Das neue Album des Exil-Schweinfurters Ron Spielman dürfte für einiges Stirnrunzeln unter seinen Fans sorgen. „The Deutsche Album“ heißt die aktuelle Veröffentlichung seiner Band Spielman In Bad Company (SIBC). 27 Songs in 69 Minuten voller verrückter Sounds, verwirrender Texte und vertrackter Rhythmen. Ganz anders als sonst. Eigentlich war geplant, mit SIBC aka „Spielman in Bad Company“ im März 2020 ein ganz reguläres Album zu veröffentlichen.
Die vierköpfige Band hatte daran fast zwei Jahre lang intensiv gearbeitet. Dann kam aber Corona und machte alle Pläne zunichte. „Wir waren natürlich wie alle anderen Künstler und Musiker in einer Art Schockstarre“, sagt Ron. „Dann kam unser Drummer Uwe auf die Idee, dass wir uns treffen und einfach jammen.“ Spontan musizieren, sich treiben lassen und sehen, was passiert. In dieser Zeit ist die Idee für „The Deutsche Album“ entstanden. Jazzig, leichtfüßig, verspielt, albern. Deutsche Texte, teils mit Vocoder gesungen, teils einfach nur dahingeplaudert. Hinter den ungewöhnlichen Texten stecken Mails, die man gar nicht bekommen möchte.
„In dieser Zeit haben wir uns immer gegenseitig Spam-Texte zugeschickt, weil wir die zum Teil grandios finden“, erklärt Ron Spielman. „Die Sprache, die Wortwahl und natürlich auch die Themen. Penis Enlargement, Potenzmittel, Kontaktanfragen oder dubiose Erbschaften. All diese Mails haben wir ein halbes Jahr lang gesammelt. Dann habe ich mich hingesetzt und daraus Refrains oder Strophen gebastelt.“ Von Rons typischer Gitarre ist auf „The Deutsche Album“ nicht viel zu hören. Soli? Fehlanzeige.
Die Songs heißen „Ich küsse Dich Franzi“, „Blut Eiter Felsen Steif!“ oder „Es tut mir leid, Sie zu erschrecken“. Auf dem Cover eine Bockwurst mit Brötchen und Senf in einem goldenen Bilderrahmen. Eine herrliche Spinnerei oder Kunst? „Der Plan war, dass wir uns an einem Wochenende in Hamburg treffen und binnen zwei Tagen das Album einspielen“, schildert Spielman das Projekt. „Ich habe mir immer irgendeinen Text gesucht und dann live auf die Sessions draufgesungen. Einer ist auch von Herrn Friedrich Schiller und einer von Herrn Johann Wolfgang von Goethe. Das ist alles live passiert. Keine Overdubs, keine Nachbearbeitung. Einzige Vorgabe war, dass kein Song länger als zwei oder drei Minuten dauern darf.“ Eingespielt in der gleichen Besetzung wie beim Debütalbum „Sweet Songs For The Dying“ vor vier Jahren: Ron Spielman (Gitarre und Gesang), Joh Weisgerber (Bass), Uwe Breunig (Schlagzeug) und Werner Goldbach (Keyboards).
Der Spaßfaktor stand bei diesem Album an erster Stelle, sagt Ron. Die Idee, an einem Wochenende spontan ein Album einzuspielen, das frei von allen Konventionen ist, hat alle beflügelt. So frei und dadaistisch zu denken wie möglich, war eine tolle Sache, sagt der Berufsmusiker. Einfach Musik aus dem Bauch heraus zu machen, ohne auf Verkaufsargumente zu achten. „The Deutsche Album“ ist ein Album, das ohne Coronapandemie vermutlich nie entstanden wäre. Neu waren für Ron vor allem die deutschen Texte. Der Deutsch-Amerikaner gilt als virtuoser Sänger und Gitarrist, der stimmlich oft mit Sting verglichen wird. In seiner knapp 30-jährigen Karriere als Musiker hat er bislang noch nie deutsche Texte verwendet.
„Es wäre langweilig gewesen, Spam-Mails auf Englisch zu singen. Wir wollten einfach eine komplett andere Richtung einschlagen“, sagt Ron. „Wir wollten verwirren und neue Sachen ausprobieren. Die Coronapandemie hat natürlich ihren Teil dazu beigetragen, mit dieser absurden Situation, dass die ganze Welt plötzlich innehält und alles völlig neu gedacht werden muss. Das war ein Zustand, der mir vorkam wie in einem Science Fiction-Film. Der Virus ist unsichtbar, aber trotzdem überall präsent. Wie geht es jetzt weiter? Ich habe keine Ahnung.“
Ron Spielman war noch nie ein Freund davon, seine Songs immer wieder gleich zu spielen. Bei Konzerten verwendet er immer wieder andere Akkorde oder neue Gesangslinien. Gerade bei Spielman In Bad Company genießt es der Gitarrist, auszuloten, wie weit er sich hinauslehnen kann. „Ich liebe es, zu improvisieren. Das zieht sich durch alle Alben, die ich bis jetzt aufgenommen habe“, erklärt er. „Alle meine Gitarrensoli basieren auf Improvisationen. Du begibst Dich auf einen Pfad, von dem Du nicht weißt, wo Du am Ende landest. Das macht für mich den Reiz von Musik aus.“
Veröffentlicht wird „The Deutsche Album“ nur in digitaler Form. Das heißt, es wird keine Platten, Kassetten oder CDs geben. Erhältlich ist es über die Musik-Plattform Bandcamp oder den Streaming-Dienst Spotify. „Wir wissen, dass wir von diesem Album nur ein paar Kopien verkaufen werden, deshalb war klar, dass wir davon keine physischen Tonträger machen lassen“, erklärt Spielman die Entscheidung. „Man verkauft keine nennenswerten Mengen an Platten oder CDs, wenn man nicht live spielen kann.“
Für alle, die mit dem ungewöhnlichen Sound und den dadaistischen Texten fremdeln, hat Ron Spielman aber auch eine gute Nachricht. Dieses Jahr ist auch ein reguläres Album von SIBC geplant, wenn auch nicht mit dem knochentrockenen Neo-Blues des Debütalbums. Laut Spielman entwickelt das nächste Album den Sound des Debüts mit einer ganz neuen Ausrichtung weiter. Am 19. März soll eine EP herauskommen. Mit dabei unter anderem die Berliner Sängerin Lisa Bassenge, die schwedisch-ugandische Sängerin Jaqee oder Daniel Stoyanov von der Band Malky. Das komplette Album soll dann im September erscheinen.