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DITTELBRUNN: Tief bewegt am Grab des Vaters

DITTELBRUNN

Tief bewegt am Grab des Vaters

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    Tief bewegt am Grab des Vaters
    Tief bewegt am Grab des Vaters

    Dass sein Vater Hermann 1943 in Russland gefallen war, wusste Reinhard Hoffmann. Details kannte der Bäckermeister aus Dittelbrunn aber keine. Bis letztes Jahr, als die Familie eine Postsendung vom Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge aus Kassel erhielt. Sie enthielt den Ehering und informierte über die letzte Ruhestätte. Jetzt hat der 73-jährige Reinhard seinen vor Jahresfrist gefassten Entschluss realisiert und das Grab des Vaters auf dem Soldatenfriedhof im ukrainischen Charkow besucht.

    Der Vater fiel in Krinka, wurde in Choroschje bei Lugansk beerdigt. Seine sterblichen Überreste wurden 2009 in den großen Deutschen Soldatenfriedhof von Charkow umgebettet. Volksbund-Mitarbeiter stellten dabei den Ehring – „Gold 333“ mit der Gravur M.G. 15.4.36 – sicher und übergaben den Fund der „Deutschen Dienststelle für die Benachrichtigung der nächsten Angehörigen von Gefallenen der ehemaligen Wehrmacht“ (Berlin). Die schickten den Fund, samt erläuterndem Schreiben, des am 16. Februar 1943 im Alter von 29 Jahren in Russland gefallenen Gefreiten Hermann Hoffmann seiner in Schweinfurt lebenden Schwester Brigitte Schneider „als Nachlass“ zu.

    Bei Brigitte hatte die Witwe Margarete Hoffman bis zu ihrem Tod 1990 gewohnt. M.G. steht für Margarete Gottlieb, ihrem Mädchennamen. Das Aprildatum von 1936 ist der Hochzeitstag von Hermann und Margarete.

    Die Ringgravur: „M.G. 15.4.36“

    „Damit haben wir wirklich nicht gerechnet, wer denkt nach fast 70 Jahren an so was?“, sagt der Bäckermeister über die nie erwartete Nachricht, die ihn gefreut, aber auch nachdenklich gemacht habe. Der Vater fiel, als er sechs Jahre alt war. „So richtig gekannt habe ich ihn nicht“, er habe Hermann „nur noch vage vor Augen“, berichtet Hoffmann.

    Vom Vater gibt es auch nur ein einziges Foto, in Uniform. Alle anderen Erinnerungen sind auf der Flucht aus dem schlesischen Ort Winzig – bei Breslau – verloren gegangen, eine Flucht, die Reinhard Hoffmann besser in Erinnerung hat: Eiseskälte herrschte im Januar 1945, als Mutter Margarete mit den zwei Kindern im Schlepptau die Heimat über Tschechien Richtung Deutschland verlassen musste.

    Die – wenn auch verschleierte – Erinnerung an den Vater ist mit der Übersendung des Eherings wieder zurückgekehrt. Reinhard und seine Frau Gertrud kannten jetzt die letzte Ruhestätte von Vater und Schwiegervater: Block 14, Reihe 25, Grab 3555 auf dem großen Soldatenfriedhof in der Ukraine.

    Die Bundesbehörde hatte auch angeboten, das Grab „zu gegebener Zeit“ zu besuchen. Den Anstoß, die Strapaze auf sich nehmen, gab sein Freund Hans Jürgen Schwenk aus Gochsheim. „Da fahren wir doch mal hin“, animierte er Reinhard offensichtlich überzeugend. Das Duo ist jetzt von einem wahren Abenteuer zurückgekehrt, bei dem Fortuna ihr Dauerbegleiter war. Der Dreistunden-Flug nach Kiew war noch kein Problem. Aber die Bahnkarte ins 500 Kilometer entfernte Charkow aufgrund der Sprachprobleme schon. Aber: Die 71 und 73 Jahre alten Herren lernten zufällig einen Würzburger kennen, der seine Freundin in Kiew besuchte.

    Tief bewegt

    Und die half, besorgte Taxi, Fahrkarten für einen Schlafwagen. In Charkow traf man auf Jürgen Schulz. Der Berliner ist Leiter des Soldatenfriedhofs. Er kümmert sich seit 18 Jahren vor Ort um das Auffinden und Umbetten gefallener deutscher Soldaten.

    Auf dem Friedhof hat Schulz an der Stelle, an der der gefallene Hermann jetzt seine endgültig letzte Ruhestätte gefunden hat, extra ein Kreuz aufgestellt. Noch sind die Stelen, die unter anderem seinen Namen tragen werden, in diesem Teil des fünf Hektar großen Friedhofs mit 41 000 deutschen Soldaten nicht fertig graviert. Und wie beim Öffnen der Postsendung vor einem Jahr war Hoffmann „wieder überwältigt“, als er neben dem Kreuz auf der Wiese stand. Er sei tief bewegt gewesen, habe zu heulen begonnen, sagt er.

    Drei Tage widmete sich der Leiter des Friedhofs, den übrigens der damalige Bundespräsident Roman Herzog 1998 eröffnete, den beiden Deutschen, denen er auch den jüdischen, den polnischen Friedhof und die Grabstätten für die gefallenen ukrainischen Soldaten zeigte. Zu Ehren der Toten legen dort Frischvermählte ihren Brautstrauß nieder.

    Dann Rückfahrt, wieder mit unerwarteter Hilfe. Eine Mitarbeiterin von Schulz besorgte die Fahrkarten, ihre Tochter wartete in Kiew, brachte das Duo zum Flieger.

    Der Ehering des Vaters kehrte also noch einmal in die Ukraine zurück. Der Bäckermeister aus Dittelbrunn hatte seinen eigenen Ehering beim Entsorgen einer Ladung Altpapier nämlich an einem Container verloren und nicht wiedergefunden. Weil der Ring des Vaters ihm „hundertprozentig passte“, fasste er den Entschluss, ihn ab sofort zu tragen.

    Am Ende des Interviews fragte Hoffmann dann noch: Ist es möglich, meinem Freund Hans-Jürgen Schwenk und Jürgen Schulz zu danken? Hiermit geschehen.

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