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Theilheim: Theilheim: Ein steinerner Kinderwagen erinnert an die Gräueltaten der Nationalsozialsten

Theilheim

Theilheim: Ein steinerner Kinderwagen erinnert an die Gräueltaten der Nationalsozialsten

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    Ein Kinderwagen aus Sandstein und eine Gedenkstele: Auch Theilheim hat jetzt einen DenkOrt Deportationen, der an die von den Nazis ausgelöschte jüdische Kultusgemeinde erinnert.
    Ein Kinderwagen aus Sandstein und eine Gedenkstele: Auch Theilheim hat jetzt einen DenkOrt Deportationen, der an die von den Nazis ausgelöschte jüdische Kultusgemeinde erinnert. Foto: Gerald Gerstner

    Am frühen Morgen des 22. April 1942 wurden 31 jüdische Mitbürger aus Theilheim brutal aus ihren Häusern vertrieben und für ihre sogenannte Evakuierung nach Würzburg transportiert. Eine historische Fotoaufnahme zeigt die junge Theilheimerin Rosa Klein im Würzburger Sammellokal Platz´scher Garten, wie sie mit ihrer 18 Monate alten Tochter Hanna im Kinderwagen auf den Abtransport wartet. Mit 850 weiteren Jüdinnen und Juden aus Unterfranken bestiegen die beiden am 25. April im ehemaligen Güterbahnhof Aumühle den Sonderzug DA 49 mit Ziel Izbica in Polen. Im dortigen Durchgangslager nahe Lublin verlieren sich die Spuren der 31 Theilheimer für immer.

    Eindringlich schilderte der Theilheimer Konrad Roth bei der Eröffnung des neuen DenkOrt Deportationen in der Von-Erthal-Straße das gewaltsame Ende der jüdischen Kultusgemeinde in Theilheim, wo seit 1490, fast 500 Jahre lang, Juden nachbarschaftlich mit Christen zusammengelebt hatten. Im September 1942 wurden die letzten neun verblieben älteren jüdischen Mitbürger ins Altersghetto nach Theresienstadt verbracht. Auch von ihnen gelangte nach dem Krieg kein Lebenszeichen mehr nach Theilheim.

    Hass fraß sich immer tiefer in die Gesellschaft

    Judenhass sei so alt wie das Judentum selbst und lange christlich motiviert gewesen, sagte der Antisemitismusbeauftragte der Bayerischen Staatsregierung Ludwig Spaenle, der auf Einladung von Bürgermeister Christian Zeißner zur Eröffnung gekommen war. Als sich die rassistisch-völkische Theorie verfestigte, habe sich dieser Hass wie eine ätzende Säure in die Gesellschaft gefressen. Plötzlich waren die Nachbarn Untermenschen und nicht mehr lebenswert. Es endete im totalen Absturz und der physischen Vernichtung von Menschen, nur weil sie eine andere Religion hatten, sagte Spaenle.

    Und der Antisemitismusbeauftragte warnte: Judenhass sei in der Mitte der Gesellschaft nach wie vor da. Vorurteile bis hin zu Verschwörungstherorien hielten sich hartnäckig. Selbst erfahren musste er dies jüngst auch bei seinem Einsatz für eine Entschädigung der Angehörigen der beim Olympia-Attentat von 1972 getöteten israelischen Sportler.

    Damit die Ermordeten Gesichter bekommen

    Die in dieser Art einmalige DenkOrt-Initiative sei sehr wichtig und erinnere daran, dass in vielen Orten in Unterfranken Juden lebten, sagte Spaenle. Hier bekämen die Ermordeten Gesichter, die für die Nazis nur Nummern waren.

    In 109 unterfränkischen Orten gab es eine jüdische Gemeinde, die alle von den Nazis ausgelöscht wurden. 80 Gemeinden beteiligen sich bereits an dem Erinnerungs-Projekt DenkOrt Deportationen 1941 bis 1944. Anfertigen ließ jede Gemeinde zwei symbolische Gepäckstücke – eines für die zentrale Gedenkstätte am Würzburger Hauptbahnhof und eines für ihren DenkOrt im Dorf. In Theilheim, einem Ortsteil der Gemeinde Waigolshausen, ist es allerdings kein Koffer, kein Rucksack oder keine Decke, sondern ein an das Foto mit Rosa Klein angelehntes Kinderwagen-Motiv, das die Bildhauerin Steff Bauer aus Sandstein künstlerisch umsetzte.

    Kinderwagen könnte die Betrachter auf besondere Weise berühren

    Als Bürgermeister Christian Zeißner und Konrad Roth den Kinderwagen-Vorschlag machten, habe das die Frage aufgeworfen, ob damit das Konzept verniedlicht oder aufgeweicht werde, sagte Hannelore Hübner vom Würzburger Verein Denkort Deportationen. Nach intensiven Diskussionen stand fest: "Ein Kinderwagen am DenkOrt Deportationen ist eine Bereicherung". Als Transportmittel für unser Liebstes mache er deutlich, dass jüdische Eltern damals ihre Kinder statt ins Leben in den Tod führen mussten. Das könne auf besondere Weise berühren, was ebenso wichtig sei wie die sachliche Aufarbeitung. Künstlerisch gelungen füge er sich in die bislang 80 Gepäckstücke am Hauptbahnhof ein, sagte Hübner.

    Eine wirkliche Wiedergutmachung kann es angesichts der Schrecklichkeiten und der Einmaligkeit der Shoah nicht geben, sagte Landrat Florian Töpper. Aber es gelte Verantwortung zu übernehmen, damit Gleiches nie wieder geschehen kann. Die Landräte in Unterfranken stünden voll und ganz hinter der bedeutenden Arbeit dieses einmaligen Projektes.

    Landrat Florian Töpper: "Ausgesprochen würdiger Rahmen"

    Dem Gemeinderat dankte Bürgermeister Zeißner für die gemeinschaftlich beschlossene Beteiligung am DenkOrt-Projekt sowie allen Mitwirkenden für die "sehr gelungene Veranstaltung" in einem, so Landrat Töpper, "ausgesprochen würdigen Rahmen".

    Musikalisch dazu beigetragen hatte der Musikverein Theilheim. Neben vielen geladenen Gästen hatten auch zahlreiche Theilheimer Bürger der Eröffnung beigewohnt. Dass auch jüdische Mitbürger aus Würzburg gekommen waren, nannte Spaenle ein gutes Zeichen.

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