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Spitzweg im MGS: Umfangen von balsamischer Aura

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Spitzweg im MGS: Umfangen von balsamischer Aura

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    Carl Spitzweg: Der Astrologe (Sternengucker), 1860/64, Öl auf Leinwand (Ausschnitt).
    Carl Spitzweg: Der Astrologe (Sternengucker), 1860/64, Öl auf Leinwand (Ausschnitt). Foto: Fotos: Museum Georg Schäfer

    Bei Carus ist das Licht eine Verheißung in der Ferne. Bei Spitzweg führt es nach innen. „Nächtliche Sternstunden – Carl Spitzweg und Künstler der Sammlung“ ist die neue Sonderausstellung im Museum Georg Schäfer in Schweinfurt überschrieben. Und natürlich geht es, wie immer in der Malerei, nicht um die Dunkelheit als Abwesenheit von Licht, sondern um das Licht – je nachdem – als Feind oder Freund der Dunkelheit. Und so ist schon der erste Saal ein Spiel mit Licht und Dunkelheit: Einzelne Spots für jedes Bild erwecken gleich den Eindruck von Wärme und Behaglichkeit.

    Mit 173 Gemälden besitzt das Museum den weltweit größten Spitzweg-Bestand – genug, um das Thema Nachtstücke, dem sich Spitzweg (1808 bis 1885) vor allem in seinem Spätwerk ab den 1860er-Jahren widmet, opulent auszustatten. Da gibt es bekannte Motive wie den Nachtwächter oder die Scharwache, in denen die malerischen Gassen mit ihrer Verheißung häuslicher Gemütlichkeit die Hauptrolle spielen, den Hexenmeister als Dompteur eines eher putzigen Drachens oder den skurril bebrillten Astronomen, der einen offensichtlich unbedarften Gast durchs Fernrohr schauen lässt. Szenisch dicht wird es mit dem wilden „Hexenritt“ oder dem von venezianischer Wärme durchfluteten „Nächtlichen Stelldichein“.

    Aber es gibt auch überraschend skizzenhafte Arbeiten wie „Ein Ständchen vom Boot aus“ oder den „Ritter Toggenburg“, die mit groben Farbflächen die Nacht als balsamische Aura zeigen, die den Menschen eher schützend als bedrohlich umfängt. „Angstfreies Blau“, nennt Museumsleiterin Sigrid Bertuleit Spitzwegs ganz und gar diesseitige Nachtsicht. „Metaphorische Deutung ist ihm fremd, er hat die Nacht geerdet.“

    Gegenprogramm Romantik

    Anders als die Romantiker, die Bertuleit Spitzweg gegenüberstellt – als dramatische, mystisch aufgeladene Antithesen. Caspar David Friedrichs frühe Arbeit „Brennendes Haus und gotische Kirche“ etwa oder die Bilder des Multitalents Carl Gustav Carus, der seinen Nachtstücken immer eine transzendente Dimension gibt. Und wo Adolph von Menzel das Innere einer Kirche im Dunkel versinken lässt, um einen Seitenaltar in goldenes Licht zu tauchen, setzt Spitzweg orangefarbene Einzellichter, die die Angst vor nächtlicher Unbehaustheit gar nicht erst aufkommen lassen.

    Spitzweg, der hin und wieder unter Schlaflosigkeit litt, hat die Nacht durchaus nicht als Bürde empfunden, sondern als Raum der Ruhe und Intimität. So sind die genrehafteren Stücke wie Johann Peter Hasenclevers „Gestörte Nachtruhe“ oder Januarius Zicks „Erschreckte Kinder“ Zeugnisse einer anderen Sichtweise: die Nacht als beunruhigende Unterbrechung des Tages, ja, des Lebens.

    Der Schlaf als Thema

    Der Schlaf ist das zweite Thema der Ausstellung. Das Schlaflabor der TU München hat einen Film zur Verfügung gestellt, der zwei Schlafwandler zeigt, die jäh aufschrecken und wild im Bett herumtoben beziehungsweise schlicht davonrennen. Es fehlt auch nicht an amüsanten Fakten: Von den 8760 Stunden des Jahres verschläft ein Mann durchschnittlich 3000. Napoleon soll nur vier Stunden, Edison gar nur zwei Stunden Schlaf pro Nacht gebraucht haben, Einstein dagegen zwölf und Goethe immerhin noch neun. Auch mit ein paar Schlafmythen räumt die Ausstellung auf, so ist der Schlaf vor Mitternacht nur für den Frühaufsteher besonders wertvoll. Die Behauptung, alte Menschen bräuchten weniger Schlaf, ist ebenfalls falsch, wie Axel Spring, ehemals Chefarzt der Neurochirurgie am Leopoldina-Krankenhaus, ermittelt hat.

    Das Thema Traum, Spielwiese der Surrealisten, gibt immerhin ein paar Randnotizen her – von Moritz von Schwinds hintergründiger Zeichnung „Ein Traum“ bis hin zu Zitaten wie Hebbels „Der Traum ist die Nabelschnur, durch die das Individuum mit dem Weltall zusammenhängt“.

    So durchgeknallt sein Astronom wirkt, so authentisch hat Spitzweg übrigens die Szene wiedergegeben: Das Fernrohr weist in einem Winkel von 60 Grad nach oben – genau so hoch steht der Mond im Winter. Und auch Jakob Alts „Sonnenfinsternis am 8. Juli 1842“, die Adalbert Stifter beschrieben hat, ist akribisch genau beobachtet: Die Korona im Moment der Totalität ist klein, weil damals wenig Sonnenfleckenaktivität war. Und der Moment der Abkühlung, wie sie jede Sonnenfinsternis mit sich bringt, zeigt sich am aufsteigenden Nebel aus dem Donautal. „Wer genau hinschaut, kann eine ganze Menge über das Ereignis herausfinden“, sagt Dietrich Lemke, emeritierter Professor am Max-Planck-Institut für Astronomie in Heidelberg, der eigens angereist ist, um über die letztgenannten beiden Bilder zu schreiben – Sternstunden eben.

    Museum Georg Schäfer: „Nächtliche Sternstunden – Carl Spitzweg und Künstler der Sammlung“, bis 19. Februar. Di–So, 10–17 Uhr, Do 10–21 Uhr. 6. Januar 2012: Freier Eintritt ins MGS. Donnerstags 18 bis 21 Uhr ermäßigter Eintritt von 2,50 Euro. Samstag für Jugendliche ermäßigter Eintritt: 1 Euro.

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