Bei einem interessanten und aufschlussreichen Rundgang durch die Stadt, veranstaltet vom Historischen Verein und der Volkshochschule, ging sie unter anderem auf einige Familien ein, zeigte, wo sie wohnten, was sie arbeiteten, und sie erläuterte, was aus ihnen geworden ist. "Ich las die Namen, die auf den Grabsteinen im Judenfriedhof stehen, und fragte mich, wo haben diese Menschen gewohnt. Ich recherchierte und fand es heraus", erläuterte Evamaria Bräuer und hielt einen Plan hoch, in den sie die Häuser eingezeichnet hatte.
Etwa 50 waren im Besitz jüdischer Bürger. Sie lebten verteilt über die Stadt. Ein Ghetto gab es in Gerolzhofen nicht. "Sie waren Teil der Bevölkerung und sie haben aktiv am Leben teilgenommen", betonte die Gerolzhöferin.
Aus dem Umland zugewandert
Wie sie ausführte, wurden Juden erstmals 1298 in Gerolzhofen genannt. Ihr Zuzug war bis zur Aufhebung der Mobilitätsbeschränkung im Jahr 1861 auf einige wenige Familien begrenzt. Danach nahm ihre Zahl zu. Sie siedelten zum Beispiel von Bischwind, Traustadt, Lülsfeld Frankenwinheim nach Gerolzhofen über. Aus Brünnau stammte die Familie Lichtenauer, die in der Bahnhofstraße ein Anwesen hatte. Sie betrieb einen Viehhandel und eine Landwirtschaft. Einige Familienmitglieder wurden deportiert, andere wanderten nach Kolumbien aus.
Zu dem in Israel lebenden Gustav Lichtenauer hat Evamaria Bräuer Kontakt. "Er musste mit 15 Jahren aus Gerolzhofen fort. Mit seiner Familie sprach er nicht über das, was er erlebt hat", berichtete sie.
Ein Stück weiter war die Metzgerei Brotmann. Die Familie kam 1876 aus Zeilitzheim. Josef und seine Frau übernahmen das Geschäft. Ihre vier Kinder sind 1939 ausgewandert. "Vor einiger Zeit waren Verwandte von ihnen in Gerolzhofen. Sie besuchten den Friedhof und sie wollten das Haus sehen, wo ihre Familie wohnte. Ich fragte sie nach Werner Brotmann und sie erzählten mir, dass er in New York lebt und dass er auch Metzger war", sagte sie und wies darauf hin, dass bei den Brotmanns auch Nichtjuden einkauften. Wie Gerolzhöfer ihr erzählten, soll es eine gute Metzgerei gewesen sein.
Einen Eisenwarenhandel betrieb die Familie Kohn in der heutigen Rügshöfer Straße. Sie war einer von den zehn großen Gewerbesteuerzahlern der Stadt. "Der Name weist darauf hin, dass sie zur Priesterkaste gehört haben. Sie stammen vom hohen Priester Aaron ab", führte sie aus. Ebenso wie bei den Lichtenauers kam ein Teil der Familie in Konzentrationslagen um, ein anderer Teil emigrierte. "Herr Kohn war Vorsitzender im Fußballklub, hatte einen Garten im Mahlholz und war voll integriert", erläuterte Evamaria Bräuer und informierte darüber, dass die Kohns im Dritten Reich ebenso wie andere Juden, Schikanen ausgesetzt waren.
Im April 1934 wurde am Floriansbrunnen eine Fahne gehisst, auf der stand: "Wer beim Juden kauft, ist ein Volksverräter." Den Kohns wurden Scheiben eingeworfen und die Wände beschmiert. Den betagten Herr Kohn stieß ein Hitlerjungen vom Gehsteig und er musste am Sabbat - dem heiligen Tag der Juden - unter Bewachung den Rinnstein von Unkraut säubern, was eine große Demütigung darstellte. "Mit Gedenksteinen, die auf dem Boden liegen, habe ich deshalb Probleme. Stiefel, Boden, Gosse - was sollen die Nachkommen denken", begründete sie.
Fanny Brauer, verheiratete Lonnerstädter, hatte in der Marktstraße einen Hutladen. Sie kam 1939 nach Würzburg ins "Altenheim". Dorthin wurden zunächst alte, kranke und gehbehinderte jüdische Bürger gebracht, die nicht mehr laufen konnten. Ein geschlossener Möbelwagen fuhr sie zum Bahnhof. Von dort aus ging es in die Konzentrationslager. In den Papieren wurde vermerkt, die Frauen und Männer seien verzogen.
Zwangswohnungen
In der Häfnergasse, erläuterte Evamaria Bräuer, waren die Zwangswohnungen. Nach 1940 mussten Juden ihre Häuser räumen. "Hier lebten Menschen miteinander auf engstem Raum, die es gewohnt waren in großen Häusern zu wohnen. Plötzlich waren ganze Familien in einem Zimmer untergebracht", führte sie aus.
Außerdem ging sie kurz auf die Geschichte des Judentums nach der Zerstörung des zweiten Tempels 70. nach Christus ein. Mit den Römern kamen die Juden nach Europa und siedelten sich unter anderem in der Maingegend an. Im Laufe der Zeit waren sie vielen Verfolgungen und Repressalien ausgesetzt. "Es ging immer nur um das liebe Geld. Neid war immer mit Spiel. Außerdem lebten die Juden sehr rein. Sie aßen zum Beispiel nur gewisse Speisen und sie achteten sehr auf Sauberkeit. Daher gab es bei ihnen weniger Pesttote. Die Menschen fragten sich, warum das so ist, und sie dachten, die Juden hätten ihnen die Krankheiten angehext", erläuterte sie.