Gut angenommen vom Publikum wird die Ausstellung „Mies van der Rohe. Die Collagen aus dem MoMA“ im Museum Georg Schäfer. Der Reiz dieser Ausstellung mit rund 50 meist großformatigen Collagen des 1886 in Aachen geborenen und 1969 in Chicago gestorbenen Architekten für die Besucher aus der Region ist natürlich der Bezug zu Schweinfurt. Bekanntlich wurde der von van der Rohe für Georg Schäfer Anfang der 1960er Jahre gestaltete Entwurf in der Wälzlagerstadt nicht verwendet, sondern in leicht abgewandelter Form später als Neue Nationalgalerie in Berlin.
Im Schäfer-Museum wurden sehenswerte Schätze zu dem Schweinfurter Entwurf ausgegraben. Der Schwiegersohn des Industriellen und Kunstsammlers Georg Schäfer, Dirk Lohan, ist ein Enkel von Mies van der Rohe. Ihn ließ Schäfer anfragen, daraufhin entwickelte van der Rohe ein Konzept. Es gibt die Originalpläne zu sehen, auch die Präsentationsmappe für die Sammlung Georg Schäfer und natürlich eine Collage, in der offensichtlich in den Schweinfurter Entwurf eine Lehmbruck-Büste eingebaut wurde. Die Gestaltung des offenen Raumes zum Main hin mit der Original-Büste und der Collage ist eine der vielen sehr gelungenen Momente in der von Museumsleiter Wolf Eiermann kuratierten Ausstellung.
Eiermann hat sich in dem umfangreich bebilderten Katalog der Ausstellung auch speziell mit dem Schweinfurter Aspekt auseinandergesetzt. Van der Rohe nahm als Grundlage für Schweinfurt sein Modell für das Firmengebäude der Firma Bacardi in Santiago de Cuba, Collagen davon sind ebenfalls in der Ausstellung zu sehen. Aufgrund der kubanischen Revolution wurde dieser Bau nicht verwirklicht, es lässt sich aber ein interessanter Grundaspekt des van der Rohe'schen Denkens ableiten, nämlich die radikale Multifunktionalität seiner Entwürfe. Für van der Rohe war die spätere Nutzung seiner Gebäude durch deren Eigentümer zweitrangig, ihm ging es in allererster Linie um die funktionale Raumhülle. „Innovativ war nicht der Pavillon an sich, sondern die Tatsache, dass Mies die Bauaufgabe nicht nur in den Schnittmengen von Anforderungen an den traditionellen Museumsbau einerseits und an den Kunstmessebau andererseits sah, sondern dass er als Drittes mit dem Entwurf für das Gebäude der Firma Bacardi [...] noch eine weitere Nutzungsvariante, ein Bürogebäude, mit einbrachte“, schreibt Eiermann. Ein interessanter Bruch in der vom Historismus geprägten klassischen Museumsarchitektur.
Van der Rohes Entwurf, so fortschrittlich er mit seinem Fokus auf den damals noch möglichen weiten Blick vom Hügel am grünen Fichtelsgarten war, beinhaltete für die meist im mittleren Format vorliegenden Bilder und lichtempfindlichen Zeichnungen der Schäfer'schen Sammlung Probleme – van der Rohe sah wegen seines Fokus auf Multifunktionalität ein lichtdurchflutetes, vollständig verglastes und auf nur acht Stahlstützen stehendes Gebäude vor. Außerdem hätte man wegen der Größe der Sammlung viel mehr Wände im Inneren benötigt. Wie schon im Bacardi-Entwurf zu sehen, wollte van der Rohe in Schweinfurt das Thema Lichtschutz durch ein vorkragendes Flachdach lösen. Die visuelle Zugänglichkeit von außen für Passanten war ihm weit wichtiger. Der Schweinfurter Entwurf wurde aus vielerlei Gründen nicht verwirklicht. Georg Schäfer gab ihn schließlich für Berlin frei, wo van der Rohes Traum eines von weit her sicht- und von Flaneuren einsehbaren Gebäudes verwirklicht werden konnte.
Mies van der Rohe. Die Collagen aus dem MoMA – bis 28. Mai, Museum Georg Schäfer, Di-So 10-17 Uhr, Do bis 21 Uhr. Begleitprogramm: 2. April, 14 Uhr: Kindermuseum zu Mies van der Rohe, jeder gestaltet sein Kindermuseum als Collage. 8. April, 14 Uhr: „Weniger ist mehr“, Mies van der Rohe – Öffentliche Themenführung. 9. April, 14 Uhr: Kindermuseum zu Mies van der Rohe – Schwarz, weiß, bunt, wir gestalten gemeinsam eine Gruppencollage. 15. April, 14 Uhr: Die Rolle der Skulptur in Mies van der Rohes Raumkonstruktionen, öffentliche Themenführung. 16. April, 14 Uhr: Kindermuseum, Schöne Aussichten – Wir betrachten die Collagen Mies van der Rohes und gestalten unsere eigenen Aussichten, Bildbetrachtung und Workshop für Kinder von 5 bis 10 Jahren. 22. April, 14 Uhr: Collagen aus dem MoMA zu Gast im MGS, öffentliche Themenführung. 30. April, 14 Uhr: Kindermuseum, Wie will ich leben? Wir betrachten die Architektur-Collagen Mies van der Rohes und gestalten in der Technik der Collage unser Traumhaus, Bildbetrachtung und Workshop.