Die Stadt Schweinfurt gehört zu den bayerischen Städten mit der höchsten Kinderarmut. Dieses Ergebnis einer Studie der Bertelsmann-Stiftung mit Zahlen aus dem Jahr 2009 hat Jobcenter-Leiter Roland Kotsch jüngst im Ausschuss für Beschäftigung und Soziales vorgetragen. Die Definition der Studie zugrunde gelegt, wonach die Kinder als arm gelten, die in Familien aufwachsen, die sozialstaatliche Grundsicherung beziehen, treffe dies in Schweinfurt auf über 27 Prozent der unter Dreijährigen zu und auf knapp 22 Prozent der unter 15-Jährigen zu. Damit belege Schweinfurt bayernweit „einen der letzten Plätze“.
Sogwirkung der Städtet
Für die im Bayern-Durchschnitt hohe Kinderarmut „verknüpfen und verstärken sich gegenseitig mehrere Ursachen, die typisch für Kommunen mit Zentrumsfunktion sind“, heißt es im Sozialbericht. Kotsch nannte eine für Städte mit Zentrumsfunktion typische „Sogwirkung“ auf bedürftige Personen und Familien, weil dort eine Infrastrukturen gebe (Öffentlicher Nahverkehr, Schulen, Freizeiteinrichtungen, medizinische Versorgung), wie sie auf dem Land in diesem Umfang oft nicht vorhanden sei.
Der Bericht attestiert der Stadt ferner eine „hohe SGB II“-Quote“ (11,5 Prozent) – also überdurchschnittlich viele langzeitarbeitslose Bürger und Familienangehörige mit Grundsicherung; einen „hohen Frauenanteil an den erwerbsfähigen Leistungsberechtigten“ (58,6 Prozent von 3742 Berechtigten) und einen „hohen Anteil an Alleinerziehenden“ (18 Prozent aller Bedarfsgemeinschaften).
Schweinfurt wird außerdem immer multinationaler. Sozialamtsleiterin Corina Büttner wies darauf hin, dass laut einer Studie des Bayerischen Sozialministeriums der Anteil der Migranten-Haushalte mit 53 Prozent bereits den der deutschstämmigen Bevölkerung überwiege. Deutlich höher noch dürfte der Prozentsatz von Migranten-Haushalten im Hartz IV-Bezug sein, so der Bericht.
Wie will das Jobcenter der relativ hohen Kinderarmut entgegenwirken? Es will zusammen mit dem Jugendamt in diesem Jahr eine gemeinsame Initiative starten, um Tagesmütter und Ehrenamtliche zu gewinnen, welche Frauen im Leistungsbezug bei der Betreuung ihrer kleineren Kinder „in den Betreuungsrandzeiten“ entlasten: Darunter versteht das Jobcenter „Ferien, Schichtarbeit in der Pflege und Industriefertigung, samstags und abends im Verkauf und bei Friseuren, in der Gastronomie etc.“.
Das Jobcenter will erziehende Mütter über Kinderbetreuungsmöglichkeiten und Strategien zum Wiedereinstieg in den Beruf frühzeitig informieren. Für die Vorbereitung einer Rückkehr in den Beruf gebe es Teilzeitmaßnahmen, in denen vermittelt werde, wie Familienpflichten und Erwerbstätigkeit vereinbar gemacht werden könnten.
Rund zwölf Prozent (SGB II-Quote) der erwerbsfähigen Bevölkerung der Stadt zwischen 15 und 65 Jahren haben im vergangenen Jahr laut Roland Kotsch Hartz IV-Leistungen erhalten – im Jahresmittel waren dies laut Sozialbericht 3822 Personen. Das größte Problem sei dabei die Verstetigung der Langzeitarbeitslosigkeit. Die Zahl derer, die länger als zwei Jahre im Hartz IV-Bezug leben, steige weiter leicht an, und besonders betroffen davon seien nach wie vor die Älteren über 50 Jahre. Sie stellten Fast drei Viertel (knapp 74 Prozent) von ihnen gehöre zu den Langzeitarbeitslosen. Bei den 20- bis 50-Jährigen ist es etwa jeder Zweite (knapp 52 Prozent) und bei den Jungen im Alter zwischen 15 bis 25 sind es knapp 40 Prozent.
Vermittlung älterer Arbeitnehmer
Für die Vermittlung Älterer in den Arbeitsmarkt sei eine zusätzliche Kraft eingestellt worden, sagte Kotsch auf eine Frage Sinan Öztürks (Linke). Viele von ihnen seien recht lange aus dem Arbeitsmarkt draußen, auch gesundheitlich so angeschlagen, dass sie nicht mehr vermittlungsfähig seien. Es gebe eine erhebliche Zahl Älterer, die unqualifiziert seien, viele davon mit Migrationshintergrund – da werde es eine Vermittlung extrem schwierig.
Willy Dekant (CSU) meinte, ein 55-Jähriger, der aus dem Arbeitsmarkt herausgefallen ist, sei kaum mehr vermittlungsfähig. Vorrangig müsse man die Integration der 25- bis 50-Jährigen fördern. „Einen 52-Jährigen einfach im Arbeitslosengeld zu lassen, bis er 65 ist, ist aber auch keine Lösung“, so Öztürk. „Für die über 50-Jährigen halten wir im Jobcenter in Relation zu ihrer Anzahl das meiste Personal vor“, erläuterte Sozialreferent Jürgen Montag.
Kotsch sagte, für schwer gehandicapte ältere Hartz IV-Bezieher „haben wir auch schon Erwerbsunfähigkeitsrenten durchsetzen können“, aber deren Renten nur in reichten selten Fällen zum Leben aus. Sie fallen dann von einer Transferleistung (SGB II, Jobcenter) in eine andere (Grundsicherung, Sozialamt).