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Schweinfurt: Tag der deutschen Einheit: Vieles ist gelungen, aber nicht alles

Schweinfurt

Tag der deutschen Einheit: Vieles ist gelungen, aber nicht alles

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    In den entscheidenden Stunden wurde nicht geschossen: Martina Braum hat die Wendezeit 1989 in Erfurt miterlebt.
    In den entscheidenden Stunden wurde nicht geschossen: Martina Braum hat die Wendezeit 1989 in Erfurt miterlebt. Foto: Uwe Eichler

    Der SPD Ortsverein Bergl/Oberndorf lud zur Feier "30 Jahre Deutsche Einheit" ein, am 3. Oktober, neben dem Berliner Platz, in coronabedingt kleiner Runde von etwa 25 Teilnehmern: Ex-Stadtrat Peter Then hatte Rotkäppchensekt dabei, unter anderem für Anni Rottmann – eine Initiatorin der Gedenkfeier, die alle fünf Jahre  stattfindet.

    Lena Hose verlas seitens der Jusos ein Grußwort von Wolfgang Thierse, Sozialdemokrat der ersten Stunde in der Nachwende-DDR. Der Bundestagspräsident a.D. beobachtet eine "eigentümlich zwiespältige Stimmung" im geeinten Deutschland, ein Denken in Himmelsrichtungen. Die Bilanz sei gemischt, aber insgesamt positiv, stellt der Veteran der friedlichen Revolution von 1989 fest: "Vieles ist uns gelungen, aber nicht alles."

    Das Gedenken wollte der Wirklichkeit Rechnung tragen, am Bären-Denkmal, das wohl schon in den 50er Jahren in Richtung des abgeriegelten Berlin geblickt hat (früher an der Sparkasse statt am Wasserturm). Stephan Rolli und Klaus Schuler hielten kurze Ansprachen für den Ortsverein. Martina Braum (SPD Röthlein) berichtete vom real existierenden Leben im DDR-Sozialismus. "Ich hatte eine wunderbare Kindheit", erinnerte sich die Hauptrednerin, Jahrgang 1971: "Es gab zu essen, man konnte Sport treiben." Auch – einseitige - Bildung habe es gegeben. Der Pariser Eiffelturm blieb ein ferner Traum, selbst Ungarn. Dafür gab es Reisen nach Leningrad, Moskau oder Sotschi am Schwarzen Meer.

    Die Gesamtbilanz ist positiv: Die Schweinfurter SPD feierte am Berliner Platz "30 Jahre Deutsche Einheit", mit Gedenkkranz.
    Die Gesamtbilanz ist positiv: Die Schweinfurter SPD feierte am Berliner Platz "30 Jahre Deutsche Einheit", mit Gedenkkranz. Foto: Uwe Eichler

    Braum diente in Erfurt als NVA-Funkerin und bezeichnete sich als eher unpolitisch. Bis zum März 1989, als ihr Bruder in die Mühlen von Stasi und DDR-Justiz geriet. Er hatte am Rand eines Fußballspiels die BRD-Nationalhymne gesungen. "Ein halbes Jahr später war es auch egal", so die Zeitzeugin. Während der Herbstdemonstrationen ging allerdings die Angst vor dem Schießbefehl um.

    In der heißen Phase der Proteste soll es entsprechende Hinweise im Funkverkehr gegeben haben. Die junge Nachrichtensoldatin war nicht bereit, zur Kalaschnikow zu greifen, und quittierte für 48 Stunden den Dienst. Dass die Wende unblutig verlief, führt sie auf den Einfluss Gorbatschows auf die SED-Apparatschiks zurück. Später zog Braum zu ihrer Partnerin in den Westen und bekam eine Anstellung bei der Bundespolizei. Die Eltern verloren allerdings mit Anfang 50 ihren Arbeitsplatz.

    Die Fehler der Nachwendezeit bekomme man heute nicht mehr komplett geheilt, glaubt die Sozialdemokratin. "Es ist noch so viel Vernarbtes in den Köpfen". Und: "Wir haben wirklich blühende Landschaften - weil keine Firmen mehr da sind."  Nur was richtig gut  gewesen sei, habe sich auf dem Markt durchgesetzt, sagte die Wahl-Heidenfelderin, die noch immer den Ost-Brotaufstrich Nudossi bevorzugt und augenzwinkernd forderte: "Öfters Rotkäppchen und Radeberger trinken!" Den gelebten Föderalismus der Bundesrepublik findet Braum allerding richtig gut: "Verwechselt mir die Thüringer nicht mit den Sachsen."

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