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SCHWEINFURT: Streichen, tupfen, schleudern

SCHWEINFURT

Streichen, tupfen, schleudern

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    Bei der Eröffnung: Victor Kraus.
    Bei der Eröffnung: Victor Kraus. Foto: Foto: Katharina Winterhalter

    Wie oft wurde die Malerei in den vergangenen Jahrzehnten schon totgesagt, auch von Künstlern selbst. Ad Reinhardt verkündete, die allerletzten Bilder zu malen, die es jemals geben wird, Lucio Fontana zerschnitt die Leinwand, Gerhard Hoehme wollte sie überwinden, Gerhard Richter sucht bis heute äußerst erfolgreich nach Möglichkeiten, überhaupt noch malen zu können. Oder denken wir an Marcel Duchamp, der schon um 1912 Alltagsgegenstände zur Kunst erklärte und Generationen von Künstlern nach ihm prägte. Vor diesem Hintergrund und mit diesem Wissen wagt es der Maler Victor Kraus im Jahr 2011, Seerosenteiche und Mohnblumenfelder zu malen. Sehr mutig. Wie vielschichtig seine Gemälde im wahrsten Sinn des Wortes und seine Auseinandersetzung mit dem alten Thema Landschaft ist, zeigt die Ausstellung „this deep surface“ in der Kunsthalle.

    Nach den Videoinstallationen von Sebastian Stumpf in der abgedunkelten Großen Halle nun wieder Malerei satt im White Cube. Auf den ersten Blick überrascht die ungewöhnliche Hängung. Dicht an dicht, in Reihen und Gruppen hängen die unterschiedlichen Formate bis fast unter die hohe Decke. Die hintere Stirnwand ist einem Riesenformat überlassen, auf der vorderen locken große hellrote Mohnblüten. Da dauert es eine Weile, bis der Betrachter die kleinen Papierarbeiten zwischen den Fenstern entdeckt, die zu betrachten sich lohnt, weil sie etwas Leichtes und Zartes an sich haben – ganz anders als die Gemälde, unter deren Oberfläche so viel verborgen liegt.

    Damit sind wir beim Titel der Ausstellung, der auch der Titel eines Gemäldes ist. Surface heißt Oberfläche, „deep of surface“ wird aber auch mit „Abgrund“ übersetzt. Bei Victor Kraus steht der Begriff wohl für die vielen Bilder oder Zustände, die unter dem Sichtbaren liegen und die immer mitschwingen. Trotzdem entstehen fast alle Gemälde – auch die ganz großen – an einem einzigen Tag, in einem langen, ununterbrochenen Prozess, der nicht selten mit völliger Erschöpfung endet.

    Victor Kraus beginnt fast immer ohne exakte Bildidee. Er nimmt Farbreste vom Vortag oder den Schmutz vom Boden auf, streicht, was er da auf dem Pinsel hat, auf die Leinwand, lässt es laufen und sieht, was sich daraus ergibt. Ihn dabei zu beobachten, ist so spannend wie die Betrachtung seiner Bilder. Dazu muss man nicht ins Altmühltal fahren, wo der Münchner Kraus seit einigen Jahren sein Atelier in einem alten Stadel hat. Sohn Felix, Kunststudent in München, hat einen großartigen Film geschaffen, der mehr ist als eine Dokumentation, sondern dank Computeranimation ein Kunstfilm über den Künstlervater.

    Gezeigt wird er in einem Kubus mitten in der Großen Halle, in dem Kraus sein Atelier mit Originalteilen aufgebaut hat: Wo sonst die Leinwand hängt, ist der Bildschirm, daneben steht der Tisch mit Farbtuben, Pinseln, Kreiden. In einer Ecke liegt ein Haufen alter Malkleider und Lappen, die so vertraut riechen, dass es sich Jaky, der Hund der Familie, kurz vor der Eröffnung dort gemütlich macht.

    Der Film in dieser Umgebung fasziniert die Besucher. Sie sehen, wie Kraus aus den ersten weißen Flecken eine Linie herausarbeitet, dann erste dunkle Umrisse. Er streicht die Farbe, er tupft und tropft und schleudert. Manchmal schlägt er die Leinwand gar mit einem Lappen. Langsam kommt eine Landschaft zum Vorschein. Kraus tritt zurück, begutachtet. Sein Blick fällt auf ein Stück Papier, das an seinem Schuh klebt, er pappt es auf die Leinwand. Was er entdeckt, lässt er zu. Manchmal bleibt eine Landschaft trotz all der Schichten eine Landschaft, manchmal wird aus ihr ein Stillleben oder Architektur. Erst gegen Ende verdichten sich die informellen, gestischen Zwischen-Bilder zu Erkennbarem.

    Einige Arbeiten in der Ausstellung nehmen Bezug auf bestimmte Landschaften oder Ereignisse. Als Beispiel sei „Japanese Beauty (Fukushima)“ genannt, Lotusblüten vor brennenden Kühltürmen – ein doch sehr plakatives Bild, von dem Kraus sagt, er habe damit das Ereignis verarbeitet. Viel stärker sind die Gemälde, bei denen er sich im Bewusstsein seines malerischen Könnens auf alles einlässt, was im Lauf des Malprozesses passiert. Wir Betrachter können uns freuen, dass der Melancholiker in Victor Kraus nach Jahren der Grau- und Blautöne auch helle, kräftige, warme Farben und manchmal auch ein wenig Leichtigkeit zulässt.

    Victor Kraus, „this deep surface“, Kunsthalle. Zu sehen bis 10. Juni. Der Maler hat Ausstellung und Katalog in Zusammenarbeit mit Kurator Erich Schneider konzipiert, den Film hat Felix Kraus gedreht.

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