Am 1. Januar waren es 25 Jahre, dass Franziska Bickel die Buchhandlung Vogel als Inhaberin übernommen hat. Sie staunt selbst ein wenig, als sie die Zahl nennt. Ansonsten gibt es vermutlich nicht so viele Dinge, die Franziska Bickel überraschen. Zumindest nicht als Buchhändlerin. Auf ihrem Gebiet kennt sie sich aus, das weiß sie, und aus diesem Wissen bezieht sie auch ihr Selbstbewusstsein: „Ich habe nicht vor, den Großen das Feld zu überlassen.“ Die Großen, das ist in ihrem Fall vor allem Hugendubel – dessen Filiale am Georg-Wichtermann-Platz kann sie sehen, ohne den eigenen Laden am Roßmarkt überhaupt zu verlassen.
Die City-Buchhandlung Vogel und Collibri am Marktplatz sind – neben dem Kunstbuch-Café im Museum Georg Schäfer – die letzten unabhängigen Buchhandlungen in der Stadt, seit Rückert-Buchhandlung und Bücher Hansen zugemacht haben. Dafür haben Hugendubel und, in der Stadtgalerie, Thalia aufgemacht. Die Auswirkungen hat auch Franziska Bickel gespürt. Der Umzug von der Hohen Brückengasse um die Ecke an den Roßmarkt vor zehn Jahren hatte zwar ein deutliches Umsatz-Plus gebracht, und auch die Schließung der Rückert-Buchhandlung 2007 bescherte ihr neue Kunden. Aber mit der Eröffnung von Hugendubel 2009 kamen „massive Einbußen“, sagt Franziska Bickel. Sie musste deshalb Personal abbauen, glücklicherweise ging das – schwangerschaftsbedingt – ohne Kündigungen. Heute beschäftigt Franziska Bickel 14 Mitarbeiterinnen, zum Teil in Teilzeit.
Beim Wettbewerb der unabhängigen Fachzeitschrift „BuchMarkt“ wurde Vogel in der Kategorie Unabhängige Sortimentsbuchhandlung als eine von zwei Gewinnerinnen bundesweit zur „Buchhandlung des Jahres 2011“ gekürt. Mit der Auszeichnung wird – unterstützt von einer ganzen Reihe namhafter Verlage – das Engagement von Buchhändlern gewürdigt. „Mit vielen Ideen bringt sich die Buchhandlung Vogel als lokale Buchhandlung ins Bewusstsein der Kunden. Der Mut, gegen die starke Konkurrenz gegenzuhalten, gehört belohnt“, heißt es in der Jury-Begründung.
Überreicht bekommen hat Franziska Bickel die Auszeichnung im Oktober auf der Buchmesse. Stolz ist sie darauf schon – „aber es ist fast peinlich, wenn man für eine Sache ausgezeichnet wird, die selbstverständlich ist“, sagt sie und denkt dabei an etliche Kollegen der Branche, die einfach nicht in die Pötte kommen. So sei die Stimmung auf der Buchmesse heuer erstmals „richtig komisch“ gewesen. Manche Einkaufsgenossenschaften rechneten damit, dass ein Drittel ihrer Mitglieder das kommende Jahr nicht überlebt. In anderen Ländern ist die Lage noch dramatischer: „In Großbritannien haben in den letzten drei Jahren 2000 Buchläden zugemacht“, sagt Franziska Bickel.
Sie sieht aber die großen Anbieter Hugendubel, Thalia und Amazon nicht als den Erzfeind. Es müsse die Big Player allein schon deshalb geben, damit die Verlage ihre großen Auflagen halten können. „Die Branche lebt letztendlich von der Einigkeit.“ Umso mehr ärgert es sie dann, wenn manche im hochkomplexen Konglomerat aus Verlagen, Zwischenhändlern und Buchhandel nicht nach den Regeln spielen, etwa indem sie die Buchpreisbindung unterlaufen.
Dennoch: Der Konkurrenz begegnet sie offensiv. Mit Vielfalt und persönlicher Beratung: „Bei den Großen sieht es immer nach großer Auswahl aus, aber oft fehlt es an der Backlist, also an früheren Büchern der großen Autoren. Ich behaupte, bei uns gibt es keine größeren Lücken – und wenn jemand tatsächlich den Briefmarkenkatalog Südamerika will, besorgen wir ihn über Nacht.“
Sie und ihr Team haben „ein ganz gutes Halbwissen“, sagt Franziska Bickel, „manchmal kommen die Leute mit Hugendubel-Tüte zu uns und haben noch eine Frage.“ Manche Kunden aber ziehen eben die Anonymität einer Großbuchhandlung vor, etwa wenn sie medizinische oder psychologische Berater in eigener Sache kaufen – muss ja nicht jeder mitkriegen, dass gerade Ehekrise ist.
Ansonsten gilt es, die Nachfrage zu antizipieren – von Maya-Kalender bis Burnout. Der Boom der Ratgeber zu Leben und Liebe hat sich aber deutlich in Richtung Religion und Philosophie verlagert, sagt Franziska Bickel. Tatsächlich passiert kaum etwas spontan oder überraschend, sieht man einmal von prominenten Todesfällen wie Loriot ab: Was gesellschaftlich diskutiert wird, bestimmen die großen Fernseh-Talker, die Verlage sekundieren mit entsprechenden Veröffentlichungen. Und informieren vorab über die Themen.
Eine weltweit einzigartige Logistik mache es möglich, sehr schnell zu reagieren. „Wir waren immer schon schneller als Amazon“, sagt Franziska Bickel, „und das lassen wir uns auch einiges kosten.“ Doch wer braucht die Bücher, die er bestellt, unbedingt immer am nächsten Tag? „Wir werden uns das nicht mehr lange leisten können“, sagt die Buchhändlerin, die seit Jahren in Gremien des Börsenvereins des deutschen Buchhandels mitarbeitet.
Um das Buch als solches macht sie sich keine Sorgen: „Wir haben Walkman, Kassetten, Disketten, Minidiscs kommen und gehen sehen und nun eben die E-Books und E-Reader. Aber das Buch – manche sagen schon P-Book – ist 500 Jahre alt, und es ist immer noch da.“ Es sei schön zu sehen, wie viele Kinder und Jugendliche im Rahmen von Aktionen wie den Lesekoffern, die die Buchhandlung an die Schulen ausgibt, zu Lesern werden – „und wer einmal angefixt ist, der bleibt in der Regel auch dabei“.
Schweinfurter Buchhandel
Bücher sind keine Allerweltsware. Manche prägen unser Bild vom Leben und von der Welt und begleiten uns als Ratgeber, Trostspender oder geistige Fluchthelfer durchs ganze Leben, ob „Pu der Bär“ oder „Zauberberg“. In einer kleinen Serien stellen wir deshalb die Läden vor, die uns in Schweinfurt diese Bücher verschaffen, von den unabhängigen Buchhandlungen über Kunstbuchhandlung und Antiquariat bis hin zu den Filialen der beiden großen Ketten.