Das „Kleine Senfkorn Hoffnung“ wird in St. Michael gerne gesungen. In den Stammteil des neuen „Gotteslob“ hat es das Lied nicht geschafft. Dem gegenüber aber wurden „recht fragwürdige Lieder“ aufgenommen. So steht es im Mitteilungsblatt der Gemeinde. Darin stellt Roland Breitenbach die Frage, wie man heute noch solch blutrünstige Lieder (Nr. 371) singen könne wie „Herz Jesu, Gottes Opferbrand“. wo es unter anderem heißt: „Wir stachen dich mit Spott und Wut, du tauftest uns mit deinem Blut, nun müssen wir dich lieben“.
Die Michaelswerkstatt, wie der Pfarrgemeinderat der rebellischen Gemeinde heißt, hat als Konsequenz beschlossen, das Neue Gotteslob nicht zum 1. Advent, wie das laut der bischöflichen Weisung vorgeschrieben sei, einzuführen. Man wartet aus weiteren Gründen ab: Zum einen halte sich das Interesse am neuen Gebet- und Gesangbuch in Grenzen. „Die Jungen wollen es nicht, die Älteren haben ein altes Buch und deshalb kein allzu großes Interesse“, sagt der Seelsorger dieser Zeitung.
Und: Am 1. Advent, als rund 600 Gläubige kamen, hätte man mindestens 400 Exemplare zur Ausleihe vorrätig haben müssen. Das wäre „preislich ein ganz dicker Brocken geworden“. Zur Kenntnis: ein „Gotteslob“ kostet für die Gemeinden elf, ansonsten 19,95 Euro. Nur 100 Exemplare wurden kostenlos gestellt.
Dritter Grund sind „inhaltliche Eigentümlichkeiten“. Das „Senfkorn Hoffnung“, das im Würzburger Diözesanteil erhalten blieb, hätte man schon gerne gehabt. Kaum zu verstehen sei auch, dass „Wir glauben an den einen Gott“ entfernt wurde.
Wenig Verständnis zeigt die Michaelswerkstatt insofern für Bischof Friedhelm und einer Interviewaussage: „Fehlen werden im neuen Gotteslob deshalb im Wesentlichen nur jene Lieder, die in den vergangenen fast 38 Jahren keine oder nur wenig Akzeptanz in den Gemeinden fanden.“ Zwölf Jahre sei am neuen Buch unter größter Geheimhaltung gearbeitet worden. „Kein Wunder, wenn die Bedürfnisse der Gemeinden erst gar nicht abgefragt wurden“, sagt Breitenbach dazu. Die Pressemitteilung der Bischofskonferenz, wonach „das Neue am Gotteslob die umfangreiche Beteiligung von Kirchengemeinden während des Entstehungsprozesses“ sei, lässt St. Michael nur staunen. „Wir haben davon nichts bemerkt“.
Fazit von St. Michael: Man wisse nicht, was andere Gemeinden tun, „wir warten ab und werden uns in den nächsten Monaten behelfen“. Das zumal auch das Orgelbuch zum Neuen Gotteslob erst einen Tag nach der Einführung erschienen sei. Eine Frage aus der Michaelswerkstatt stehe außerdem „noch unbeantwortet“ im Raum: „Brauchen wir überhaupt ein Neues Gotteslob?“
Dazu wird nochmal der Bischof zitiert: „Mich beeindruckt, dass die katholische Kirche im deutschsprachigen Raum ein Gebet- und Gesangbuch vorlegen kann, das am Puls der Zeit ist und die Menschen des 21. Jahrhunderts erreichen will und auch kann.“ Mit Liedern wie Nr. 371, „Wir an Babels fremden Ufern“ (438) oder „Der König siegt, sein Banner glänzt“ (299) werde das kaum gelingen, meint Breitenbach in seinem wieder kritischen Text.