Haben wirklich alle anderen gelogen? Die "Geschädigte", zur Tatzeit 15, mit ihrer Aussage, dass er ihr gegen ihren Willen unter die kurze Hose gegriffen und sie zum Oralsex gedrängt hat? Sechs Zeugen, vor denen der 19-jährige Angeklagte im Sommer 2018 kurz nach diesem massiven sexuellen Übergriff höchstpersönlich beim Bier im Nachbarsgarten geprahlt hatte, was er mit der Minderjährigen gerade gemacht, wie er sie sozusagen rumgekriegt hat?
Übergriff auf dem Spielplatz
Wenn es nach dem 19-Jährigen geht, hat seine Sex-Attacke auf die 15-Jährige in dem Dorf nahe Schweinfurt im Sommer 2018 nämlich nie stattgefunden. Sie steht aber nach ausführlichen Ermittlungen in der Anklageschrift des Staatsanwalts, und die wirft dem jungen Mann Vergewaltigung vor. Dieser Vorwurf sei, wie der Vorsitzende des Jugendschöffengerichts erklärt, schon dadurch erfüllt, dass der Angeklagte gegen den ausdrücklichen Willen des Mädchens kurz mit dem Finger in ihre Scheide eingedrungen sei. Besonders schwere Schuld habe er auf sich geladen, als er sie zum Oralverkehr nötigen wollte. Dass beides stattgefunden hat, zu dieser sicheren Überzeugung war das Gericht nach zweitägiger Verhandlung und elf Zeugenbefragungen gelangt.
Der Vorfall geschah demnach wohl an einem Samstag im Juli oder August 2018. Da hatte sich der Angeklagte zusammen mit einem Kumpel und dem Mädchen auf einen Spielplatz begeben, einen beliebten Jugendtreff. Der Angeklagte tatschte dem Mädchen zunächst an die Brust, was diese sich verbat. Dann schickte er seinen Kumpel, er wolle mit der 15-Jährigen etwas bereden. Der ging - und bereute später, wie er dem Gericht sagte, dass er nicht geblieben war. Denn dann geschahen die sexuellen Übergriffe des jungen Mannes, mit denen er sich vor einer Handvoll Zeugen noch am selben Abend angeberisch brüstete. Auch dass das Mädchen 15 Jahre jung war, habe er gewusst, so ein Zeuge.
Alle lügen – eine Verschwörung?
Das Opfer wollte dagegen zunächst gar nichts unternehmen. Erst drei Monate später, als das Thema auf einer Halloween-Party aufkam, erstattete sie Anzeige – und die Ermittlungen nahmen ihren Lauf. Entgegen aller belastenden Zeugenangaben blieb der Angeklagte aber dabei, den Vorfall habe es gar nicht gegeben. Dass dann folglich alle anderen lügen müssten, wie es ihm der Vorsitzende vorhielt, und welchen Grund so einen Verschwörung haben sollte – dazu sagte er nichts.
Der Staatsanwalt forderte für die aus seiner Sicht klar erwiesene Vergewaltigung zwei Jahre Jugendstrafe auf Bewährung, zwei Wochen Dauerarrest, 120 Arbeitsstunden und die Wahrnehmung von fünf Beratungsterminen bei "Pro Familia". Der Verteidiger sprach von "persönlicher Zerrissenheit" seines Mandanten und dass ihm der Vorwurf sehr zusetze. Die Zeugenaussagen seien nicht zu ignorieren, doch der Mandant bleibe dabei, dass nichts war. Der Antrag: Freispruch.
Das tote Pferd weiter geritten
Das Jugendschöffengericht folgte dem Staatsanwalt: Schuldig der Vergewaltigung, eineinhalb Jahre Jugendstrafe auf Bewährung, ein "Warnschuss-Arrest" von zwei Wochen, sechs Beratungstermine bei "Pro Familia", ferner muss er je 500 Euro an den Stadt- und den Kreisjugendring zahlen. Der Angeklagte habe am Anfang den Fehler gemacht, den Eltern gegenüber die Sache komplett abzustreiten, so der Vorsitzende. Von dieser Nummer sei er nicht mehr weggekommen. Er habe "das Pferd weiter geritten, obwohl es längst tot war". Gegen das Urteil ist Berufung oder Revision möglich.