Die Welt nach Corona hat sich Kabarettist Christian Ehring ganz anders vorgestellt: Ohne Krisen, Krieg und Klimakatastrophen, die weiter die Gesellschaft spalten. Doch es ist anders gekommen; das Leben ist zum Drahtseilakt geworden, in der Familie, im Freundeskreis und überhaupt – der Kabarettist kann davon ein Liedchen singen und tut das auch ganz grandios in seinem abendfüllenden Soloprogramm "Antikörper", das er auf Einladung der Disharmonie im Evangelischen Gemeindehaus präsentierte.
"Inwendig etwas aufgeraut", aber durchweg empathisch betrachtet Ehring – bundesweit bekannt als extra3-Moderator und heute show-Ensemblemitglied – die Gesellschaft in Deutschland. Das Virus bildet das Gerüst für ein Programm, das scharfsinnig all die Themen ausleuchtet, bei denen es zwickt und zwackt; bei denen ein Kompromiss nicht möglich scheint und doch nichts so monokausal betrachtet werden kann, wie es sein fiktiver bester Freund Justus, der "effiziente Selbstgerechte" tut, wenn es um Impfen, Putin und das Artensterben geht.
Christian Ehring über Querdenker, Laubbläser und Steingärten
An Justus arbeitet sich Ehring im Laufe der satirischen Geschichte ab. Er lässt den alten Studienfreund vom Impfgegner zum Querdenker, Putinversteher und schließlich Nazi mutieren, der zwar trotz ähnlichem Humor schon immer anders dachte und nun mit einem veganen Versöhnungsmahl nach einem Rezept von Attila Hildmann den Bruch der Freundschaft besiegelt, die ohnehin durch diverse Verschwörungstheorien schon arg derangiert ist.
Vieles passt in unserer Gesellschaft einfach nicht mehr zusammen, stellt Christian Ehring fest und ist mit dieser Meinung nicht alleine, wie der häufige spontane Zwischenapplaus belegt, der die Exkurse des Kabarettisten zu SUVs, Laubbläsern, Steingärten, Katar und kultureller Aneignung begleitet. Verzicht und ein Rutsch in die Legalität sind unsexy und so singt Satiriker Ehring, übrigens bekennender Bahnfan, augenzwinkernd am Klavier: "Ich zahl‘ Steuern – ich könnt mir eine scheuern".
Christian Ehring blickt spontan ins Schweinfurter Tagblatt
"Dude" Ehring "basht" - übrigens mit einem wunderbar klugen Seitenhieb auf den Jugendsprachwahn der Boomer - an diesem frühen Abend nicht laut und derb, doch höchst stringent; man sagt von ihm, dass er gerne dorthin geht, wo es richtig wehtut. Für ihn ist es wichtig "die Dinge vom Ende her zu denken". Vieles ist Programm, einiges nicht, wie ein Blick ins vorab bestellte Schweinfurter Tagblatt zeigt, aus dem er spontan einige Themen herauspickt: Von der Bundeswehr über die Wohnungsnot bis hin zum Ausbau der Windkraft in Bayern, die Kabarettist Christian Ehring lediglich mit hochgezogenen Augenbrauen kommentiert – oft braucht es keine Worte.
Zum Ende bedankt sich Christian Ehring höflich für das schöne, zugegebenermaßen etwas einseitige Gespräch und stellt eine mögliche Entschuldigung an Justus zur Abstimmung. Das Ergebnis verwundert den Kabarettisten dann doch: Mit überwältigender Mehrheit plädiert das Schweinfurter Publikum für eine Versöhnung und spiegelt damit wohl wider, was Ehring schon im Programm in einen Song verpackte und was wir uns alle in diesen Zeiten wünschen: "Dass alles wieder gut wird".