Die Stadt hat der langjährigen Leiterin des Museums Georg Schäfer (MGS), Sigrid Bertuleit, aus „verhaltensbedingten Gründen“ fristlos gekündigt. In nichtöffentlicher Sitzung folgte eine Stadtratsmehrheit der Empfehlung der Rathausspitze. Ein weiterer Beschluss unmittelbar danach für eine ersatzweise ordentliche Kündigung ging nach Informationen dieser Zeitung einstimmig durch. OB Sebastian Remelé verantwortet auch das Kulturreferat. Über die Hintergründe lehnte sein Büro jede Stellungnahme ab.
Bertuleit (57) kam am 1. Januar 2000 zur Stadt, ein Dreivierteljahr vor Eröffnung des von ihr seitdem geleiteten Museums. Die promovierte Kunsthistorikerin und Diplompädagogin gilt in Fachkreisen als kompetente Ausstellungsmacherin, „sie hat es vorangebracht“, sagt ein Branchenkenner.
Als Defizit der Hanseatin (geboren in Bad Segeberg) wurde von vielen ihre zwischenmenschliche und kommunikative Seite gesehen. Entsprechende Beschwerden von Beschäftigten landeten unter anderem in der Personalvertretung. Auch das Verhältnis zwischen Bertuleit und der damaligen Oberbürgermeisterin Gudrun Grieser, die sie eingestellt hatte, galt jahrelang als belastet. Das gilt auch für Nachfolger Remelé, der den Rauswurf jetzt aber vollzog.
Dass sich der (noch alte) Stadtrat mit der Entlassung schwer tat, zeigt die dreistündige Debatte Ende April. Der OB hatte damit nicht gerechnet: Er hatte für diesen nichtöffentlichen Punkt 30 Minuten angesetzt. Gründe für die Länge gibt es mehrere. So hatte der zu diesem Zeitpunkt noch für Bertuleit tätige Schweinfurter Anwalt mitgeteilt, er kenne keine Gründe und habe keine Gelegenheit zur Verteidigung bekommen. Die große Rolle spielten freilich die Vorwürfe. Die Stadt wirft Bertuleit nach Informationen dieser Zeitung ein Sammelsurium von über die Jahre aufgelaufenen „Verfehlungen“ vor.
Auf mehreren Seiten sind die Kündigungsgründe für die Räte thematisch aufgelistet worden mit der Empfehlung, nach § 626 BGB zu verfahren. Fristlos kann demnach gekündigt werden, „wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer (...) die Fortsetzung des Dienstverhältnisses (...) nicht zugemutet werden kann“.
Nach Recherchen dieser Zeitung wirft die Stadt der Kunsthistorikerin vor, private Dinge im Dienst erledigt, dazu auch MGS-Beschäftigte eingespannt zu haben. Ihr werden Fehler bei der Zeiterfassung und großzügiger Umgang mit öffentlichem Geld vorgeworfen. Sie soll für eine Leihgabe den doppelten Preis bezahlt haben als veranschlagt. Sie ließ angeblich frisch gestrichene Räume noch mal streichen, weil ihr die Farbe nicht gepasst haben soll. Oder: Der Kostenvoranschlag für die Aufbereitung von Wänden für eine Ausstellung lag bei 3000 Euro, wegen verlangter Nacharbeiten (wieder soll ihr die Farbgebung missfallen haben) kostete es angeblich das Dreifache.
Die Stadt wirft Bertuleit ferner fragwürdige Dienstreisen vor. Weiter soll sie zu sorglos mit Gemälden umgegangen sein. In einem Fall soll sie eine Hängung angeordnet haben, obwohl die Maler nicht fertig waren; in einem zweiten sollen Spitzweg-Gemälde in einem Raum unbewacht und ohne Schutz herumgestanden haben.
Aber: Eine Abmahnung gab es offensichtlich zu keinem dieser Vorwürfe. Ein wichtiger Grund, der eine Kündigung rechtfertigen würde, muss dem Betreffenden aber zwei Wochen nach Kenntnis eines Vorfalls bekannt gemacht werden. Das erfolgte anscheinend nicht.
Erklärbar ist die Eile. Bertuleit wird nach dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst, Entgeltgruppe 15, bezahlt. Das sind in der höchsten Stufe 6038 Euro brutto. Im Vertrag gibt es einen „besonderen tariflichen Kündigungsschutz für Beschäftigte im Tarifgebiet West“, die mindestens 15 Jahre beim selben Arbeitgeber beschäftigt waren und 40 Jahre alt sind. Diese Personen sind unkündbar. Bertuleit hätte diese Linie am 1. Januar 2015 überschritten.
Auch für den Fall, dass die ordentliche Kündigung greifen sollte, hat das Tempo einen Grund: Die Kündigungsfrist beträgt für eine Beschäftigungszeit von „mindestens zwölf Jahren“ ein halbes Jahr zum Quartalsende. Es war also aus Sicht der Stadt höchste Zeit zu kündigen, wenn sie Bertuleit los werden will.
Und es gibt noch einen dritten Stadtratsbeschluss in Richtung einvernehmliche Lösung. Damit kann nur eine Abfindung verbunden sein. Bei 14 Jahren Beschäftigung sind das üblicherweise sieben Monatsgehälter – mindestens rund 45 000 Euro. Über die Höhe eines „Schmerzensgeldes“, das die Stadt drauflegen müsste, ist nach Informationen dieser Zeitung im Stadtrat gesprochen worden. Von insgesamt mindestens 80 000 Euro soll die Rede gewesen sein.
Bertuleit ist im Museum nicht mehr zu erreichen, sie sei bis 30. Mai krankgeschrieben, war zu hören. Sie hat auch den Anwalt gewechselt, einen ebenso ausgewiesenen, auswärtigen Spezialisten für Arbeitsrecht aus Oberfranken. Dieser wollte ebenfalls keine Stellungnahme abgeben. Ein erster Termin am Arbeitsgericht Schweinfurt ist Mitte Juni.