßfurt und beschäftigt sich seit 20 Jahren mit der Gestaltung und Kultur der Friedhöfe.
Das Problem beim Gochsheimer Friedhof lag auf der Hand. Immer öfter und schneller wurden die großen Familiengräber aufgegeben, zwischen den Reihen entstanden verwilderte Pflanzflächen, um die sich niemand mehr kümmerte. Nach 40 Jahren waren auch die Hecken marode, die Wege uneben und zum Teil verwachsen.
Fleischer und Müller setzten sich zusammen. Zukunftssicher sollte der neue Friedhof werden, jeder soll darin die Bestattungsmöglichkeit finden, die er möchte. Die Voraussetzungen dafür waren denkbar gut, der Friedhof ist groß und hat ohnehin schon eine parkartige Struktur. „Wir müssen nicht mit Flächen geizen“, freut sich Müller.
Schon der Eingangsbereich ist großzügig angelegt, Bäume simulieren eine Allee zur Leichenhalle. Vor der Halle verbindet sich ein gestalterisches mit einem praktischen Element. Zwei „Säulen“ ragen auf, die sich bei genauem Hinsehen als geschlossene weiße Sonnenschirme entpuppen. „Die Menschen standen hier immer in der prallen Sonne“, erinnert sich Fleischer, jetzt könne der Vorplatz überspannt werden.
Einige Abteilungen des Friedhofs, in denen die Familiengräber lagen, sind bereits umgestaltet. Die Angehörigen haben jetzt die Wahl zwischen vier Möglichkeiten. Zum einen können sie alles so lassen, wie es ist, und die großen Pflanzflächen weiter bearbeiten. Diese können aber auch auf einen Quadratmeter verkleinert werden, ein metallischer Rahmen sorgt dann dafür, dass das Gras nicht in die Pflanzfläche wächst. Wem auch das zu viel ist, der kann vor seinen Grabstein eine Platte versenken lassen, auf die dann beispielsweise Pflanzschalen gestellt werden.
Die letzte Alternative: Der Grabstein bleibt einfach in der Rasenfläche stehen, die von der Gemeinde gepflegt wird.
Dadurch, dass viele der großen Familiengräber aufgelassen wurden, sei jetzt auch Platz, auf diesen Grabfeldern Urnengräber anzulegen, was die Fläche zusätzlich auflockert, erklärt Müller. Vor 20 Jahren legte die Gemeinde ihre erste Abteilung für Urnengräber an, sie ist inzwischen fast voll. Aber diese kleineren Abbilder der großen Gräber seien nicht mehr zeitgemäß, meint Müller. Neue Alternativen wurden gesucht und gefunden.
Da sind beispielsweise der Ahorn- und der Rosengarten, reich bepflanzte, langgezogenen Beete, die Platz bieten für Urnen. Ein Sandstein auf dem Boden weist auf den Verstorbenen hin. Der „Kiefernhain“ bietet ebenfalls Platz für Urnenbestattungen, dort sollen die Gräber mit einer kleinen Stele, am besten aus heimischem Sandstein, geschmückt werden. Ob mit Platte oder kleiner Pflanzfläche, bleibt der Angehörigen überlassen.
Und auch für die im Augenblick so beliebten Baumbestattungen gibt es ein eigenes Areal. Aus einem „total vernachlässigten Bereich“ des Friedhofs wurde ein „Friedgarten“. Zehn Nischen wurden vom Gehölz befreit, zehn Bäume gepflanzt, um die herum in einem konzentrischen Kreis jeweils 15 Urnenbestattungen möglich sind. Auch ein anonymes Gräberfeld gibt es.
Die Umgestaltung eines Friedhofs erfordere viel Fingerspitzengefühl, die Bevölkerung müsse mitgenommen und für die Ideen begeistert werden. „Aber die Rückmeldungen sind alle durch die Bank positiv“, berichtet Fleischer.
Müller bezieht auch die Kinder und Jugendlichen in die Gestaltung des Gottesackers ein. Gemeinsam mit der Grundschule wurden Schiefertafeln mit Sinnsprüchen versehen und im Friedhof aufgestellt. Die Mittelschüler gestalten gerade „Seelenbretter“ aus Holz, die den Kiefernhain schmücken sollen.
Müller lädt die Schüler immer wieder einmal in den Friedhof ein und ist erstaunt, wie wenig Bezug die jungen Leute zu diesem Ort haben. Dabei seien diese Kultstätten so wichtig als Orte der Ruhe, der Besinnung und der Begegnung. Sie seien weit mehr als nur Bestattungsplätze und würden sich wohl immer ändern. Müller ist es wichtig, Denkanstöße zu geben und auch andere zu motivieren, über die Gestaltung von Friedhöfen nachzudenken.
Eine Vision hat er natürlich auch noch. Müller hätte gerne ein Feld, auf dem nur weiße Holzkreuze als Gestaltungselemente stehen. So ähnlich wie auf den Soldatenfriedhöfen, für ihn ein Zeichen, dass vor Gott alle Menschen gleich sind.