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Schweinfurt: Schweinfurter Nachsommer: Melancholie, Weltschmerz und Polka

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Schweinfurter Nachsommer: Melancholie, Weltschmerz und Polka

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    Dagmar Manzel und Franui Musicbanda beim Schweinfurter Nachsommer. 
    Dagmar Manzel und Franui Musicbanda beim Schweinfurter Nachsommer.  Foto: Martina Müller

    "Liederabend für Franui-Musicbanda und einen verschwundenen Sänger" war das Nachsommer-Konzert am Freitag im gut besuchten Fresenius-Forum angekündigt. Sehr rätselhaft. Doch die Erklärung lieferte gleich zu Beginn der Trompeter Andreas Schett vom zehnköpfigen Ensemble "Franui".

    Ihren Namen hätten sie sich nach einer Almwiese am Rande eines kleinen Dorfes in Osttirol gegeben. Und der verschwundene Sänger? Einmal hätten sie zum gemeinsamen Musizieren einen berühmten Liedsänger eingeladen, der jedoch den Eingang zum Tal nicht fand. Was für ein Glück, dass heute die großartige Schauspielerin Dagmar Manzel mitgekommen sei, um die Texte der damals ungesungenen Lieder zu lesen.

    Sonst kennt man Dagmar Manzel als Kommisarin aus dem Franken Tatort.
    Sonst kennt man Dagmar Manzel als Kommisarin aus dem Franken Tatort. Foto: Martina Müller

    So schräg die Geschichte um den verschwundenen Sänger auch sein mag, so groß ist die Freude des Publikums über die Begegnung mit Dagmar Manzel. Sie zählt durch ihre Spiellust, ihre Wandlungsfähigkeit und ihre Kraft, das Publikum in ihren Bann zu ziehen, zu einer der ganz Großen der Schauspielkunst. Dass sie jetzt der Kriminalkommissarin Paula Ringelhahn im Franken-Tatort Adieu gesagt hat, spricht sicher auch für ihre Art, immer neugierig zu bleiben, um Neues zu erkunden.

    Zwischen Kirchweih-Tanzmusik und Trauermarsch-Musik

    "Der Wanderer" von Franz Schubert beginnt mit einem zarten Zither-Solo, um dann rasch in einen fast bombastischen Marsch mit gewollten Dissonanzen der Blechbläser überzugehen. Dann Stille. "Ich komme vom Gebirge her", beginnt Manzel ihre Rezitation, "die Dämmrung liegt auf Wald und Meer, ich schaue nach dem Abendstern, die Heimat ist so fern, so fern." Zum Schluss dann der Vers, der das romantische Gefühl des Weltschmerzes und der unstillbaren Sehnsucht zum Ausdruck bringt: "Dort wo du nicht bist, ist das Glück."

    Mit seiner speziellen Besetzung aus Blech- und Holzbläsern, Violine, Volksharfe, Zither, Hackbrett, Kontrabass und Akkordeon transformiert das Ensemble Musik aus der Vergangenheit in die Gegenwart. Bei Franui entsteht eine faszinierende Mischung aus Klassik, zeitgenössischer Musik, Elementen der Popmusik und Kurt Weill-Klängen.

    Zwischen Kirchweih-Tanzmusik und Trauermarsch-Musik liegen Franuis musikalische Schauplätze. Hier verrät Markus Krahler, neben Andreas Schett Gründungsmitglied von Franui vor 30 Jahren, und wie er Komponist und Arrangeur, ein kleines Geheimnis: "Wenn du einen Trauermarsch viermal so schnell spielst, ist es eine Polka".

    Markus Krahler: "Jedes Stück wird von uns anders erarbeitet, überarbeitet. Manche spielen wir in all ihrer Schönheit, manchmal aber stellen wir alles auf den Kopf, phantasieren, komponieren weiter." So verschwindet etwa bei Schuberts "An den Mond" sämtliche Süße und wird zum Trauermarsch, in dem etwas Jazz, Walzer und Volksmusik aufblitzen, um dann in einem wilden Furioso zu enden.

    Nachdenkliche Musik und Worte

    Auch Schuberts Lied "Frühling" erzählt von Liebe und Liebesleid. Zunächst spricht Dagmar Manzel die Verse, gefolgt von einem zarten Dialog zwischen Harfe und Violine. Dann gestaltet sie den Schlussvers fast wie ein Gebet: "O wär ich doch ein Vöglein nur … und säng ein süßes Lied von ihr den ganzen Sommer lang."

    Dagmar Manzel und Franui Musicbanda beim Nachsommer regten das Publikum zum Nachdenken an.
    Dagmar Manzel und Franui Musicbanda beim Nachsommer regten das Publikum zum Nachdenken an. Foto: Martina Müller

    Es folgen zwei Lieder von Gustav Mahler aus seinem Liederzyklus "Lieder eines fahrenden Gesellen", mit dem Mahler seinen Liebeskummer zu lindern versucht. In "Wenn mein Schatz Hochzeit macht" stehen "Ach wie ist die Welt so schön" neben "Weine um meinen Schatz". Dagmar Manzel lässt diese Zerrissenheit ergreifend spürbar werden. Auch "Die zwei Augen von meinem Schatz" spricht von Leid und Grämen, der Lindenbaum schenkt etwas Trost. Voller Staunen, wie eine kostbare Erinnerung, wandelt Manzel die Worte in Gefühle um – das Publikum lauscht gebannt.

    Zum Liebesleid gesellte sich in der Romatik oft der Tod, "Wanderers Nachtlied" prophezeit "Warte nur, balde ruhest du auch" und in Schuberts "Totengräberlied" schildert der die Stufen des Zerfalls. Das wunderschöne Brahms-Lied "Da unten im Tale" singt Dagmar Manzel erst allein, dann mit den Musikanten: "Für die Zeit, wo du geliebt mi, dank ich dir schön, und i wünsch, dass dir`s anderswo besser mag gehen."

    Den Text zu Mahlers "Ich bin der Welt abhanden gekommen", schrieb Friedrich Rückert 1821. Voll verhaltener Leidenschaft und Ernsthaftigkeit interpretiert Manzel das Ringen des Dichters, sich der Unruhe der Welt zu entziehen, um ganz bei sich zu sein.

    Zum Schluss vertreiben die großartigen Solisten von "Franui" alle Melancholie. Wenn auch Geheimrat von Goethe in Ludwig van Beethovens Lied wehklagt: "Nur wer die Sehnsucht kennt, weiß was ich leide" – die Musicbanda antwortet darauf mit einer fröhlichen, mitreißenden Polka als Raussschmeißer. Dann langer, stürmischer Applaus für Dagmar Manzel und Franui aus Osttirol. Danke für einen ganz besonderen, anregenden Abend.

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