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SCHWEINFURT: Sprayer werden zu Putzmännern

SCHWEINFURT

Sprayer werden zu Putzmännern

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    Auch diesen Recyclingbehälter am Deutschhof besprühten die vier Schüler, die sich „bombing crew schweinfurt“ nannten.
    Auch diesen Recyclingbehälter am Deutschhof besprühten die vier Schüler, die sich „bombing crew schweinfurt“ nannten. Foto: FOTO Polizei

    Die vier Jungs, die da vor ihm auf der Anklagebank saßen, hatten als „bombing crew schweinfurt“ zwar großen Mist gebaut, waren aber in der Zwischenzeit in einem Maße dafür gerade gestanden, wie er es in seiner zehnjährigen Laufbahn als Jugendrichter noch nicht erlebt hatte. Seit März bis zu diesem Tag hatten die Schüler insgesamt 1640 Stunden geschuftet und rund 2100 Euro aufgebracht, um mühsam zu entfernen, was sie – offensichtlich ohne wirklich nachzudenken – auf Gebäude und Fahrzeuge gesprüht hatten.

    Der Schaden, den sie angerichtet hatten, wurde auf insgesamt 75 000 Euro geschätzt. Alleine die Beseitigung der Graffiti an zwei Gymnasien war mit 15 000 Euro veranschlagt. Bei so vielen Einzeltaten dauerte bereits die Verlesung der fünf Anklageschriften durch den Staatsanwalt gut 15 Minuten.

    Angefangen hatte alles Ende 2005 mit den zwei heute 16-jährigen Schülern. Sie nannten sich „SDS“ und entwarfen Graffiti. Aus künstlerischen Gründen, wie einer bei der Verhandlung betonte. Irgendwann wollten sie ihre Tags groß sehen, kauften sich vom Taschengeld Sprühdosen und zogen los, an etlichen Wochenenden zwischen Januar und September 2006. Sie besprühten Schulen, Parkgaragen, Bushaltestellen, Brückenlager, Lastwagen, Unterführungen und mehrere Anwesen am Deutschhof.

    Inzwischen hatte sich in der Jugendszene herum gesprochen, wer hinter dem Kürzel stand – woran die beiden nicht ganz unbeteiligt waren. Die ganze Sache wurde ihnen zu heiß und sie ließen die Spraydosen erst einmal im Schrank. Bis die beiden anderen Angeklagten, auch Schüler, aber ein Jahr älter, sie ansprachen und mitmachen wollten. Die vier gründeten „bcs“, die bombing crew schweinfurt, die richtig loslegte: Telefonsäulen, Schaltkästen, Stromverteiler, Wasserhäuschen, Müllcontainer, Garagen, Wohnhäuser und schließlich als dickste Brocken: der Tennisclub Blau-Weiß, das Walther-Rathenau- und Olympia-Morata-Gymnasium und mehrere Lastwagen. Der eine schrieb crack, der andere sick, der dritte zero, der vierte shock. Das alles zierten sie mit dem Symbol einer Krone und signierten mit bcs. Wobei sich das künstlerische Potenzial doch sehr in Grenzen hielt, wie Richter Roth betonte: „Das waren einfach Schmierereien“.

    Irgendwann bekam die Polizei einen Tipp, machte Hausdurchsuchungen und von da an war Schluss mit der bombing crew. Bei dem einen wurden zu Hause noch alte Cannabis-Samen gefunden, die er in einem Bioladen gekauft und vergessen hatte, beim anderen ein verbotenes Nunchaku, eine zweigliedrige Schlagwaffe, die er aus dem Urlaub als Dekoration mitgebracht hatte. Ansonsten lautete die Anklage auf 17, 20, 28 beziehungsweise 29 Fälle gemeinschaftlicher Sachbeschädigung. Die vier Jungs gaben nicht nur unumwunden alles zu, sie strengten sich auch außerordentlich an, um die Schäden wieder gut zu machen – mit Hilfe eines Schweinfurter Streetworkers, der die Kontakte zu allen Geschädigten herstellte und der ihnen bei der Verhandlung größtes Lob zollte.

    Die vier hätten sich zu wahren Spezialisten in der Beseitigung von Graffiti entwickelt, sie hätten sich mit den Geschädigten auseinander gesetzt und mit hohem Einsatz gekämpft. In einigen Fällen hätten sie mehr gemacht, als nötig, beispielsweise die Mauer eines Nachbarn mitgestrichen, obwohl sie dafür nicht verantwortlich waren. Zum Schluss, sagte der Streetworker, hätten sich alle Geschädigten mit den Jungs versöhnt, darunter Privatpersonen, Firmen, Stadtwerke und Bauverein.

    Diesem großen Lob schloss sich das Jugendschöffengericht letztendlich an. Roth nannte sie ein leuchtendes Beispiel was die Wiedergutmachung betrifft. Gleichwohl wurden sie verurteilt mit der Weisung, diese Wiedergutmachung bis zum letzten Strich durchzuziehen. Dass sie auch künstlerisch etwas drauf haben, konnten sie übrigens doch noch beweisen – am Bus der Streetworker.

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